Herne. Der neue starke Mann der Herner CDU setzt auf eine Überraschung bei der Kommunalwahl, lobt Merz und verrät seinen Kindheitstraum: ein Interview.
Im April 2022 wurde er Parteivorsitzender, seit zwei Monaten führt er auch noch die Ratsfraktion: Hernes CDU-Chef Christoph Bußmann (35) im Interview.
Wann kürt die Herner CDU Sie zum OB-Kandidaten für die Kommunalwahl 2025?
Christoph Bußmann: Es bleibt die Entscheidung der Partei, wo sie mich gerne sehen will.
Es liegt doch nahe, dass der Partei- und Fraktions-Chef auch OB-Kandidat wird. Oder schließen Sie das für sich aus?
Ich schließe erst mal gar nichts aus. Ich habe in der Politik gelernt, dass sich Dinge sehr schnell ändern können und man irgendwann Aussagen revidieren muss, die man vielleicht besser nicht gesagt hätte. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir in der Herner CDU ein gutes Team aufstellen werden. Wir brauchen 2025 ja auch einen Bundestagskandidaten. Und zweiteilen kann ich mich nicht.
These: Wenn OB Frank Dudda in knapp zwei Jahren noch einmal antritt, wird es für einen Kandidaten oder eine Kandidatin nur noch darum gehen, die 20-Prozent-Marke zu überschreiten.
20 Prozent plus X oder besser 25 Prozent plus X, das ist unser Ziel. Wenn man antritt, möchte man auch gewinnen. Und aus strategischer Sicht sage ich mal: Es wird einem Herrn Dr. Frank Dudda bei der OB-Wahl nicht helfen, wenn die Bundestagswahl am selben Tag wie die Kommunalwahl stattfindet. Vielleicht gibt es an diesem Tag das eine oder andere Überraschungsergebnis …
Sie sind 2020 nicht in den Rat eingezogen, weil die Parteispitze Ihnen den gewünschten sicheren Listenplatz verweigert hat. Hätten Sie es damals für möglich gehalten, dass Sie drei Jahre später sowohl Partei als auch Fraktion führen?
Wenn mir das damals jemand prophezeit hätte, hätte ich ihn ausgelacht. Ich war 2020 nicht glücklich mit Platz 13, hatte aber damit gerechnet, dass es reichen wird. Als es nicht gereicht hat, habe ich kein Theater gemacht. Die Partei ist immer größer als die einzelne Person. Das Scheitern hat mir aber auch Türen geöffnet: Ich weiß nicht, ob ich 2021 in der CDU für den Bundestag hätte kandidieren dürfen, wenn ich den Sprung in den Rat geschafft hätte. Und meine Bundestagskandidatur hat dazu geführt, dass mir Kritiker anschließend mehr zugetraut haben und zu der Einsicht gekommen sind: Der Junge kann vielleicht doch was. Mir hat aber sicherlich auch geholfen, dass mein Vorgänger Timon Radicke auf den Kreisvorsitz verzichtet hat.
Sie sind vor knapp zwei Monaten in den Rat nachgerückt und sofort Fraktionsvorsitzender geworden. Sind Sie eigentlich noch ein Lernender oder schon ein Handelnder im Rat?
Sowohl als auch. Es gibt Bereiche, mit denen man früher nicht in Berührung kam und bei denen Lernen angesagt ist. Aber ich war ja zuvor bereits sachkundiger Bürger in Ausschüssen. Und ich bin ja schon seit 2011 in der CDU. Hinzu kommt: Wenn man wie ich Politik studiert hat, hat man einen ganz anderen Blick. Das Wichtigste ist aber: Ich habe ein gutes Team. So sehe ich auch die Partei: Für mich ist alles Teamarbeit, ich bin ja kein Übermensch.
Ist es nicht vor allem ein Indiz für eine zu dünne Personaldecke, wenn Partei- und Fraktionsvorsitz in einer Hand liegen?
Nein. Es macht viele Dinge einfacher. Man kann sich weniger mit der Partei in die Haare bekommen, hat mehr Beinfreiheit. Und ich kann die Synergieeffekte nutzen.
Sie sind sind seit gut eineinhalb Jahren Parteivorsitzender. Für mich ist Ihre Handschrift seitdem noch nicht sichtbar geworden. Täuscht dieser Eindruck?
