Bund und Länder haben sich am Dienstag auf eine Krankenhausreform geeinigt. Die beiden Herner Krankenhausgruppen sehen das Ergebnis kritisch.
Bund und Länder haben sich nach langen Verhandlungen am Dienstag auf eine Krankenhausreform geeinigt. Kern ist die Einführung einer sogenannten Vorhaltepauschale, die es den Kliniken erlauben soll, sich zum Teil vom System der Fallpauschalen zu verabschieden. Die beiden Herner Krankenhausgruppen sehen sich für die Umsetzung der Reform gut gerüstet, sparen aber nicht mit Kritik.
Die Abkehr von den Fallpauschalen war von Politik mit der Begründung auf den Weg gebracht worden, weil diese für Krankenhäuser ein Anreiz seien, immer mehr Behandlungen durchzuführen. „Damit wird Krankenhäusern unterstellt, dass sie unnötige Behandlungen durchführen. Dies trifft nicht zu“, betont Sabine Edlinger, Sprecherin der Geschäftsführung der St. Elisabeth-Gruppe. Dass zukünftig 60 Prozent der Behandlungsvergütung als Vorhaltepauschale unabhängig von den erbrachten Behandlungen bezahlt werde, sei das falsche Signal. Edlinger: „Im Extremfall könnten Krankenhäuser nun ohne wirtschaftliche Konsequenzen so wenig Behandlungen wie möglich durchführen. Dies kann nicht im Sinne einer guten Patientenversorgung sein.“
Auch Matthias Adler, neuer Geschäftsführer der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel, kann sich mit der Vorhaltepauschale nicht anfreunden. Es klinge zwar zunächst sinnvoll, wenn ein großer Anteil der Vergütung schon für das alleinige Vorhalten von Leistungsangeboten gezahlt werde. In der Realität sei das jedoch schwer umsetzbar. Durch die Veränderungen in der Kliniklandschaft werde es zu einer Verschiebung von Fällen hin zu den verbleibenden Klinikstandorten kommen. Dadurch könne es zu einer Verknappung von Betten-, OP- oder Intensivkapazitäten kommen, die für die Patientinnen und Patienten längere Wartezeiten bedeuten könnten. Mit der festen Vorhaltefinanzierung fehle den Kliniken die Flexibilität, sich auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Bevölkerung quantitativ einzustellen. Die zusätzlichen Fälle seien – auf Grund der Vorhaltefinanzierung als planwirtschaftliches Element – ab einer gewissen Grenze nicht mehr kostendeckend zu leisten, da es für zusätzliche Leistungen nicht automatisch mehr Geld gebe.
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Auch beim Thema Kosten sparen beide Herner Krankenhausgruppen nicht mit Kritik: Das Gesamtbudget, das von Krankenkassen für Behandlungen an Krankenhäuser ausgezahlt werden könne, werde sich mit der neuen Krankenhausplanung nicht verändern, so Simone Lauer, Geschäftsführer der St. Elisabeth-Gruppe. Krankenhäuser werden daher mit den durch Tarifsteigerungen und die Inflation angestiegenen Kosten wahrscheinlich weiterhin alleingelassen. Das bemängel auch Matthias Adler: Die Inflationsraten der letzten 18 Monate lägen stets zwischen mindestens sechs und bis zu etwa elf Prozent. Der Basisfallwert als Abrechnungsgrundlage der Krankenhausfälle sei in 2023 jedoch nur um etwa vier Prozent gestiegen. Wenn Umsätze um vier Prozent, Sachkosten hingegen im Schnitt um acht Prozent steigen sowie die Tarifentwicklung Steigerungsquoten von fünf bis sechs Prozent nach sich ziehe, geh die betriebswirtschaftliche Jahresrechnung für die deutschen Kliniken zweifelsfrei nicht auf. Und dann wird Adler deutlich: „Planungssicherheit und Nachhaltigkeit für die Gesundheitswirtschaft sieht zweifelsfrei anders aus.“
Trotz der klaren Kritik: Beide Gruppen können nicht erkennen, dass die Reform einzelne Häuser oder Fachkliniken in Schwierigkeiten bringen wird.
Die bestmögliche Qualität der medizinischen und pflegerischen Behandlung ist immer das zentrale Ziel der umfangreichen Investitionen der St. Elisabeth Gruppe gewesen, so Edlinger. „Diese Ausrichtung bestätigt uns der neue Krankenhausplan: Wir können unser bisheriges Behandlungsspektrum weiter erbringen.“ Zudem sollen in einigen Bereichen mehr Behandlungen als bisher in der Elisabeth-Gruppe durchgeführt werden, wie Wirbelsäuleneingriffe und komplexe Baucheingriffe im St. Anna Hospital Herne.
Beide Gruppen sehen keine Schwierigkeiten für einzelne Häuser oder Fachkliniken
Universitätskliniken wie dem Marien Hospital Herne kämen im neuen Krankenhausplan eine besondere Rolle zu. Sie sollen die überregionale Koordination von Versorgungsleistungen und einen zentralen Beitrag für eine hochwertige Behandlung und Patientensteuerung übernehmen. Dank umfangreicher Investitionen in Ausstattung und Forschung sei das Krankenhaus gut aufgestellt. Das Rheumazentrum Ruhrgebiet sei nicht nur Teil des Universitätsklinikums, sondern auch die größte rheumatische Fachklinik in Deutschland und könne aufgrund der umfassenden internationalen Forschung neueste Behandlungskonzepte anbieten. Das St. Marien Hospital Eickel sei deutschlandweit für ihr offenes Psychiatriekonzept anerkannt.
Matthias Adler weist darauf hin, dass an allen Standorten der Ev. Krankenhausgemeinschaft zertifizierte Zentren, wie Schlaganfall-Zentren, Beckenbodenzentren oder Krebszentren sowie hausübergreifend beispielsweise altersmedizinische, schmerzmedizinische und kardiologische Netzwerke gebildet worden seien. Darüber hinaus arbeite der Evangelische Verbund Ruhr zurzeit an einer Fusion, um das Leistungsspektrum weiter zu koordinieren und die bestmögliche Versorgung in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Teilhabe im Sinne unserer Patientinnen und Patienten auch in Zukunft nachhaltig zu sichern und sinnvoll zu erweitern.