Herne. Trauernde sind entsetzt: Die Stadt Herne will auf Friedhöfen „unerwünschten Grabschmuck“ abräumen. Das lehnt die SPD ab. Sie fordert neue Regeln.

Das Entsetzen von Trauernden zeigt Wirkung: Die SPD-Fraktion in Herne lehnt die Pläne der Stadtverwaltung ab, die ab Januar 2023 auf den städtischen Friedhöfen „unerwünschten Grabschmuck“ auf den Ablageflächen vor den Kolumbarien entfernen will. „Wir wollen keine Abräumaktion“, stellt SPD-Fraktionschef Udo Sobieski gegenüber der WAZ klar. Er strebt eine Änderung der Friedhofssatzung an.

Wie berichtet, hatte die Stadt zuletzt auf Schildern an den Kolumbarien angekündigt, dass sie nach dem Jahreswechsel „unzulässigerweise aufgestellte Materialien“ an den kleinen Grabkammern wegschaffen will. Grund, so erklärte es Stadtgrün-Chef Heinz-Jürgen Kuhl, sei „Wildwuchs“ auf den Ablageflächen. Erlaubt sei dort laut Friedhofssatzung nur „vergänglicher Grabschmuck“, also Pflanzen. Stattdessen würden immer mehr Grablampen mit oder ohne Sockel, Windlichter, Grabschalen, Kieselsteine oder Figuren aufgestellt. Hinzu komme, dass viele Gegenstände von den Besucherinnen und Besuchern später nicht mehr abgeräumt würden, Folge seien zum Beispiel Laternen, die vor sich hin rosteten. Lange, so Kuhl zu WAZ, habe die Stadt das toleriert, nun sei das wegen der steigenden Zahl nicht mehr möglich. Die Stadt müsse die Friedhofssatzung umsetzen.

Herne: Stadt ließ Schilder aufstellen

Wildwuchs? Ein Blick auf die Ablagefläche vor den Kolumbarien auf dem Hauptfriedhof an der Wiescherstraße.
Wildwuchs? Ein Blick auf die Ablagefläche vor den Kolumbarien auf dem Hauptfriedhof an der Wiescherstraße. © FUNKE Foto Services | Sebastian Sternemann

Deshalb ließ die Stadt zum Beginn des Trauermonats November Schilder aufstellen – mit einer „Information zu den Ablageflächen der städtischen Kolumbarien“. Darauf hieß es: „Unzulässigerweise aufgestellte Materialien werden nach dem 31. Dezember ohne weitere Mitteilung durch das Friedhofspersonal sichergestellt und für die Dauer von 6 Monaten aufbewahrt.“ Anschließend werde der Grabschmuck von der Friedhofsverwaltung entsorgt. Mit dieser Ankündigung, so Stadtgrün-Chef Kuhl, gebe die Stadt den Angehörigen nun eine gewisse Zeit, um die Gegenstände abzuräumen.

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Die Trauernden wollen das aber nicht. Im Gegenteil: Die Ankündigung der Stadt sorgte für einen Sturm der Entrüstung unter Angehörigen. Spontan hatten sich rund 25 Trauernde vergangene Woche auf dem Hauptfriedhof an der Wiescherstraße mit der WAZ getroffen, und ihrem Ärger über die Stadt Luft gemacht. Tenor: Die Verwaltung soll an dem Ort der Trauer die zum Teil sehr persönlichen Gegenstände auch weiter tolerieren; nur Unansehnliches könne und dürfe gerne weg. Bei dem Treffen kam auch heraus: Über die Friedhofssatzung – sprich: die „unerwünschten Gegenstände“ – wurden viele Angehörige, bevor sie sich für ein Kolumbarium entschieden, nach ihren Aussagen gar nicht oder sogar falsch informiert.

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„Die Friedhofssatzung wird der Trauer der Menschen nicht gerecht“: SPD-Fraktionschef Udo Sobieski.
„Die Friedhofssatzung wird der Trauer der Menschen nicht gerecht“: SPD-Fraktionschef Udo Sobieski. © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

Die SPD unterstützt die Angehörigen in ihrer Forderung. „Die Friedhofssatzung“, sagt SPD-Fraktionschef Udo Sobieski, „wird der Trauer der Menschen nicht gerecht.“ Trauerbewältigung sei ein sehr individueller und emotionaler Prozess, deshalb müsse es Angehörigen auch ermöglicht werden, nicht nur Pflanzen auf den Ablageflächen zu deponieren. Ziel müsse es nun sein, die Friedhofssatzung entsprechend zu ändern: „Sie muss dem Schmerz der Menschen Rechnung tragen.“

Die Änderung müsse zügig kommen und so gestaltet sein, dass sie auch für die Stadt „handhabbar“ sei, fordert Sobieski. Die SPD-Fraktion wolle deshalb kurzfristig mit dem Koalitionspartner CDU sprechen, um eine gemeinsame Linie abzustimmen. Anschließend soll eine Initiative über den Rat gestartet werden, damit die geänderte Friedhofssatzung auf den Weg gebracht werden kann. Der SPD-Fraktionschef zeigt sich optimistisch, dass die Beteiligten schnell einen Kompromiss finden.