Herne. In der Politik in Herne ist ein alter Streit über die Impfstrategie neu aufgeflammt. Dazu ein Kommentar von WAZ-Redakteur Lars-Oliver Christoph.
Es klingt seltsam: Die Corona-Zahlen gehen immer weiter zurück, doch in der Politik geht es heftiger zur Sache denn je. „Schuld“ daran sind die Grünen, die etwas Unverzeihliches getan haben: Sie nehmen ihre Rolle als Ratsfraktion und Opposition ernst, indem sie seit Monaten eigene Vorschläge zur Eindämmung der Pandemie einbringen.
Auch interessant
Natürlich kann man über die Vehemenz und die Art des Vortrags streiten, aber beim Thema Sonderimpfungen haben die Grünen einen Punkt gemacht. Natürlich ist es ein Segen, dass auch und gerade vor dem Hintergrund der Impfstoff-Knappheit im Juni 3000 Herner zusätzlich geimpft werden konnten. Und ja: Verwaltung, DRK und alle an der Impfung Beteiligten machen einen sehr guten Job. Es gibt jedoch begründete Zweifel, dass bei den Sonderimpfungen die Zielgruppe – Menschen in beengten Wohnverhältnissen und mit Sprachdefiziten – in jenem Maße erreicht worden ist, wie die Stadt es vorgibt. Eine Auswertung existiert bekanntlich nicht.
Auch interessant
Und nein, es handelt sich hier nicht um eine philosophische Debatte. Ein realistischer Blick auf die Situation und die daraus zu ziehenden Schlüsse könnten dazu beitragen, eine vierte Welle in Herne zu verhindern. Klammert man mal die überwiegend persönlich motivierte Antipathie von SPD und Oberbürgermeister Frank Dudda gegen die frühere Grünen-Fraktionsvorsitzende Dorothea Schulte aus, stellt man zudem fest: Trotz der Lautstärke der Auseinandersetzung liegen alle Seiten inhaltlich gar nicht so weit voneinander entfernt.