Herne. Wegen eines falschen 30er-Schildes kassierte die Stadt Herne zu Unrecht Gelder. Sie räumt einen Fehler ein. Aber wer hängte das Schild auf?
Die Schilder-Posse von Herne wird vielleicht nie mehr restlos aufgeklärt. Nach Angaben der Stadt Herne bleibt es ein Rätsel, wer ein Tempo-30-Schild an der Wiedehopfstraße im Wanne-Eickeler Norden aufgestellt hat. Die Polizei blitzte dort 104 vermeintliche Raser, die Stadt Herne bat sie anschließend zur Kasse. Dann kam heraus: Die Autofahrerinnen und -fahrer hätten gar nicht erwischt werden dürfen, dort galt bislang Tempo 50. Die Stadt räumt nun eine Teilschuld an der Posse ein.
Nachdem die WAZ über den Fall berichtete hatte, erreichte er jetzt auch die Politik. Die Grünen in der Bezirksvertretung Wanne wollten von der Verwaltung wissen: Wer hat die Tempo-30-Schilder aufgehängt? Und wer hat sie später wieder abgehängt? Für den Grünen-Bezirksfraktionsvorsitzenden Daniel Keller, der die Anfrage stellte, war eigentlich klar: „Wir gehen doch davon aus, dass die Schilder von der Stadt dann auch angebracht worden sind.“
Herne: Stadt ordnete Tempo-30-Schild an
Von wegen: Zwar habe die Stadt im März 2020 Tempo 30 auf der Wiederhopfstraße in Unser Fritz angeordnet, selbst umgesetzt habe sie diesen Schritt aber nicht, sagte Thorsten Rupp, Leiter des städtischen Fachbereichs Tiefbau und Verkehr, am Dienstag, 17. Oktober, in der Bezirksvertretung Wanne. Für das Anschrauben auf dem Teilstück sei nämlich der Landesbetrieb Straßen zuständig. Diesen habe die Stadt deshalb per E-Mail gebeten, die neuen Schilder anzubringen. Passiert sei aber – nichts.
Offensichtlich hat dann jemand anders die Anordnung der Stadt Herne umgesetzt und das Tempo-30-Schild angeschraubt. Wer das war? Stadt und Landesbetrieb Straßen hatten zunächst Anwohnerinnen und Anwohner in Verdacht. Nun heißt es bei beiden Behörden: Wir jedenfalls waren es nicht.
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Wie auch immer: Weil nun mal ein neues Tempo-30-Schild hing, nutzte es die Polizei im Juni 2022, um dort die Geschwindigkeit zu kontrollieren. Besagte 104 „Raser“ wurden dabei geblitzt. 73 Halterinnen und Halter wurden „nur“ verwarnt, 31 aber erhielten Ordnungswidrigkeitenanzeigen, weil sie viel zu schnell waren. Und sechs Menschen bekamen sogar ein Fahrverbot. Zu einer Schilder-Posse wurde das Ganze, nachdem der Dorstener Jörg Hochstrat als einziger Betroffener vor Gericht gegen den Bußgeldbescheid vorging. Dabei kam heraus, dass weder Stadt noch Landesbetrieb das neue Schild aufgestellt hatten. Der Fahrer bekam recht.
Und warum wurde das Tempo-30-Schild abgenommen, obwohl es dort doch hängen soll? Dafür habe die Straßenmeisterei Dortmund im Juli 2022 gesorgt, berichtete Thorsten Rupp, der Leiter des Fachbereichs Tiefbau und Verkehr. Dem Landesbetrieb sei nämlich aufgefallen, dass ihm keine schriftliche Anordnung der Stadt zum Anbringen eines solchen Schildes vorgelegen habe; deshalb habe er es entfernt. Die Stadt räumt ein, dass sie daran schuld sei: Die schriftliche Anordnung sei „versehentlich auf eine von der sonst üblichen Praxis abweichende Art dokumentiert worden“, so Rupp weiter. Das habe zu der Aussage geführt, dass es gar keine Anordnung von Tempo 30 gebe.
Ein Autofahrer will Gnadenverfahren nutzen
Weil die Stadt die vermeintlichen Temposünder zu Unrecht bestraft hat, wurden zuletzt Forderungen laut, dass die Verwaltung die Bußgelder in einer Gesamthöhe von 18.045 Euro an die Betroffenen zurückzahlt und die Löschung der zu Unrecht verhängten Punkte in Flensburg beim Kraftfahrtbundesamt anstößt. Die Stadt riet Betroffene deshalb dazu, bei der Bezirksregierung ein sogenanntes Gnadenverfahren einzuleiten. Wie viele der Betroffenen überhaupt wissen, dass sie zu Unrecht geblitzt wurden, bleibt offen. Ein Autofahrer weiß das aber offensichtlich: Wie Stadtsprecher Christoph Hüsken auf WAZ-Nachfrage antwortet, sei bislang ein Antrag auf ein Gnadenverfahren eingegangen.
Bleibt noch eine Frage zu klären: Kommt jetzt noch ein offizielles Tempo-30-Schild auf der Wiedehopfstraße? Nachdem die Stadt das vor dreieinhalb Jahren angeordnet hat? Stadtsprecher Hüsken will das weder bestätigen noch dementieren – die Verwaltung befinde sich noch im Klärungsprozess.