Ruhrgebiet. Der Ausbau der A43 durchs Ruhrgebiet dauert noch Jahre. Hier erklärt die Chefin: „Ausbau ist nicht, nur links und rechts eine Spur dranzupappen.“
Was für ein Bild sich bietet von dem Feldherrnhügel aus mitten im Kreuz Herne. Autos und Transporter auf den Autobahnen in allen Richtungen, fahren, stocken und stehen; Bagger, Tieflader, Walzen und Kräne auf der Baustelle drumherum baggern, heben, laden auf, schwenken aus, folgen einer Choreographie, die Bauleiter schreiben. Wimmelbild.
Auf dem Hügel steht Carola Ziebs, Baudirektorin, Bauingenieurin, Projektgruppenleiterin, die Chefin hier. Warnweste trägt sie und Schutzhelm, hat selbst den Dienstwagen unter orangefarben flackerndem Licht in die Baustelle gesteuert. Carola Ziebs sagt: „Ausbau ist nicht, nur links und rechts eine Spur dranzupappen.“ Hier wollte sie hin. Das zeigen. „Das ist so vielfältig hier.“
Die Autobahn wird bis zu 28 Meter nach Westen verlegt
Sie freut sich, dass Fahrer und Fahrerinnen, die sich durch das aufgewühlte Kreuz Herne von A42 und A43 kämpfen, die laufenden Arbeiten sehen: Das Bagger-Ballett führt täglich „Der Harte Nuss-Knacker“ auf. Denn Ziebs kennt ja die einschlägigen Vorurteile, was das Arbeitstempo auf Autobahn-Baustellen angeht. Der Vorteil ist aber zugleich auch der Nachteil: Manage mal eine Baustelle, durch die täglich 90.000 Fremde fahren. So komplex.
Jedenfalls sieht man die Anforderungen des Ganzen hier gut, wenn auch nur ausschnittsweise: Masten, Rohre und Leitungen stehen und liegen im Weg, müssen noch verlegt werden, dazu die ganze Autobahn tiefer und teilweise bis zu 28 Meter nach Westen - und jetzt sind wir noch nicht mal bei den erwartungsgemäßen Überraschungen wie Blindgängern aus dem 2. Weltkrieg oder durchhängenden Brücken aus den 70ern. „Manchmal ist alles im Laufschritt“, sagt die 56-Jährige.
Kosten liegen bei einer Milliarde, Arbeiten enden in den späten 30er-Jahren
Sie ist die Chefin auf der größten Autobahnbaustelle mitten im Ruhrgebiet, einer Baustelle, die wandert. Zwischen Marl und Witten im verkehrsdurchtosten Herzen des Reviers baut die „Autobahn Westfalen GmbH“ die A43 auf 28 Kilometern Länge auf sechs Spuren aus. Von Norden nach Süden zieht die Baustelle voran, komplett durch das ganze Recklinghausen, das ganze Herne, das ganze Bochum. Die Kosten liegen bei einer Milliarde, die Bauarbeiten enden in den späten 30er-Jahren - wenn es ausgesprochen gut läuft.
Im Oktober 2014 hatte der Umbau mit einem symbolischen Akt und einer groben Untertreibung begonnen. Denn an einer Recklinghäuser Straße mit dem wirklich irreführenden Namen „Am Leiterchen“ hatte der damalige Landes-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) ein Stück Brückengeländer entfernt und einen typischen Groschek-Spruch hinterlassen für etwaige Protestierer: „Schüpp schüpp, und quatsch nicht.“ Lange her.
„Die Brücke hat uns ein bisschen nach hinten geschmissen“
Jetzt, fast acht Jahre später, sehen Autofahrer und Autofahrerinnen in Recklinghausen praktisch fertige Abschnitte - während für solche weiter im Süden noch nicht einmal Baurecht besteht. Unverhofft kommt jedoch oft: Die 43 im Bochumer Norden könnten sie eigentlich längst bearbeiten. Aber ach.
Denn in Herne schwächelt eine Brücke, deshalb werden dort Laster gewogen, sind Spuren verengt und Geschwindigkeiten begrenzt. Solche Einschränkungen jetzt durch einen neuen, angrenzenden Bochumer Bauabschnitt zu verlängern, würde eine etwaige Gesamtstrecke zu lang und zu stressig machen für die Autofahrer und Fahrerinnen. „Die Brücke hat uns ein bisschen nach hinten geschmissen, aber immerhin werden einige Bauabläufe einfacher.“ So komplex.
„Straße ist das, wo ich mich wohlfühle“
Und das wollen Sie sich noch viele Jahre antun? „Straße ist das, wo ich mich wohlfühle“, sagt Ziebs. Als kleines Mädchen und Tochter aus einem Wuppertaler Gerüstbauer-Betrieb ist sie schon mit einem Skizzenbuch herumgerannt und hat Häuser gezeichnet; die Zeit veränderte ihren Hang zur Architektin in den Hang zur Ingenieurin. Fährt sie im Urlaub durch Autobahn-Baustellen, sieht sie die professionell: „Was haben die für eine Markierung genommen, wieso dürfen die Tempo 40 und wir bei uns nicht?“ Es macht die Sache durchaus nicht besser, dass auch ihr Mann bei der „Autobahn GmbH“ ist.
Im wirklichen Leben ist sie dann wieder die Baudirektorin. Die Lärm, Staub und Dreck bringt, „nichts Schönes“, das weiß sie selbst: „Aber wenn ich weg bin, dann ist es schön.“ Mit Sätzen wie diesem gewinnt sie jede Bürgerversammlung. Auch mit Ehrlichkeit: „Es wird nicht leise werden.“ Und richtig ernst genommen fühlen sich die Menschen, wenn die Chefin von der Autobahn zeigt, wie nah dran sie ist: „Die Straße, die zum Aldi führt, bleibt offen.“ So einfach.