Ich will ganz ehrlich sein: Die ersten neun Monate ging es ohne Parteigeschäftsführung vor allem darum, den Laden am Laufen zu halten. Das änderte sich, als unsere Parteigeschäftsführerin Dani Spengler ihre Arbeit aufnehmen konnte. Ich habe das Personal in der Kreisgeschäftsstelle umgestellt. Wir haben wieder mehr für die Mitglieder getan und Veranstaltungen durchgeführt, in denen es vor allem um das Miteinander ging. Ich habe eine Zuhörtour durch alle vier Stadtbezirke gemacht. Das alles wird nach außen natürlich nicht sichtbar. Es ging und geht darum, die Partei so umzustrukturieren, dass wir wahlkampf- und kampagnenfähig sind.
Es wird bei der Kommunalwahl für die CDU nicht zuletzt darum gehen, das eigene Profil herauszustellen. Das gilt umso mehr in Ihrer Rolle als kleiner Partner der SPD im Rat. Wie soll das geschehen, wo wollen Sie sich abgrenzen?
Wir haben zum Beispiel eine andere wirtschaftliche Auffassung als die SPD.
Als die SPD oder als Frank Dudda?
(lacht) Als die SPD. Wir haben eine andere Auffassung bezüglich der Zukunft von General Blumenthal. Wir wollen dort vor allem Firmen ansiedeln, die viele Arbeitsplätze schaffen und Gewerbesteuer in Herne zahlen.
Wird Ordnung und Sicherheit wie schon 2020 erneut ein Schwerpunkt im Kommunalwahlkampf der CDU?
Ja, auf jeden Fall. Wir müssen stärker gegen Problemhäuser vorgehen und den positiven Weg des Kommunalen Ordnungsdienst fortführen und - wo nötig - weiter ausbauen.
Die Haushaltssituation verschärft sich in Herne dramatisch. Wird Ihnen angst und bange angesichts der drohenden Millionenlöcher?
Ich würde nicht von Angst reden. Frustration ist der bessere Begriff. Ich muss aber zunächst mal feststellen: Kämmerer Hans Werner Klee hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Ich kann nicht einen Haushalt vorlegen und gleichzeitig sagen, dass er sowieso nicht genehmigungsfähig ist.
Aber ist das nicht vor allem ehrlich?
Ich glaube, dass der Kämmerer ehrlich ist. Nichtsdestotrotz ist es seine Aufgabe, einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen. Ich muss den Kämmerer aber auch in Schutz nehmen: Er kann nichts dafür, dass Erlasse und Gesetze aus dem Bund die Stadt massiv finanziell belasten. Wo soll der Kämmerer das Geld denn hernehmen?
Müsste sich der Frust nicht auch gegen das Land richten, zum Beispiel nach dem neuerlichen Scheitern einer Altschuldenregelung?
Das Land hat bei der Lösung des Altschuldenproblems einen Vorschlag gemacht. Der Bund hat sich aber nicht bewegt.
Die Opposition im Landtag sah das anders und sprach von einem Taschenspielertrick. Ministerpräsident Hendrik Wüst wurde vorgeworfen, dass er die Kosten für eine Altschuldenregelung vor allem den Kommunen habe aufbürden wollen.
Für mich war das kein Taschenspielertrick. Und: Es ist doch nachweisbar, dass vom Land viel mehr kommt als vom Bund. Wenn ich zum Beispiel sehe, was unsere Bauministerin Ina Scharrenbach auch in Herne alles möglich gemacht hat … . Das eigentliche Problem liegt aber woanders:
Und zwar?
Ich möchte, dass die Kommunen vor allem vom Bund sowie vom Land in die Lage versetzt werden, ihren Verpflichtungen selbst nachzukommen. Wenn wir das Altschuldenproblem lösen, behalten wir ja unser strukturelles Defizit. In zehn oder zwanzig Jahren wären wir dann wieder an dem Punkt, an dem wir heute sind. Wir haben hohe Kosten fürs Bürgergeld und für Flüchtlinge. Wenn diese beiden in Herne sehr, sehr großen Posten wegfallen würden, würden wir mit unserem Geld auskommen und könnten sogar investieren.
Machen wir es mal konkret: Die Landesregierung hat jüngst beschlossen, dass Herne und alle anderen Kommunen 15 Prozent der Kosten für die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung – OGS – ab 2026 selbst tragen müssen. Wäre es hier nicht angezeigt, dass das Land diese Kosten übernimmt, um zu verhindern, dass arme Städte bzw. Eltern in armen Städten wie Herne die Leidtragenden sind – so wie es beim Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz der Fall ist?
Ich gehe davon aus, dass das Land hier eine Lösung finden wird.
Stichwort „Brandmauer gegen die AfD“. Ihr Parteichef Friedrich Merz steht durch seine Äußerungen in der Kritik. Zurecht?
