Herne. Eine kuriose Selbstverpflichtung für evangelische Kirchenleute sorgt für Diskussionsstoff. Ein Herner Pfarrer unterstützt das Schleich-Gebot.

Für evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer gilt jetzt Tempo 100 auf Autobahnen und Tempo 80 auf der Landstraße. Der Spott nach dem Beschluss eines freiwilligen Tempolimits im Rahmen der Synode der evangelischen Kirche Deutschlands ließ nicht lange auf sich warten. Hängt jetzt der Protestant hinter dem Lastwagen am Berg, während der katholische Kollege im Porsche auf der Überholspur vorbeizieht? Herner und Wanne-Eickeler Pfarrer sehen die neue Selbstverpflichtung durchaus gemischt.

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Pfarrer aus Horsthausen zitiert den „Highway to Klimahölle“

Pfarrer Niels Nieborg aus Zion Horsthausen hält den Ansatz für richtig: „Wir achten nicht genug auf unsere Erde“, sagt der Seelsorger. „Wir müssen tun, was wir tun können. Warum sollte man nicht tun, was wir jetzt tun können.“ Es sei ein richtiger Ansatz, Ressourcen zu sparen. Und wenn man sich frage, ob man selbst alles dafür tue, komme man vielleicht schnell zu dem Ergebnis, dass man nicht alles gebe. Nieborg zitiert den „Highway to Klimahölle.“

Niels Nieborg, Pfarrer aus Zion Horsthausen hält die Maßnahme für richtig.
Niels Nieborg, Pfarrer aus Zion Horsthausen hält die Maßnahme für richtig. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Nieborg nähert sich der Debatte mit einem christlichen Ansatz: „Es geht um Bauen und Bewahren. Es fehlt gerade ein bisschen das Bewahren dabei.“ Der Mensch müsse sich fragen, ob er auf die Bedürfnisse der Umwelt höre: „Wenn wir in einem besseren Gespräch mit unserer Erde wären, würden wir vielleicht anders handeln. Wir müssen in einem besseren Gespräch sein.“ Er selbst nutze zwar die Autobahn 42 für Dienstwege, gebe sich aber bereits große Mühe, nicht mit Vollgas zum Termin zu heizen.

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Dienstfahrten mit mehr als 100 auf der Autobahn: Wo geht das im Ruhrgebiet überhaupt?

Die evangelische Kirche hatte eifrig über die neue Selbstverpflichtung diskutiert. Ursprünglich stand die Forderung im Raum, sich politisch für ein bundesweites Tempolimit dieser Art einzusetzen. Daraus wurde dann die Selbstverpflichtung und die Forderung nach einem generellen Tempolimit von 120 auf Autobahnen. Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus hatte in einer Stellungnahme der Kirche davor gewarnt, dass die Kirche „zu sehr mit einem moralischen Ton“ auftrete.

Pfarrer Michael Thoma aus der evangelischen Kirchengemeinde Wanne-Eickel will sich nach der noch frischen Nachricht aus der Synode noch mit Bewertungen zurückhalten. Tempolimits halte er grundsätzlich für einen begrüßenswerten Ansatz. Ob jetzt 100 richtig sei, wolle er spontan nicht bewerten. In der Herner und Wanne-Eickeler Praxis sei die Frage für ihn aber ohnehin nicht von großer Relevanz. „Die Dienstfahrten über die Autobahn sind äußerst kurz.“ Und Tempo 100 müsse man dann erst einmal erreichen. Auch auf 80 komme man in der Stadt nicht.

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Pfarrer aus Baukau: Limit begrüßenswert, aber Tempo 100 privat kaum einzuhalten

Uwe Leising aus Baukau zeigt sich eher kritisch: „Ich bin ein bisschen gespalten“, sagt er. „Aus Umweltsicht halte ich das für eine sinnvolle Maßnahme.“ Allerdings müsse er zugeben, dass er selbst auch mal schneller als 100 fahre – auch wenn er nicht gleich rase. „Ob diese Umstellung so gelingt, ist fraglich.“

Auch Leising sieht in der Umsetzung bei Dienstfahrten kein großes Problem. „Wir haben nicht häufig Autobahnfahrten als Dienstfahrten.“ Er sei oft schon mit dem E-Bike in der Stadt unterwegs. Das gelte auch für viele Kolleginnen und Kollegen. „Innerhalb der Stadt sind Strecken damit in fast der gleichen Zeit zu bewältigen.“

Pfarrer Uwe Leising von der Matthäus-Gemeinde begrüßt Tempolimits, sieht aber bei Privatfahrten 100 als eher schwierig an.
Pfarrer Uwe Leising von der Matthäus-Gemeinde begrüßt Tempolimits, sieht aber bei Privatfahrten 100 als eher schwierig an. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Fraglich sei, ob man als Pfarrer (ohnehin eigentlich immer im Dienst) die dienstliche Selbstverpflichtung dann auch konsequent privat so leben könne. „Bei langen Autotouren ist das schwer vorstellbar.“ Er selbst sei mit dem Wohnmobil auch mal in den sonnigen Süden unterwegs. Bis nach Sizilien stetig langsamer zu fahren, verlängere die Reisezeit doch erheblich.

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Wer setzt die Selbstverpflichtung überhaupt so um?

Wird die Selbstverpflichtung dann überhaupt von den Pfarrerinnen und Pfarrern umgesetzt? Wer ist frei von Tempo-Sünden? „Ich möchte keine Prognose abgegeben“, sagt Uwe Leising: „Ich glaube aber, dass es von vielen umgesetzt wird.“