Herne. Widerstand gegen eine Wohnbebauung auf einem Herner Sportplatz: Mit vielen Einwänden und Unterschriften protestiert eine BI gegen die Pläne.
- Gegen die Wohnbebauung auf einem ehemaligen Sportplatz in Herne gibt es Widerstand.
- Es hat sich eine Bürgerinitiative gegründet.
- 400 Unterschriften wurden nun der Stadt überreicht.
Herne sei in NRW die Stadt mit dem höchsten Versiegelungsgrad, heißt es im jetzt vorgelegten Klimaatlas des Landes. Die Anwohnerinnen und Anwohner des ehemaligen Sportplatzes Reichsstraße in Eickel dürfte diese Feststellung in ihrem Kampf gegen die Wohnbaupläne in ihrer Nachbarschaft bestärken. Die bereits im November formierte Bürgerinitiative Reichsstraße macht aber noch eine Reihe weiterer Argumente geltend.
Geplant: 140 Wohneinheiten und eine Tiefgarage mit 180 Stellplätzen
Am Mittwoch, 18. Januar, haben drei BI-Mitglieder im Technischen Rathaus in Wanne-Süd der Stadt zahlreiche Einwendungen, knapp 400 Unterstützungsunterschriften sowie eine gutachterliche Stellungnahme überreicht, mit der sie ihre Position im laufenden Bebauungsplanverfahren mit der Nummer 257 auch formal geltend machen. „Das ist ja toll“, sagte Stadtplanungsamtsleiter Achim Wixforth bei der Übergabe und meinte damit die aktive Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger. Den Inhalt dieser schriftlichen Eingaben dürfte er weniger „toll“ finden – steht dieser doch in krassem Widerspruch zu den Plänen, die Wixforth als Chef der für die Bebauung federführenden Stadttochter SEG für das Areal hat.
Mit den Sparkassen aus Herne und Schwerte als Investoren strebt die SEG auf dem ehemaligen Sportplatz des DSC Wanne-Eickel die Errichtung von Wohnungen und Eigenheimen mit insgesamt rund 140 Einheiten und Größen von 60 bis 110 Quadratmetern an, davon etwa ein Viertel Sozialwohnungen. Das Stellplatzproblem soll durch eine Tiefgarage mit rund 180 Plätzen gelöst werden, deren Ein- und Ausfahrten auf der Reichs- und Bonifatiusstraße entstehen sollen.
Erst im Oktober 2022 hätten sie von dem Ausmaß der Bebauung erfahren, berichtet Anwohner Holger Schlautmann bei einem Ortstermin von Vertreterinnen und Vertretern der BI mit der WAZ auf dem Sportplatz. Informiert wurden sie von der Linken-Stadtverordneten Klaudia Scholz, die wie auch in zahlreichen weiteren Fällen in Herne (Suez, Zentraldeponie, Vödestraße, Funkenberg-Quartier …) durch das Verteilen von Info-Flyern den Anstoß für die Gründung einer Bürgerinitiative gegeben hat. Sieben Mal hat diese sich inzwischen getroffen.
Anwohnerinnen und Anwohner befürchten hohe Belastungen
Die Bürgerinnen und Bürger befürchten, dass der Bau des neuen Viertels zu hohen Belastungen fürs Umfeld führen wird. Zahlreiche Argumente machen die Bürgerinnen und Bürger für ihre Ablehnung der Pläne geltend: Ein Verkehrschaos und erhöhte Unfallgefahren befürchten sie ebenso wie eine Zunahme des Lärms, eine höhere Flächenversiegelung und ein Aus für Frischluftschneisen. Herne hätte hier die Chance zu einer Grünzugvernetzung mit dem Königsgruber Park und dem Volksgarten, sagt auch der Eickeler Grünen-Bezirksverordnete Gerhard Kalus. Doch statt der dringend benötigen Schaffung neuer Freiräume solle hier eine weitere Verdichtung stattfinden.
Im Herbst ließ die Stadt bereits 70 von 140 Bäumen auf dem Gelände fällen, obwohl der formale politische Beschluss noch ausstand. „Rechtlich zulässig“, konterte die Stadt damals die Kritik der Linkspartei. Unterstützung erhält die BI nicht nur von Linken und Grünen, sondern auch von Klaus Müller-Pfannenstiel. Wie bereits bei den umstrittenen Bauplänen an der Vödestraße (Wohnbebauung) und im Funkenberg-Gelände am Bahnhof (Bau der Polizeihochschule) verfasste der geschäftsführende Gesellschafter des in Herne ansässigen Umwelt- und Landschaftsplanungsbüros Bosch & Partner eine gutachterliche Stellungnahme zum B-Plan.
Müller-Pfannenstiel führt unter anderem an, dass es sich beim Plangebiet nicht um einen sogenannten Außenbereich handele. Da „erhebliche Umweltauswirkungen“ nicht ausgeschlossen werden könnten, hätte deshalb eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit einer entsprechenden Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden müssen, kritisiert er. Und: Die Lärmauswirkung der Zufahrt zur Tiefgarage über die Bonifatiusstraße hätte im erstellten Lärmgutachten betrachtet werden müssen.
Müller-Pfannenstiel verweist zudem wie auch BI-Mitglied Andrea Scharpwinkel-Gölker darauf, dass die Stadt in andere Projekten wie der Klimasiedlung an der Wiescherstraße und dem Quartierspark Nordstraße viel höhere ökologische Maßstäbe nicht zuletzt durch die Einbeziehung erneuerbarer Energien zugrunde lege. „Es fehlen klimaökologische Anpassungs- und Verbesserungsmaßnahmen“, so Müller-Pfannenstiel.
Wie geht es weiter? Die Stadt werde nun einen „Abgleich der Interessen“ vornehmen und alle Einwendungen prüfen, so Achim Wixforth. Die Entscheidung treffe am Ende die Politik, betonte er im Technischen Rathaus gegenüber der BI-Delegation.
Und genau das weckt Hoffnung in der Initiative: Erst vor zwei Monaten stoppte der Planungsausschuss einstimmig die konkreten Pläne der Stadt für eine Nachverdichtung an der Vödestraße mit 45 Wohneinheiten in Herne-Süd. Sie entsprächen „nicht dem heutigen Stand der Klimaanpassung“, sagte Ulrich Syberg (SPD) an die Adresse der Stadt. Die Verwaltung solle die Pläne deshalb überarbeiten, so der Auftrag der rot-schwarzen Mehrheitskoalition.
Zustimmung als CDU-Politiker, Ablehnung als Anwohner
Mit Jascha Hoppe (CDU) ließ sich neben Gerhard Kalus (Grüne) ein weiteres Mitglied der Bezirksvertretung Eickel beim Ortstermin der BI mit der WAZ am Sportplatz Reichsstraße sehen. Der CDU-Bezirksfraktions-Chef nahm allerdings nicht an dem Gespräch teil, sondern überreichte der BI als Anwohner seine und weitere Unterschriften gegen die aktuellen Pläne der Stadt.
Dass er in der Vorberatung in der Bezirksvertretung im Oktober mit der CDU dem Vorhaben zugestimmt habe, sei kein Widerspruch, sagte er zur WAZ. Im Bezirk habe er als Politiker agiert, mit seiner Unterschrift als Anwohner und Bürger.
Nachrichten aus Herne - Lesen Sie auch:
E-Scooter: Viele Elektroroller-Fahrer in Herne fahren falsch
Gute Chancen für Herner Seilbahn: „Pionier für Deutschland“
Strompreisbremse: Welche Entlastungen Herner erwarten dürfen