Nein, das sehe ich ganz anders. Ich bin der festen Überzeugung, dass die von Friedrich Merz angesprochenen Probleme endlich thematisiert werden müssen. Wir haben lange Zeit versucht, Probleme mit Geld zu lösen. Oder die rot-grüne Bubble hat mit Vergnügen weggeschaut. Man muss aber so selbstkritisch sein und feststellen, dass die CDU unter Angela Merkel hier ebenfalls Fehler gemacht hat. Wenn man ein Problem erkannt hat, muss man es anpacken. Dann wird auch die AfD keine Überlebenschance haben. Andere Länder wie Dänemark haben bewiesen, dass man mit vernünftiger und sachorientierter Politik rechte Parteien zurückdrängen kann.
Bekämpft man die AfD, indem man ihre Forderungen übernimmt – wie in der Asylpolitik geschehen?
Ich könnte zur AfD sagen: Auch eine defekte Uhr geht zweimal am Tag richtig. Es wird immer in einzelnen Punkten Überschneidungen geben, nicht nur mit der AfD. Das lässt sich nicht verhindern. Ich weise aber zurück, dass wir die AfD in der Asylpolitik kopieren.
Ist die AfD aus Ihrer Sicht eine Gefahr für die Demokratie?
Teile der AfD auf jeden Fall. Der Höcke-Flügel ist definitiv eine Gefahr für die Demokratie.
Ganz harter Schnitt. Sie sind 2021 als Bundestagskandidat in Herne und Bochum angetreten, Ihre Lebensgefährtin Laura Rosen hat für die CDU in Gelsenkirchen kandidiert. Den Sprung nach Berlin haben Sie beide verpasst. Was ist in Zukunft wahrscheinlicher: dass Sie einmal der Mann einer Bundestagsabgeordneten werden oder dass Sie selbst Bundestagsabgeordneter werden?
(lacht) Wenn ich auf die Liste der CDU bei der Bundestagswahl 2021 schaue, ist es wahrscheinlicher, dass ich Partner einer Bundestagsabgeordneten werde: Sie war auf Platz 30, ich auf Platz 53. Aber erstens habe ich keine Ahnung, ob meine Partnerin erneut kandidieren wird. Und zweites habe ich ja schon festgestellt, dass ich heute gar nicht weiß, ob ich künftig für irgendetwas kandidieren werde.
Haben Sie kein persönliches Karriereziel?
Als Kind habe ich mir immer gewünscht, Bundestagsabgeordneter zu werden.
Wie kommt man als Kind auf so eine Idee?
Ich war als Kind häufig in der Kneipe meiner Großeltern in Unser Fritz, weil mein alleinerziehender Vater selbstständig war und arbeiten musste. Dort haben CDU-Politiker wie zum Beispiele Peter-Klaus May gesessen, die mit meinem Großvater und anderen Freunden der Familie über Politik geredet haben. Dabei ging es zu 99 Prozent um Bundespolitik. Ich fand das faszinierend. Und ich finde es noch immer faszinierend, Weichen für ein Land stellen zu können und das Leben der Menschen nachhaltig besser zu machen. Heute sehe ich mich aber eher als Parteisoldat und Teamspieler: Ich bin da, wo die Partei mich braucht.
Schwarz-Rot und Schwarz-Gelb
Entweder oder: Schwarz-Grün oder Große Koalition – was liegt Ihnen näher?
Angesichts der aktuell zu lösenden Probleme sehe ich eine größere Schnittmenge mit der SPD.
K-Frage: Friedrich Merz oder Hendrik Wüst?
Friedrich Merz.
Richtig oder falsch: Auch in dieser Saison werde ich als BVB-Fan keine deutsche Fußballmeisterschaft feiern können.
Faaalsch! Ich glaube immer daran.
Der Bau einer Seilbahn am Wanne-Eickeler Hauptbahnhof ist eine Luftnummer und wenig realistisch?
Falsch. Wenn alle Gutachten und Prüfungen positiv ausfallen, kriegen wir das hin.
>>> Zur Person: Taxi, Uni, Jobcenter
- Christoph Bußmann (35) ist zwar in Hagen geboren, aber Wanne-Eickeler durch und durch.
- Nach seinem Abitur 2008 an der Gesamtschule Wanne, dem Grundwehrdienst bei der Bundeswehr und einem Job als Taxifahrer studierte er Politikwissenschaften an der Uni Duisburg-Essen. 2021 wurde er Mitarbeiter im Jobcenter Gelsenkirchen.
- Der CDU gehört er seit 2011 an, doch bereits 2004 trat er in die Junge Union ein. 2022 wurde er Parteivorsitzender und vor zwei Monaten auch Ratsfraktionsvorsitzender der Herner CDU, jeweils als Nachfolger von Timon Radicke.
- Bußmann ist liiert mit der Gelsenkirchener CDU-Stadtverordneten Laura Rosen.