Wanne-Eickel. Vor 20 Jahren hat man Christian Stratmann für verrückt erklärt: Heute ist seine Erfindung „MONDPALAST“ ein Markenartikel des Ruhrgebiets.
Auch 2004 hätte man sich in NRW durchaus Orte mit erheiternderer Anmutung vorstellen können als den städtischen Saalbau und dessen Heimat Wanne-Eickel. Ein einziger Mann sah das anders. 20 Jahre später hat der Bau unter neuem Namen 1,3 Millionen lachende Gäste beherbergt. Der Mondpalast hat Geburtstag. Wie alles begann, wo er heute steht.
Christian Stratmann ist Erfinder vom „Mondpalast“: Ein Mann, eine Idee
Ein Mann, eine Idee: Manche nennen Christian Stratmann 2003 verrückt, mindestens. Denn er ist Anfang 50, weder Regisseur noch Schauspieler noch Autor. Aber er will im Ruhrgebiet machen, was Millowitsch für Köln und Ohnesorg für Hamburg ist: Volkstheater. Das ging, sagen sie an der Ruhr, doch schon mal schief, als der nette Pfleger aus der Schwarzwaldklinik (also der Bochumer Schauspieler Jochen Schroeder) drei „Comödien“-Häuser gründete - alle später insolvent. Christian Stratmann macht trotzdem. Anbetteln muss er niemanden. Er sucht, findet, schart Leute um sich, gründet den Mondpalast mit seinem eigenen Geld. Am 28. Januar 2004 ist die erste Vorstellung. „Ronaldo und Julia“. Thema: der BVB und Schalke - und eine Liebe zwischen den beiden, also in Form von Frau Kapulinski und Herrn Montakowski Lachhaft? Stück läuft. 1450 Mal. Bis heute!
20 Jahre Mondpalast. Der Erfolg hat ein klares Rezept
Ist das Erfolgsrezept geheim? Nein, „Prinzipal“ Stratmann, der 2023 an Marvin Boettcher verkaufte, hat immer offen erklärt, wie das geht. Jeder muss sich angesprochen fühlen. Heißt: In nahezu jedem Stück sind die Revier-Typen zuverlässig drin. Töfte Kumpel, nölende Nachbarn, lustige Oppas - und irgendwo dazwischen ein Pärchen, also was für die Jüngeren im Publikum. Denn: Die Leute sollen sich wiedererkennen, sagt Stratmann. Oder doch wenigstens ihren Nachbarn! Stratmann weiß eines übers Ruhrgebiet sicher: „Es ist eine der wenigen Regionen in Deutschland, in denen man problemlos über sich selber lachen kann.“
Wer sind die Menschen hinter dem Erfolg des Mondpalastes?
Wer sind die Menschen hinter Stratmann und seinem Erfolg? Ein für die Branche erstaunlich beständiges Team: Viele Stücke steuert Sigi Domke bei, der hatte ja einst schon den Sensationserfolg der „Ruhr Revue“ betextet. Er findet für jeden Komödien-Schauplatz den Pointen-Schlüssel, ob er Shakespeares Othello als „Schwatten von Datteln“ serviert oder in „Waschtag“ die Klischees von der Ruhr in den Schleudergang packt. Das zieht: In Wanne-Eickel lachen sogar zugereiste Sauerländer über seine großen Würfe wie „Flurwoche“. Regie führt sehr oft und oft überaus erfolgreich Intendant Thomas Rech. Und die Schauspieler kommen Stammgästen wie Familie vor: Es gibt welche, die von Tag eins dabei sind.
Von Assauer bis Drews, immer wieder juxige Gaststars im Volkstheater
Was ging, was nicht? Sah man je Weizsäcker im Zuschauerraum des Komödienstadels? Stratmann aber holt einen Bundespräsidenten! 2008 ist Horst Köhler im Mondpalast. Aber berühmter ist hier natürlich Rudi Assauer: Zur 500. Vorstellung von „Ronaldo und Julia“ kriegt er eine Gastrolle - und wird zum Dank „Ensemble-Mitglied auf Lebenszeit“. Es läuft. Die Besucherzahl überschreitet die Million, Stratmann hört nicht auf, anzufangen. Da macht auch schon mal ein paar Minuten Jürgen Drews den Palast zum Ballermann. Wenn was nicht läuft, nimmt Stratmann das professionell unbeleidigt. Das ehrgeizige Projekt der Zweitspielstätte „Kammerspielchen“ ist dann schon 2013 Geschichte. Corona trifft das nicht subventionierte Haus hart. Stratmann nimmt erstmals Geld auf. Auch darum kann der Palast jetzt Geburtstag feiern, Millowitsch dagegen ist schon vor der Pandemie Geschichte.
Prinzipal Stratmann hat den Palast verkauft. So sieht es heute aus
2023 verkauft Christian Stratmann. Er bleibt „nur“ Prinzipal, steht abends immer noch freundlich am Einlass, mischt aber nicht mehr mit oder sich ein („Ich sage nur was, wenn man mich fragt!“) Aber geht das große Ganze ohne ihn? Nachfolger Marvin Boettcher, der den Palast jetzt besitzt, jedenfalls muss man unbedingt zupackend nennen: Als letzten Sommer der Bühnenboden renoviert wird, langt er selbst zum Schleifgerät. Tausende Kniebeugen für seinen Palast. „Persönlich Hand anlegen“, sagt er, sei selbstverständlich - und versichert, dass die Durststrecke nach der Pandemie 2024, zum Geburtstag, Geschichte ist: „Wir sind sehr glücklich, dass sich die Auslastungszahlen des Mondpalasts mittlerweile wieder auf Vor-Corona-Niveau bewegen.“