Herne. Die Inflation führt schon jetzt zu einem geänderten Kaufverhalten der Kunden. Auch Händler in Herne bemerken Umsatzeinbrüche in vielen Sparten.

  • Hohe Kosten für Gas und Lebensmittel schmälern die Konsumlaune der Hernerinnen und Herner
  • Einzelhändler spüren Umsatzeinbrüche
  • Restaurant-Besuche werden zur Besonderheit
  • Urlaubsreisen werden aber weiter gebucht - wenn auch preisbewusst

Steigende Preise in allen Lebensbereichen wirken sich bereits auf die Kauflaune der Hernerinnen und Herner aus. Sie kaufen weniger und bewusster ein, wie Einzelhändler in Herne auf WAZ-Anfrage berichten. Nur eines möchten sie sich nach zwei Jahren Pandemie scheinbar nicht nehmen lassen: den Urlaub.

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„Wenn die Kunden früher eher das Schnitzel gekauft haben, ist es jetzt Gehacktes“, fasst Olaf Kenkmann, Vorsitzender des Herner Einzelhandelsverbandes die Situation zusammen. „Es wird auf jeden Fall preisbewusster gekauft“, sagt er. Die Kunden seien sparsamer geworden. Allerdings sei dies kein lokal auftretendes Problem, das nur Herne betreffe. „Die Leute sind vorsichtiger. Keiner weiß, wie die Strom- oder Heizkostenabrechnung aussehen wird.“ Und deshalb werde auch im Supermarkt stark verglichen und eher zur Hausmarke als zum Markenprodukt gegriffen.

Der Wettbewerb auf dem Markt sei sehr groß. „Der Kunde stimmt auch über den Geldbeutel ab, wo er hingeht“, so Kenkmann. „Wir merken auch die Unzufriedenheit des Kunden und sind für sie die Schuldigen der Situation.“ Er könne den Unmut sogar verstehen. „Das ist eine schwierige Situation für den Einzelhandel und die Kunden“, sagt der Verbandschef. So müsse er Produkte günstiger anbieten, als er bei den Einkaufspreisen eigentlich sollte.

Herner Bio-Laden: „Kunden kaufen bewusster“

Nicht nur die Supermärkte bekommen die Zurückhaltung der Kunden zu spüren, auch der Bio-Laden „Kornmühle“ in der Herner Innenstadt beobachtet diesen Trend. „Die letzten Wochen, in denen die Preise gestiegen sind, haben wir gemerkt, dass die Leute bewusster kaufen“, sagt Ingeborg Köhne, Geschäftsführerin der Kornmühle. Sie könne nicht sagen, welche Produkte weniger gekauft werden. „Es ist insgesamt etwas ruhiger und die Umsätze sind rückläufig.“

„Die Umsätze werden 20 bis 25 Prozent unter den Vorjahreszahlen liegen“, sagt der Herner Landwirt Maximilian Große-Lahr. Allerdings hätten die Menschen sich in den vergangenen beiden Corona-Jahren auch häufiger etwas gönnen wollen und mehr für gute Lebensmittel ausgegeben. „Insgesamt profitieren wir davon, dass wir relativ treue Kunden haben, die regional genießen wollen, wohl wissend, dass sie es nicht zum Discounterpreis bekommen“, so Große-Lahr. In seinem Bio-Bauernladen stelle er aber auch fest, dass die Kunden eher zu den Freiland- als den Bio-Eiern griffen. „Die Leute sind empfänglicher für Angebote“, beobachtet er. „Sie kaufen eher die normalen Roma-Strauchtomaten als den teureren Sonnenmix von bunten Tomaten.“

Restaurant-Besuch wird etwas Besonderes

Bewusst essen, diesen Trend sieht auch Markus Galland, Dehoga-Sprecher und Inhaber von Haus Galland. Die Preissteigerungen bei Lebensmitteln seien teilweise völlig utopisch. „Der Preis für frischen Lachs hat sich innerhalb von drei Wochen verdoppelt“, sagt er. „Wir werden diese Preise weitergeben, aber können es gar nicht so weitergeben, wie wir müssten.“ Die Leute wollten nach den Corona-Jahren raus, etwas erleben. „Das einfache Essen gehen wird sicherlich etwas weniger werden“, vermutet er mit Blick auf die Preissteigerungen. „Essen gehen wird wieder etwas Besonderes, und zu besonderen Aktionen wie dem Spargelbuffet am vergangenen Wochenende werden die Leute weiter kommen.“

Elisabeth Röttsches, Inhaberin eines Buchhandels in Herne, beobachtet, dass im Handel die Umsätze in allen Branchen zurückgehen.
Elisabeth Röttsches, Inhaberin eines Buchhandels in Herne, beobachtet, dass im Handel die Umsätze in allen Branchen zurückgehen. © Julia Tillmann / FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

Dass die Hernerinnen und Herner unbedingt raus möchten, bemerkt auch Oliver Adamski, Geschäftsführer des TUI Reisebüros in Herne-Mitte. Nachdem sie in der Coronaphase 80 Prozent Rückgänge bei den Buchungen gehabt hätten, laufe das aktuelle Geschäft weiter gut. „Die Lust am Reisen nach zwei Jahren Pandemie scheint größer zu sein, als der Wunsch zu sparen“, sagt er. Zwar habe es zum Jahresbeginn auch von Seiten der Reiseveranstalter deutliche Preissteigerungen gegeben, diese Entwicklung entspanne sich aber nun wieder. „Die Kunden wollen schon preisbewusster Urlaub machen“, sagt Adamski. Es werde nach Reisen nach Kroatien oder innerhalb Deutschlands gefragt in der Annahme, dass sie günstiger seien. Aber Stornierungen habe es bisher noch keine gegeben.

Herne: Umsätze im Handel sinken

„Die Umsätze im Handel gehen zurück“, sagt Buchhändlerin Elisabeth Röttsches. Das höre sie von vielen Kollegen aus allen Branchen. „Die Kunden sind definitiv verhaltener.“ Es herrsche eine große Sorge, aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Situation. Die Vorsicht der Kunden sei deshalb auch verständlich. „Die Konsumlaune ist im Moment nicht sehr ausgeprägt“, fasst Röttsches zusammen.

Wie der Vorsitzende des Einzelhandelsverbandes hofft sie auf bessere Zeiten. Ob die Preise weiter steigen werden? Das sei ein Blick in die Glaskugel sagt Olaf Kenkmann. „Im Prinzip können wir nur abwarten und hoffen, dass sie nicht noch weiter steigen“, sagt er. „Ständig die Preise zu erhöhen macht auch uns keinen Spaß.“ Er zeigt sich aber optimistisch, dass die Preise, wenn die Krise vorüber ist, auch wieder sinken würden; dafür sei der Wettbewerb in Deutschland zu groß.