Herne. Bei der St. Elisabeth-Gruppe, größter Herner Arbeitgeber, gibt es einen Wechsel in der Geschäftsführung. Theo Freitag geht. Wer ihm folgt.
Der Wechsel ist seit einigen Monaten eingeleitet, nun wird er vollzogen: Theo Freitag, Geschäftsführer der St. Elisabeth-Gruppe in Herne, verabschiedet sich mit 63 Jahren zum Jahresende in den Ruhestand, ab 1. Januar übernehmen Simone Lauer (53) und Sabine Edlinger (56) die Führung des größten Herner Arbeitgebers.
Wenn jemand seinen Posten verlässt, dann gehört das Aufräumen des Schreibtischs zu den letzten Aufgaben. Theo Freitag muss bei der Frage nach diesen Aufräumarbeiten lachen. „Ich habe 28 Jahre im selben Büro gesessen, da ist der Schreibtisch das geringste Problem!“ Fast drei Jahrzehnte stand Freitag in Diensten der Gruppe, die früher noch anders hieß. Eine Zeitspanne, die zu Beginn alles andere als absehbar war. „Sie können machen, was Sie wollen, Sie müssen nur fünf Jahre bleiben“, habe ihm Gisbert Fulland, der damalige Chef des St. Anna-Hospitals, zu Freitags Dienstbeginn als Personalchef gesagt. Die vorherigen „Personaler“ hätten eine sehr kurze Verweildauer gehabt.
Fusionen haben die Amtszeit von Theo Freitag geprägt
Geprägt hätten ihn die Fusionen in seiner Amtszeit - 2005 rückte Freitag zum Geschäftsführer der St. Vincenz-Gruppe auf. Zunächst verschmolzen das Anna und das St. Marien in Eickel, danach wurde die Rheumaklinik integriert. Nach dem Marien Hospital in Witten folgte das Marien Hospital Herne. Letztere war weniger Fusion als vielmehr eine Rettung des von der Stiftung heruntergewirtschafteten Uni-Klinikums. Im Zuge dieser Fusion wurde aus der St. Vincenz-Gruppe die St. Elisabeth-Gruppe. Diese Fusionen und das damit verbundene Wachstum spiegeln sich in den Zahlen wider. Habe der Gesamtumsatz 2005 bei rund 83 Millionen Euro gelegen, so seien es 2021 nun 543 Millionen gewesen. Die Zahl der stationär behandelten Patienten habe 2000 bei 22.500 gelegen, 2019 sei man bei 100.000 angelangt. Die Mitarbeiterzahl sei von 1215 auf 7100 im vergangenen Jahr gestiegen.
So sei die Gruppe solide aufgestellt, und es gebe zurzeit keine Notwendigkeit für eine weitere Fusion, sagt Simone Lauer. Sollte jedoch ein potenzieller Partner auftauchen und es würde sich herausstellen, dass es passt, „würden wir nicht nein sagen“.
Freitag: „Ich glaube an ein Leben vor dem Tod“
Bei der Größe der Gruppe gibt es eine Reihe von Projekten, die Freitag nicht mehr zu Ende führen kann. Wollte er dies, „dürfte ich gar nicht aufhören.“ Den Entschluss, sein Berufsleben zu beenden, habe er bereits vor drei Jahren gefasst, denn er glaube an ein Leben vor dem Tod, sagt er mit einem Augenzwinkern. Er blicke in der näheren Zukunft einer geplanten Planlosigkeit entgegen, „ich habe den Status eines Entdeckers“. Wenn er sich noch einmal engagiere, dann nur ehrenamtlich.
