Herne. Die marode A43-Brücke über den Rhein-Herne-Kanal muss abgerissen werden. Doch zunächst wird sie verstärkt. Eine aufwendige Maßnahme.

Sie ist das Sorgenkind bei der Erweiterung der A43 auf Herner Gebiet: die Emschertalbrücke über den Rhein-Herne-Kanal. Sie ist altersschwach und musste im April 2021 für den Lkw-Verkehr gesperrt werden. Es klingt widersprüchlich: Die Brücke wird für einen Neubau weichen, doch zunächst wird sie noch einmal verstärkt. Und diese Verstärkung ist ein aufwendiges Unterfangen. Die Herner WAZ war vor Ort.

Manche Radfahrer hält nichts auf: Obwohl der Weg am Kanal gesperrt ist, schlängelt sich ein Radler an Baumaschinen und Stahlträgern vorbei, um in der Morgendämmerung seine Runde zu drehen. Vielleicht ärgert er sich auch über die Hindernisse an der Brücke. Doch diese „Hindernisse“ haben eine wichtige Funktion. Sie geben der Brücke in ihrer letzten Phase bis zur Verschrottung die nötige Stabilität, damit der Verkehr auf der A43 weiterrollen kann.

Die Arbeiten begannen schon in der Dunkelheit.
Die Arbeiten begannen schon in der Dunkelheit. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Zugstäbe sind 25 Meter lang und wiegen 1,5 Tonnen

Die Vorarbeiten sind in den vergangenen Wochen bereits erledigt worden: Unterhalb der Brücke sind zahlreiche Stahlpfähle angeschweißt worden. Diese werden nun mit sogenannten Zugstäben miteinander verbunden. Im Uferbereich des Kanals sind die 25 Meter langen und 1,5 Tonnen schweren Stangen bereits montiert worden, am Mittwoch ist der Schwierigkeitsgrad deutlich erhöht, denn die Stangen in der Mitte der Brücke können nur vom Wasser aus montiert werden. Deshalb: Wird erstmal der Kanal gesperrt, die Arbeiten für den Straßenverkehr lösen also einen kleinen Stau beim Schiffsverkehr aus.

Dann muss ein Ponton, auf dem die Stangen schon liegen, in Position gezogen werden. Zugseile werden montiert, Winden rotieren. Harte Arbeit bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Und nicht ungefährlich. Plötzlich fällt einer der Männer aus dem kleinen Boot, mit dem er Seile von einem Ufer ans andere transportiert. Sofort wirft Sven Kippels, Bauleiter der ausführenden Firma Amand, einen Rettungsring und zieht seinen Kollegen ans Ufer. Die Beteiligten nehmen den Zwischenfall erstaunlich gelassen. Nachdem sich der Mitarbeiter umgezogen hat, steht er schnell wieder auf dem Ponton, und Kippels erklärt im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion, dass alles nach Plan läuft. „Jede Brücke ist anders, aber die Arbeit ähnelt sich.“

Mann über Bord: Doch der Zwischenfall hat die Arbeiten nur unwesentlich aufgehalten. Wenig später stand der Mitarbeiter der Baufirma umgezogen auf dem Ponton.
Mann über Bord: Doch der Zwischenfall hat die Arbeiten nur unwesentlich aufgehalten. Wenig später stand der Mitarbeiter der Baufirma umgezogen auf dem Ponton. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Die Brücke hängt zu weit durch

Im Laufe des Tages sind die Zugstäbe montiert. Doch welche Funktion übernehmen die Stäbe? Der harte Stahl wirke wie ein riesiges Gummiband, erklärt Judith Beier-Tertel, die bei Autobahn Westfalen Projektleiterin für die Brückenverstärkung ist. Wenn die Stäbe gespannt sind, ziehen sie die Brücke zusammen und drücken sie so wieder nach oben – das Problem der Brücke besteht darin, dass sie zu sehr durchhängt. Auch wenn das mit dem bloßen Auge selbstverständlich nicht zu sehen ist. Die Lösung mit der sogenannten Unterspannung sei zwar aufwendig, so Beier-Tertel, doch für Ingenieure durchaus geläufig.

Die Verstärkung reicht allerdings längst nicht dafür aus, dass wieder Lkw die Brücke überqueren dürfen. Für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen Gewicht geht gar nichts. Für Rettungsfahrzeuge der Feuerwehr gebe es zwar eine Ausnahmegenehmigung, allerdings müssen die schweren Fahrzeuge dann einen Abstand von 100 Metern einhalten. Die Ertüchtigung dient vielmehr dazu, dass der Verkehr während des Baus der neuen Brücke auf allen vier Fahrstreifen rollen kann – und das auf einer Brückenhälfte. So kann die andere Hälfte abgerissen und neu gebaut werden.

Vollsperrung am Wochenende

Während der Verkehr während der Montage der Stäbe ungehindert gerollt ist, geht am kommenden Wochenende erstmal gar nichts. Experten nehmen Messungen vor, um die Tragfähigkeit der Brücke zu beurteilen. Dafür wird die A43 von Freitag, 9. Dezember, bis Montag, 12. Dezember, gesperrt. Sollten Nachjustierungen nötig sein, wird die Autobahn zudem in der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember erneut voll gesperrt.

Der eigentliche Brückenneubau soll im kommenden Jahr beginnen, so Carola Ziebs, Projektleiterin für den gesamten Ausbau der A43. Sie werde in konventioneller Bauweise entstehen. In der jüngeren Vergangenheit waren verschiedene neuartige – zeitsparende – Verfahren erfolgreich eingesetzt worden, allerdings bei kleineren Brücken. Die Fertigstellung könnte 2025 sein, doch dann ist der Ausbau der A43 auf Herner Stadtgebiet nicht beendet. Ziebs schätzt, dass dies erst 2030 der Fall sein könnte.