Herne. Die Corona-Lage in Herne entspannt sich weiter. In der Politik ist jedoch ein alter Streit über die Impfstrategie neu aufgeflammt. Worum es geht.

Noch in dieser Woche könnte die Stadt Herne den Punkt erreichen, an dem 60 Prozent aller Hernerinnen und Herner eine Erstimpfung erhalten haben. Und auch sonst hat sich die Corona-Lage in Herne weiter entspannt, berichtete die Stadt am Mittwoch im Sozialausschuss. Trotzdem flammte erneut ein Streit um Impfaktionen in Brennpunkten auf.

Rund 3000 Menschen konnten bei den vom Land initiierten und von der Stadt sowie dem DRK organisierten Sonderaktionen mit dem Vakzin von Johnson & Johnson geimpft werden. Die Impfbusse rollten im Feldherrenviertel, an der Emscherstraße, am Shamrock-Park, auf dem Wananas-Parkplatz sowie am Volkshaus Röhlinghausen an.

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Herner Grüne: Zielgruppe nicht erreicht

„Ich finde es wunderbar, dass dadurch 3000 Menschen zusätzlich geimpft werden konnten“, betonte die Grünen-Stadtverordnete Dorothea Schulte im Ausschuss. Es ärgere sie aber, dass die Stadt auch im Sozialausschuss erneut den Eindruck erwecke, dass bei den Sonderimpfungen alle Menschen erreicht worden seien, die man habe erreichen wolle. Das sei aber nicht bei allen Aktionen der Fall gewesen, was bei der künftigen Impfstrategie berücksichtigt werden müsse.

Die Grünen-Stadtverordnete Dorothea Schulte hat als Ärztin im Impfzentrum gearbeitet.
Die Grünen-Stadtverordnete Dorothea Schulte hat als Ärztin im Impfzentrum gearbeitet. © Hartmut Bühler

Schulte, die als Ärztin zeitweise selbst im Impfzentrum gearbeitet hat, berief sich auf Aussagen einer medizinischen Fachangestellten. Deren Beobachtung beim Eintragen der Adressen und Ausgeben der Impfpässe an der Emscherstraße: Die Zahl der Bewohner des Hochhausblocks, die dort geimpft wurden, könne man „an einer Hand abzählen“, so die Grünen-Ratsfrau. Auch bei anderen Aktionen berichteten Augenzeugen von zahlreichen „Impftouristen“. Hintergrund: Impfberechtigt waren nicht nur die Bewohner der von der Stadt ausgewählten Viertel, sondern alle Herner.

SPD fährt schweres Geschütz auf

Die Stadt, SPD, CDU und zum Teil auch die FDP wollten die Ausführungen Schultes nicht so stehen lassen. Die „Wahrnehmung“ der bei den Sonderimpfungen eingesetzten Mitarbeiter sei eine völlig andere gewesen, sagte Gesundheitsdezernent Johannes Chudziak. Und: Der Stadt sei bewusst, dass bei den vier Einsätzen die Zielgruppen nicht komplett abgedeckt worden seien. „Wir wissen, dass wir noch viele Felder zu beackern haben.“ Und: Wie durchschlagend die in mehreren Sprachen gestartete Impfkampagne sei, werde sich zeigen. Ziel müsse es in Herne sein, „eine möglichst hohe Durchimpfrate“ von 70 bis 80 Prozent zu erhalten, um eine vierte Welle zu verhindern. Daran werde konzentriert gearbeitet.

Gleich mehrere SPD-Stadtverordnete ging die Grünen-Ratsfrau auf breiter Front an. Andreas Nowak warf Schulte „Unkenntnis“ vor. Roberto Gentilini ging es „auf die Nerven“, dass unwahre Behauptungen aufgestellt würden. Außerdem verwies er darauf, dass Herne im NRW-Impfranking weit vorne liege. Und Hendrik Bollmann sprach von einer „müßigen Debatte“ und vermisste konkrete Verbesserungsvorschläge. Die Stadt nutze schon jetzt Netzwerke und schöpfe alle Möglichkeiten aus, um die Zielgruppen zu erreichen. Dieser Ansicht war auch Bettina Szelag (CDU), die wie die SPD und die FDP die Verwaltung ausdrücklich lobte.

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Erstimpfungen sind wieder angelaufen

Ein Antrag der Grünen zur Einrichtung dezentraler Impfzentren und zur Entwicklung gezielter „Kleinkampagnen“ zur Ansprache und Aufklärung von bisher kaum erreichten Gruppen wurde mit breiter Mehrheit abgelehnt. Auch die Stadt signalisierte Ablehnung zu diesem Vorschlag, obwohl sie vor Wochen gegenüber der WAZ selbst die Durchführung „aufsuchender Impfungen“ durch kleine mobile Teams in Erwägung gezogen hatte.

Zurück zur aktuellen Corona-Lage: Das Herner Gesundheitsamt berichtete, dass derzeit nur sechs mit Covid-19 infizierte Menschen stationär in Krankenhäusern behandelt würden, davon vier auf der Intensivstation. Auch in Schulen und Kitas gebe es aktuell nur Einzelfälle, so Katrin Lindhorst, Leiterin des Gesundheitsamtes. Die Stadt hoffe, dass die Einrichtungen bis zum Beginn der Sommerferien von der Delta-Variante des Virus verschont blieben.

Im Impfzentrum sind derweil am Mittwoch die Erstimpfungen wieder aufgenommen worden.