Herne. Gier, Eigentumshöhle, Gespenster und mehr: Mit welchen Projekten die Herner Künstlerfamilie Beckmann (mal wieder) die Kulturszene aufmischt.
Theaterpremieren in Hamburg und Zürich, Audiorouten in Oberhausen, ein Kino-Film, der TV-Krimi „Polizeiruf 110“ …: Die Beckmannsche Familienbande ist aktuell in der Kulturszene präsenter denn je. Doch ausgerechnet in ihrer Heimatstadt Herne machten sich Till, Lisa, Maja, Nils und Co. zuletzt rar.
Mehr als drei Jahre liegt der letzte Auftritt nun schon zurück: Am 22. Dezember 2019 präsentierten die „Spielkinder“ – das unter anderem um Charly Hübner, Jennifer Ewert und Sebastian Maier erweiterte Theaterkollektiv der Geschwister Beckmann – im Alten Wartesaal des Herner Bahnhofs ihr Programm „Groß, größer, am kleinsten“, das sie zuvor auch schon in den Flottmann-Hallen gezeigt hatten. Die fürs Herner Literaturhaus geplante Aufführung des Live-Hörspiels „Das Ding aus dem All“ fiel zunächst der Pandemie zum Opfer und wurde dann später im Festspielhaus in Recklinghausen präsentiert.
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Und wie sieht es mit künftigen Heimspielen der Spielkinder aus? „Wir würden gerne auch wieder in Herne auftreten, aber zurzeit zeichnet sich leider nichts ab“, sagt Till Beckmann im Gespräch mit der WAZ. In Herne hätten sie aber nach wie vor einen „Anker“, konkret: Sebastian Maier und dessen Tonstudio im „O“ an der Overwegstraße.
Mit diesen regionalen und überregionalen Projekten spielt der Name Beckmann derzeit eine gewichtige Rolle in der deutschen Kultur-Szene:
Rückkehr nach Bochum
Mit Sarah Kanes Stück „Gier“ feiert Maja Beckmann am Samstag, 4. März, am Schauspiel Zürich unter der Regie von Christopher Rüping Premiere. Im Bochumer Schauspielhaus, dessen Ensemble sie von 2001 bis 2013 angehörte, wird sie nur vier Tage danach zu sehen sein: Mit Rüpings hochdekorierter Zürcher Inszenierung „Einfach das Ende der Welt“ gastiert sie dort erneut, und zwar vom 8. bis 11. März täglich (es gibt noch Karten). Schließlich: Im Mai feiert Maja Beckmann Bochum-Premiere mit dem zunächst an den Münchner Kammerspielen aufgeführten und später von Zürich übernommenen Stück „Miranda Julys Der erste fiese Typ“ (noch nicht terminiert).
Majas jüngere Schwester Lina Beckmann brachte am 20. Januar mit dem Ensemble des Schauspielhauses Hamburg unter der Regie von Philipp Stölzl das Stück „Der lange Schlaf“ als deutsche Erstaufführung auf die Bühne. Außerdem ist sie in der Hansestadt unter anderem als „Richard the Kid & the King“ zu sehen. Für ihre grandiose Darstellung des berüchtigten englischen Monarchen erhielt sie hochrangige Auszeichnungen, zuletzt den vom Deutschen Bühnenverein verliehenen „Faust“, den Maja Beckmann 2019 für „Dionysos Stadt“ gewann.
Beckmann & Rothmann
„Overhausen“ heißt die Audio-Tour, mit der die Spielkinder Schauplätze der Oberhausen-Romane des renommierten Schriftstellers Ralf Rothmann – er wuchs im Ruhrgebiet auf – zum Klingen bringen. Im Oktober fand die Premiere der ersten von drei Folgen statt. Teil 2 der Oberhausener Rothmann-Route, ebenfalls im Studio von Sebastian Maier produziert, soll dann ab Mai begeh- und hörbar sein. Am 10. Mai liest Ralf Rothmann – er wird an diesem Tag 70 – erstmals in Oberhausen, konkret im großen Saal des Stadttheaters am Will-Quadflieg-Platz aus seinem neuesten Roman „Die Nacht unterm Schnee“. Das Bühnengespräch zu der vom dortigen Literaturhaus mitveranstalteten Lesung wird moderiert von Till Beckmann.
Tatsächlich Tanztheater
Die aktuelle Bühnenproduktion der Spielkinder heißt „Die Welt nach dem Ende der Welt“. Die musikalische Lesung von Cormac McCarthys Endzeit-Roman „Die Straße“ ist bei der Premiere am 19. November im Maschinenhaus Essen vom Publikum gefeiert worden. Im April soll das Stück noch einmal im Maschinenhaus präsentiert werden. Beim nächsten Spielkinder-Projekt werde Lina die Federführung übernehmen, kündigt Till Beckmann an. „Sie hat ja früher lange bei der Jugendkunstschule getanzt und will nun tatsächlich Tanztheater mit uns machen.“
Frau Fick und Kommissarin Böwe
Im Kino ist aktuell nicht nur Charly Hübner in „Die Mittagsstunde“ zu bewundern – die Leser des Fachmagazins „epd Film“ kürten ihn zum besten deutschen Schauspieler 2022 –, sondern seit Ende Februar auch seine Gattin Lina Beckmann. Sie spielt in der Verfilmung von Joachim Meyerhoffs autobiografischem Bestseller „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ die (kleine) Rolle der Haushälterin Frau Fick.
Eine Hauptrolle hat Lina bekanntlich im Rostocker TV-Krimi „Polizeiruf 110“ übernommen, in dem sie als Ermittlerin Melly Böwe in die Fußstapfen des im Januar 2022 ausgeschiedenen Sascha Bukow alias Charly Hübner tritt. Die am 19. Februar ausgestrahlte Folge „Daniel A.“ erhielt viel Kritiker-Lob. Zwei weitere Folgen („Gespenster“ und „Diebe“) sind bereits im Sommer 2022 abgedreht worden und sollen 2023 bzw. 2024 in der ARD ausgestrahlt werden.
Essener Eigentumshöhle
Das Maschinenhaus an der Zeche Carl in Altenessen ist mittlerweile so etwas wie der künstlerische Heimathafen von Till Beckmann. Dort findet am Samstag, 4. März, ab 20 Uhr die NRW-Premiere des Films „Die Eigentumshöhle“ statt. Die Produktion des Performance-Kollektivs „Pangalaktisches Theater“ ist die Fortsetzung der 2018 uraufgeführten Weltraum-Oper „Das Zeitrad“ und anders als damals kein Bühnenstück, sondern ein Spielfilm. Das komplette Darsteller-Trio – Till Beckmann, Nadja Ihjeij und Patrick Praschma – kommt aus Herne. Mit dem Film war das Kollektiv zum Festival „Theater der Dinge“ (Berlin) eingeladen, einem der wichtigsten Events des zeitgenössischen Figuren- und Objekttheaters in Deutschland.
Mehr Infos und Tickets für „Die Eigentumshöhle“ auf: maschinenhaus-essen.de.