Ob die Renovierung des Marien Hospitals, der Bau und die fast beendete Aufstockung des Rheumazentrums, der Bau des Campus in Börnig oder der Bau des Kochhauses in Gerthe, dessen Einweihung Freitag im kommenden Jahr als Ruheständler erleben wird: Die Elisabeth-Gruppe war in den vergangenen Jahren immer für ihre rege Bautätigkeit bekannt. „Und wir haben nicht vor, diese Bautätigkeit einzustellen“, kündigt Edlinger an. Am Marien Hospital soll die Notfallambulanz erweitert werden, die Einrichtung von zwei zusätzlichen der Herzkatheter-Laboren stehe ebenso auf dem Plan wie eine Renovierung der Strahlentherapie. Auf Grund der starken Nachfrage schaue man sich auch den OP-Bereich im Anna an. Und schließlich würden durch die neue Großküche andere Flächen wieder frei...
Nachrichten in Herne – Lesen Sie auch:
- Gasverbrauch in Herne sinkt: Bürger sparen kräftig
- Herne: Notruf oder Bereitschaft – wen soll man anrufen?
- Wieder Liebesfalle: Dritter Fall nach Überfällen auf Herner
Die Elisabeth-Gruppe sei allerdings kein Baulöwe, betonen die Freitag, Lauer und Edlinger. All diese Aktivitäten seien durch die steigende Zahl an Patientinnen und Patienten angestoßen worden und dienten mehreren Zielen: Verbesserung der Betreuung, der internen Abläufe sowie Arbeitsbedingungen und der Wirtschaftlichkeit.
Diese Ziele werden Sabine Edlinger und Simone Lauer in Zukunft gemeinsam verfolgen. Eine besondere Findungs- oder Einarbeitungsphase benötigen beide offensichtlich nicht: Edlinger ist seit 17 Jahren in der Gruppe tätig, Lauer seit 14 Jahren. Sie seien sehr kommunikationsfreudig und „tickten“ ähnlich, sagen sie im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. So verbinde sie der Humor und die Freundlichkeit.
Personalgewinnung und -bindung ist eine Herausforderung
Und sie wissen, welche Herausforderungen auf sie zukommen. Im Gesundheitswesen ist es ähnlich wie bei den Schulen: Eine Reform jagt die andere. Die nächste Umwälzung steht bereits bevor. Eine endgültige Bewertung der Pläne, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vor wenigen Tagen präsentiert hat, geben Lauer und Edlinger nicht, doch sie merken zwei Dinge an: Es fließe nicht mehr Geld ins System, es werde nur anders verteilt. Und was gerne vergessen werde: Man müsse erstmal die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden, die im System arbeiten wollen, sonst helfe die ganze Reform nicht.
In dieser Hinsicht sei die Elisabeth-Gruppe gut aufgestellt. Alle offenen Stellen seien besetzt, doch diese Besetzung dauere inzwischen deutlich länger als in der Vergangenheit - bei Spezialisten bis zu einem halben Jahr. Vor diesem Hintergrund sei es die richtige Entscheidung gewesen, den Campus mit neun Ausbildungsangeboten in Börnig zu bauen. Seit 2020 seien mehr als 600 Auszubildende übernommen worden. Die Herausforderung bestehe nun darin, sie dauerhaft zu halten.
Geschäftsführung: Erfolg ist nur im Team mit allen Menschen möglich
Das andere große Thema auf der To-do-Liste ist die Digitalisierung. In dieser Hinsicht hat die Gruppe nach den Worten von Simone Lauer bereits einen gewaltigen Kraftakt vollzogen, als alle fünf Krankenhäuser zu Beginn des Jahres auf ein Krankenhausinformationssystem umgestellt worden seien. Damit nähere man sich dem Ziel an, ausschließlich digital zu arbeiten, dies bedeute eine Entlastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, habe aber auch Vorteile für die Patienten, die sich von Zuhause ins System einloggen könnten. Dennoch gebe es noch viel zu tun. So bilde der Datenschutz hohe Hürden, um einfache Themen wie den Austausch von Daten zwischen Praxen und Krankenhäusern umzusetzen.
Was Lauer, Edlinger und Freitag betonen: Um Herausforderungen zu meistern, sei in erster Linie die DNA der Elisabeth-Gruppe wichtig: dass alle Erfolge nur im Team mit allen Menschen möglich seien. Alle zusammen würden den Erfolg garantieren - von der Geschäftsführung bis zu den Reinigungskräften.