Herne. Die Stadt Herne plant den Bau von Wohnungen, im Umfeld des Baugebiets wird Protest laut: Wo sich eine neue Bürgerinitiative gegründet hat.
Herne hat eine neue Bürgerinitiative: Am Zechenweg und an der Gelsenkircher Straße in Wanne haben sich mehr als 40 Anwohnerinnen und Anwohner zusammengeschlossen, um gegen Pläne der Stadt für eine bis zu viergeschossige Wohnbebauung in der Nachbarschaft sowie in den Hinterhöfen zu kämpfen. Sie befürchten nicht nur den Verlust von Gärten, Garagen und Freiflächen, sondern auch das Entstehen neuer Hitzeinseln, eine allgemeine Verschlechterung der klimatischen Situation und eine Zunahme des Verkehrs.
Die aktuelle Vorlage der Stadt zum Bebauungsplan 243 (Gelsenkircher Straße/Zechenweg) liest sich stellenweise fast wie ein Geschenk für die dort lebenden Bürgerinnen und Bürger: Es gehe darum, so heißt es, „die Konfliktlage der bestehenden Gemengelagesituation aufzulösen“. Diese „Gemengelage“ ergebe sich aus der Wohnbebauung entlang der Gelsenkircher Straße und dem „prägnanten Lager- und Logistikbetrieb mit seinem großen Hallenkomplex“ südlich davon. In der Vergangenheit hätten Anwohner wegen der „Immissionsproblematik“ Beschwerden bei der Verwaltung vorgebracht.
Baupläne für Hinterhöfe treibt Anwohner auf die Barrikaden
Konfliktlage? Davon könne nicht die Rede sein, so die einhellige Botschaft von mehr als 40 Bürgerinnen und Bürgern bei einem Ortstermin der BI Zechenweg mit der WAZ. Man habe sich mit den rund zehn Mietern des Bürogebäudes Zechenweg 17 und der angrenzenden Hallen arrangiert und könne „gut mit ihnen leben“, heißt es. Ein Anwohner haben sich wohl mal vor Jahren beschwert: „Der wohnt hier aber schon lange nicht mehr hier.“
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Was Betroffene auf die Barrikaden treibt, ist das Gesamtpaket: Die Stadt möchte nämlich nicht nur den Hallenkomplex durch Wohnbebauung ersetzen, sondern auch „eine Bebauung der rückwärtigen Grundstücke der Gelsenkircher Straße im Sinne einer maßvollen Innenverdichtung“ ermöglichen. Für die Erschließung des Zechenwegs – er ist zurzeit nicht durchgängig befahrbar und besteht praktisch aus zwei Stichstraßen – wäre zudem der Bau einer neuen Straße erforderlich. Im südlichen Teil des Plangebiets soll in Abgrenzung zur Bahntrasse eine Lärmschutzwand errichtet werden; die Grünfläche in diesem Bereich soll erhalten bleiben.
Drei Bebauungsvarianten hat die Verwaltung vorgelegt. Die vom Planungsamt ausdrücklich favorisierte Variante ist die mit den meisten Wohneinheiten. Sie stieß allerdings intern wegen der angestrebten Nachverdichtung bei Stadtgrün auf Ablehnung, wie einer Vorlage der Verwaltung zu entnehmen ist. Gehör fand dieser Einwand nicht: „Ein Verzicht auf Maßnahmen zur Nachverdichtung würde dem städtebaulichen Ziel, wohnbauliche Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen, entgegenstehen“, heißt es.
Klimaanalyse der Stadt warnt vor Entsiegelung und Verdichtung
Insgesamt mehr als 100 neue Wohnungen könnten am Ende entstehen, so erste Berechnungen von Anwohnern. Sie haben sich nicht nur bei diesem Punkt tief in die 287-seitige Vorlage der Stadt (inklusive Fachgutachten) eingearbeitet und führen eine ganze Reihe von Argumenten an: vom Verlust von Frei- und Aufenthaltsflächen über neue Versiegelungen und einer Zunahme von Wärmeinseln bis hin zur auch vom Gutachter der Stadt eingeräumten Verschlechterung der Durchlüftung durch Schließung einer Baulücke.
Peter Mahlberg, Verwalter eines Hauses an der Gelsenkircher Straße und einer von drei BI-Sprechern, verweist auf frühere politische Beschlüsse, in denen zum Beispiel vor Überhitzung in verdichteten Herner Stadtteilen gewarnt wird. Und: In der 2018 vom RVR im Auftrag der Stadt erstellten Klimaanalyse heißt es ausdrücklich, dass in überwiegend dicht bebauten Wohn- und Mischgebieten keine weitere Bebauung durch das Schließen von Baulücken zugelassen und stattdessen „kleinräumige Entsiegelungs- und Begrünungsmaßnahmen“ veranlasst werden sollten. Am Zechenweg sei davon nicht die Rede, so die Kritik.
Was Anwohnerinnen und Anwohner ebenfalls erzürnt, ist die Tatsache, dass es bisher keine direkte Information der Stadt an Betroffene gegeben hat. Die Politik hat derweil alle bisherigen Schritte im Bebauungsplanverfahren unterstützend begleitet. Ihr seien das Ausmaß und die Folgen der Pläne zunächst nicht bewusst gewesen, räumt die Linken-Stadtverordnete Klaudia Scholz ein. Das habe sich erst im März geändert, als sie sich mit Anwohner Marcus Kohl ausgetauscht habe, der zu diesem Tagesordnungspunkt in die Bezirksvertretung Wanne gekommen sei. Anschließend stieß Scholz die Gründung einer BI mit an – so wie es bereits häufig in Herne getan hat.
Und wie geht es nun weiter? Das Bebauungsplanverfahren ist weit fortgeschrittenen, bietet der neuen BI aber in Kürze die Gelegenheit zum Widerspruch: Im Rahmen der am 22. Mai beginnenden Offenlegung der städtischen Pläne können sie all ihre Einwände schriftlich geltend machen. Die Fachverwaltung muss anschließend zu jeder Eingabe Stellung nehmen und diese bewerten. Am Ende entscheidet der Rat. Die neue BI richtet sich auf einen längeren Kampf ein: „Wir brauchen einen langen Atem.“
>>> Veto gegen eine Hundetrainingshalle
Das Areal in Wanne beschäftigt die Stadt seit vielen Jahren.
So wurde beispielsweise bereits Ende 2014 aufgrund der „heterogenen Eigentümerstruktur“ ein sogenanntes Umlegungsverfahren vom Rat beschlossen. Ziel des (noch nicht abgeschlossenen) gesetzlich geregelten Grundstückstauschverfahrens ist die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse, um eine Bebauung zu ermöglichen.
Im März 2021 hat die Politik eine sogenannte Veränderungssperre beschlossen, um vor dem Hintergrund der Wohnungsbauziele die Umnutzung einer Lagerhalle zu einer Hundetrainingshalle zu verhindern.
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