Herne. TV-Hauptrollen, Triumphe an Top-Bühnen, spannende Theater- und Literaturprojekte: Für die Beckmann läuft’s rund – nur nicht in der Heimat Herne.
Der Name Beckmann ist bundesweit ein Begriff: Lina und Maja Beckmann gehören zur absoluten Spitze der deutschsprachigen Theaterszene, ihr Bruder Till glänzt in zahlreichen Projekten. Womit die Herner Theaterfamilie aktuell Aufsehen erregt und warum sie mit ihrem um Bruder Nils Beckmann, Charly Hübner, Jennifer Ewert und Sebastian Maier erweiterten Kollektiv „Die Spielkinder“ seit vier Jahren nicht mehr in ihrer Heimatstadt Herne aufgetreten ist.
Griechen, Lina, Sensationen
„Fantastisch“, „sensationell“, „triumphal“ jubelte die Kritik. Und das Feuilleton der FAZ adelte Lina Beckmann für ihre Leistung im Ein-Personen-Stück „Laios“ zur „vielleicht variantenreichsten Theaterschauspielerin unserer Gegenwart, mit einem unerschöpflichen Repertoire an Gesten, Haltungen und Pointen“. An „ihrem“ Hamburger Schauspielhaus ist sie unter der Regie von Intendantin Karin Beier in dieser Inszenierung zu sehen, die Teil des Antiken-Projekts „Anthropolis“ ist. Für „Prolog/Dionysos“, Auftakt dieser fünfteiligen ambitionierten Serie zur griechischen Mythologie, erntete die vielfach preisgekrönte Bühnendarstellerin ebenfalls großes Lob.
Dass die 42-Jährige auch ganz anders kann, demonstriert sie in Kürze (mal wieder) in der ARD: Im Rostocker „Polizeiruf 110“ ermittelt sie in der Folge „Nur Gespenster“ als Kommissarin Melly Böwe zum nunmehr dritten Mal an der Seite von Anneke-Kim Sarnau. In dieser Rolle trat Lina Beckmann bekanntlich in die Fußstapfen ihres Mannes Charly Hübner, der sich 2022 als Kommissar Bukow von der Reihe verabschiedete. Erstausstrahlung von „Nur Gespenster“: Sonntag, 17. Dezember, 20.15 Uhr. Einen weiteren „Polizeiruf“ hat Beckmann, die einst als Hibernia-Schülerin in Herne Bühnenpremiere feierte, bereits abgedreht.
Sturm und Spektakulatius
Schauspieler, Theaterleiter, Autor, Moderator, Regisseur, Sprecher, Veranstalter ...: Der Künstler Till Beckmann (38) hat viele Gesichter. Am Samstag, 25. November, wird er das des Darstellers zeigen: Am Theater Hagen feiert er Premiere mit „Der Sturm“, einem „anarchistischen Theatermärchen“ frei nach Shakespeare. Für Beckmann eine doppelte Premiere, denn: „Ich habe bislang noch nie am Theater Hagen gespielt.“
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Sein Heimathafen ist seit knapp zwei Jahren das Maschinenhaus Essen, dem „Theater der kommenden Generationen“. Beckmann und seine Partnerin Jennifer Ewert sind in dem Altenessener Backsteinbau Teil des vierköpfigen Leitungsteams. Als freier Produktions- und Veranstaltungsort insbesondere für junge Künstlerinnen und Künstler versteht sich das Maschinenhaus. Allein in diesem Jahr sind dort im Rahmen der Vorweihnachtsreihe „Spektakulatius“ sechs Aufführungen zu sehen – von der Physical-Comedy „Monsterrrr …..!“ über das HipHop-Tanztheater „Der Weihnachtsroboter“ von Renegade (Idee: Zekai Fenerci, Text: Till Beckmann, Regie: Jennifer Ewert) bis hin zur interaktiven Forschungsreise „Wundern“.
Neue Pläne gibt’s reichlich. So werden Till Beckmann und Jennifer Ewert 2024 beispielsweise am Theater Oberhausen zu sehen sein, wo das Urban Arts Ensemble Ruhr von Pottporus (Herne) eine ganz besondere Version von Brechts „Dreigroschenoper“ unter anderem mit Songs der HipHop-Ikonen vom Wu-Tang Clan präsentieren wird. Die Premiere ist für den 19. April geplant.
Drei Theater, ein Tatort
Bochum, Hamburg und Zürich: An diesen drei renommierten Schauspielhäusern ist Maja Beckmann derzeit zu sehen. In Hernes Nachbarstadt spielte sie erst am vergangenen Samstag mit Anna Drexler in „Miranda Julys Der erste fiese Typ“. Weitere Termine seien für 2024 geplant, so ein Sprecher des Bochumer Hauses zur WAZ.
In Zürich - hier gehört sie seit 2019 fest zum Ensemble - hat Maja Beckmann kürzlich Premiere mit „Johanna“ gefeiert. Die nächste Zürich-Premiere steht für die 2021 von Kritikerinnen und Kritikern zur Schauspielerin des Jahres gekürte Hernerin am 22. Dezember mit „Die Möwe“ an. Im Hamburger Schauspielhaus, hier wird sie wie in Bochum als Gast geführt, liefen Planungen für eine Aufführung, so eine Sprecherin auf Anfrage. Konkretes gebe es jedoch noch nicht.
Und wie ihre Schwester Lina kann die 36-jährige auch Krimi: Im April 2024 spielt sie erneut im Franken-„Tatort“ an der Seite von Fabian Hinrichs eine Nebenrolle.
Grass goes Rothmann
Auch „Die Spielkinder“ sind schon bald wieder auf der Bühne zu sehen. Beckmanns & Co. präsentieren im Günter Grass-Haus in Lübeck am 27. März ein exklusives Programm, in dem sie Texte von Grass und Ralf Rothmann verbinden.
Rothmann hören kann man dank der „Spielkinder“ nach wie vor in Oberhausen mit „Overhausen“, dem „literarischen Spaziergang quer durch Ralf Rothmanns Ruhrgebietsromane“. Der erste Audiowalk in diesem gemeinsamen Projekt mit dem Literaturhaus Oberhausen und dem Netzwerk Literaturgebiet.ruhr heißt „Kindheit & Jugend“ und feierte im Oktober 2022 Premiere. Teil 2 trägt den Titel „Jugend & erste Schritte“ und läuft seit April. Und Folge 3 werde im „späten Frühjahr 2024“ in Oberhausen starten, kündigt Jennifer Ewert an.
Und Herne?
Bis 2019 sind die „Spielkinder“ regelmäßig in Herne aufgetreten, zuletzt 2019 im städtischen Kulturraum Alter Wartesaal im Bahnhof mit der Revue „Groß, größer, am kleinsten“, natürlich vor ausverkauftem Haus. Neue Termine? Fehlanzeige! Die Initiative für ihre Auftritte in Herne sei immer von ihnen ausgegangen, sagt Jennifer Ewert. Konkrete Vorwürfe will Till Beckmann nicht gegen die Stadt und die Kulturverwaltung erheben, aber zwischen den Zeilen wird deutlich, dass es hier und da offenbar etwas knirscht und hakt. Eine Botschaft ist Beckmann aber wichtig: „Wir würden sehr gerne wieder in Herne auftreten.“