Herne. Die Brücke der A43 am Rhein-Herne-Kanal in Herne wird spektakulär angehoben – ein Meilenstein im Ausbau. Es dauert lange, dann rummst es.
Funken sprühen, glimmende Metallspäne fliegen nach unten. Sie schmelzen feine Löcher in die dünne Eisschicht auf dem Rhein-Herne-Kanal. Ein einsamer Arbeiter oben im Korb gibt am Schweißbrenner alles. Er muss die 320 Tonnen schwere Brücke über den Rhein-Herne-Kanal in zwei Teile zerlegen, bevor sie endlich herausgehoben werden kann. Auf der anderen Kanalseite stehen ziemlich viele Offizielle, Bauarbeiter und Journalisten. Das Ende der alten Brücke soll ein Meilenstein beim Neubau des Emschertal-Brückenzugs sein – ein weiterer Schritt zur freien Fahrt auf sechs Spuren über die A 43. Und Brücken interessieren spätestens seit Bottrop sowieso.
Autos rollen über die andere Hälfte - warum gibt es dieses Mal keine Vollsperrung?
Oben auf der A 43 rollen an diesem ungemütlichen Mittwochnachmittag Autos – freilich nicht über den Brückenteil, der gerade zerschnitten wird, sondern auf der anderen Seite. In etlichen Monaten mit Vorarbeiten hatten die Experten die Hälften der Brücken voneinander getrennt, deshalb ist keine Sperrung notwendig. Auf der westlichen Seite fließt jetzt der Verkehr vierspurig. Die Brücke muss noch so lange halten, bis die neue Hälfte fertig ist. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn seit Ende 2021 sind beide Brückenseiten für alle Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen gesperrt. Eine Wiegeanlage fischt alle zu schweren Fahrzeuge heraus.
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Wie bekommt man mal eben so eine Brücke zerteilt? „So wie man sie zusammenschweißt, schweißt man sie auch auseinander. Das ist ein ganz normaler Vorgang“, sagt Carola Ziebs, die den Ausbau der A 43 koordiniert. 15 oder 20 Minuten, vielleicht eine halbe Stunde, schätzt sie zunächst, werde das dauern. Am Ende sind es drei Stunden und es ist weißer Winter geworden am Rhein-Herne-Kanal. Man kann nicht jeden Handgriff planen.
Fahrbahnbelag entfernt, das Stahlgerippe bleibt und hängt am Haken
„Wir haben die Brücke in den letzten Wochen erleichtert. Der Fahrbahnbelag ist entfernt worden und die Fahrbahnbleche, so dass nur noch das Stahlgerippe hier ist“, sagt Projektleiterin Carola Ziebs. „Mittlerweile sind es nur noch 225 Tonnen.“ Ein Drittel wird mit einem Autokran auf die Herner Kanalseite gehoben. Die anderen zwei Drittel hängen an „Hebo-Lift 8“. Der Schwimmkran schwimmt auf dem gesperrten Rhein-Herne-Kanal und soll das Stahlgerippe auf die nördliche Kanalseite hieven.
Kann der nicht kippen? „Wir haben das vorher mit einer Statik natürlich belegt. Es sind vorher Anschlagpunkte angebracht worden“, sagt Ziebs. Durch das Anheben wirken ganz andere Lasten auf die Brücke ein. Schließlich will ja niemand, dass die Brücke auseinanderbricht. 153 Tonnen ist das Teil schwer, das der Kran letztlich hebt – eine Kleinigkeit für Hebo-Lift 8. Der könne nämlich bis zu 800 Tonnen tragen. Am Ende fährt der Kran sogar ein Stück rückwärts mit der Brücke am Haken.
Schneetreiben setzt ein und oben fliegen weiter die Funken. Die Brückenteile hängen schon am Haken. Denn, wenn alles durch ist, dann darf ja der Rest nicht in den Kanal plumpsen. Konzentration für die Kran-Führer.
Warum hat die Brücke am Ende die Verkehrslast nicht mehr getragen?
Was hat man versäumt, dass die Brücke von 1965 nicht bis zum Ende unter Volllast durchgehalten hat? „Man hat immer mehr Belastung bei den Lkw zugelassen“, sagt Ziebs. „Hätten wir es belassen bei 24 Tonnen, wäre die Verkehrsmenge nicht in die Höhe geschnellt, dann wäre die Brücke nicht in diesem Zustand. Das Verkehrsaufkommen ist mit ein Hauptgrund, warum wir die Brücke ablasten mussten.“ Auch eine Sache der Pflege? „Die Brücke ist eigentlich in einem sehr, sehr guten Zustand“, betont die Straßenbauerin. Es gebe leichte und normale Korrosionsschäden, aber keine Schweißnahtrisse oder Ähnliches.
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„In der nächsten Woche kommen schon die ersten Stahlteile für den Neubau der DB-Brücke über die Bahngleise“, erklärt Ziebs. Das ist in Fahrtrichtung Münster die letzte der drei Brücken aus dem Emschertal-Brückenzug. Heißt: Es geht jetzt voran. Erst, wenn die drei Brücken neu gebaut sind, wird auch die Wiegeanlage verschwinden können. Wann das soweit ist, wollen die Verantwortlichen aktuell nicht vorhersagen. Dennoch, der Neubau sei eben wegen der Sperrung „allererstes Ziel“.
Plötzlich ein Rumms - Ende einer Brückengeschichte von 1965 bis 2024
Plötzlich nach bald drei Stunden Funkenflug ein großer Rumms. Die Brücke ist durch. Die Teile kippen leicht gegeneinander. „Hebo-Lift 8“ hält den größeren Teil in Position. Der andere Teil fliegt langsam in Richtung Herner Seite. Die Teile können nicht sofort abgelegt werden. Die zunächst angeschweißten Stützen müssen wieder ab. In den nächsten Wochen wird die Brücke nach und nach auseinandergenommen Und recycelt. Carola Ziebs kann zufrieden nach Hause fahren: „Ich bin schon froh, dass wir einen großen Schritt weiter gemacht haben.“
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