Herne. Die SPD hat einen Wahlparteitag ohne Wahlgang durchgeführt. Dafür gab’s: Rückblicke, (Selbst-)Lob, neue Pläne und einen begeisterten Parteipromi.
Um 9.42 Uhr ergreift Alexander Vogt am Samstag im Veranstaltungszentrum des Revierparks das Wort. „Guten Morgen, liebe Genossinnen und Genossen, zu unserem Digitalparteitag“,sagt der SPD-Vorsitzende. Klingt nach Business as usual, ist aber nicht weniger als der wohl ungewöhnlichste Parteitag in der Historie der Herner Sozialdemokratie.
Ergebnis steht erst am Freitag fest
Die anstehende Wahl des neuen Unterbezirksvorstands erstreckt sich nämlich pandemiebedingt über mindestens sechs Tage und erfolgt in vier Schritten. Nach der Vorstellung aller Kandidaten für die neue Parteispitze und dem Abarbeiten an unvermeidlichen Regularien am Samstag treten die insgesamt 160 Delegierten über den gesamten Montag und Dienstag im Parteibüro an der Bochumer Straße an die Urne. Am Mittwochabend verkündet der Vorstand erste Ergebnisse. Am Donnerstag und Freitag folgt dann der aufgrund der Frauenquote wohl unausweichliche zweite Wahlgang für die Beisitzerposten.
Ergebnisse gibt es folglich am Samstag nicht, aber dafür jede Menge (Selbst-)Lob, Seitenhiebe auf politische Gegner und Partner, die Ankündigung von Reformplänen, ein prominentes Geburtstagskind und einen noch prominenteren Gast.
„Stündlich neue Ideen“ von Hendrik Bollmann
Der heißt Lars Klingbeil, ist ebenfalls über Zoom zugeschaltet und entpuppt sich als Riesenfan der Herner SPD. „Ihr seid eine Institution“, sagt der Bundesgeneralsekretär, der 2018 beim Familienfest am Schloss zu Gast war. So wie die Herner SPD wünsche er sich die Sozialdemokratie. Wenn alle Unterbezirke so wären, bräuchte sich die Partei keine Gedanken über den Ausgang der Bundestagswahl machen.
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Die Arbeitsbilanz von Parteichef Vogt fällt dann auch (fast) durchweg positiv aus. „Es hat sich gelohnt“, sagt der Landtagsabgeordnete über die Anstrengungen der vergangenen drei Jahre. Nach dem schlechten Europawahlergebnis von 27 Prozent im Mai 2020 sei die Herner SPD in die Offensive gegangen. Die Partei sei noch stärker auf die Menschen zugegangen, habe Formate weiterentwickelt und ein Thema wie Sicherheit besetzt, das „nicht der CDU oder gar der AfD gehört“.
Das habe sich gelohnt, so der 42-Jährige mit Blick auf das starke und NRW-weit beste SPD-Ergebnis bei der Kommunalwahl. Ein besonders Lob zollt er seinem Stellvertreter Hendrik Bollmann: „Du hast uns manchmal stündlich mit neuen Ideen getrieben.“ Nur zwischen den Zeilen, aber recht unmissverständlich deutet Vogt an, worum es der SPD bei der Auswahl des künftigen Ratspartners vor allem ging: „Wir haben uns für die geschrumpfte CDU entschieden.“
Partei will über Doppelspitzen nachdenken und mehr Migranten einbinden
Der neue Vorstand - Vogt tritt wie seine Stellvertreter Hendrik Bollmann und Michelle Müntefering sowie Schatzmeister Olaf Semelka erneut an - will nun nicht nur die Wahlen in Bund (26. September) und Land (15. Mai 2022) in den Blick nehmen. „Wir wollen die Partei auch weiterentwickeln“, so der Vorsitzende. Eine Diskussion über Doppelspitzen - bisher gibt es die nur im Ortsverein Horsthausen - solle geführt werden. Hendrik Bollmann kündigt an, Menschen mit Migrationshintergrund stärker einbinden zu wollen. Und die Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering betont den Anspruch, dass die SPD Volkspartei bleiben wolle: „Wir sind Kleingarten und Literaturhaus, Umwelt und Wirtschaft“, sagt sie.
Auch die große Politik spielt an diesem Tag eine Rolle. „Armin Laschet hat keine Führungsqualitäten“, sagt Lars Klingbeil. Es sei empörend, dass der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat nicht mal versucht habe, die Bundestagsnominierung von Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen durch die CDU in Thüringen zu verhindern. Wirtschaftskompetenz bedeute in der CDU, in die eigene Tasche zu wirtschaften. „Eine solche Union gehört auf die Oppositionsbank.“ Die Grünen machten es „derzeit gut“, aber es reiche nicht, um ein großes Land wie Deutschland zu führen. Es gebe bei den Grünen eklatante Widersprüche zwischen den Aussagen im Bund und dem Handeln in Landesregierungen, so Klingbeil.
>>> Splitter vom Parteitag
– Der ebenfalls zugeschaltete OB Frank Dudda feierte am Samstag seinen 58. Geburtstag: „Was kann es Schöneres geben als einen Parteitag am Geburtstag“, sagte er. Ehrliche Freude offenbarte er über die stark sinkenden Infektionszahlen in Herne. Für den Fall, dass die Inzidenz stabil bleibe, habe er schon für den kommenden Freitag die erste Einladung zu einer Biergarteneröffnung, verriet er.
– Manuela Lukas, Martin Kortmann und Tobias Roth führten im Freizeithaus nicht nur durch den Parteitag, sondern erhielten auch Blumen. Alle drei schieden nämlich als Beisitzer aus dem Vorstand aus. Die Stadtverordnete Manuela Lukas (65) gehörte dem Gremium sogar 21 Jahre an.
– Lars Klingbeil lobte nicht nur die Herner SPD in den höchsten Tönen, sondern auch die Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering („sie ist in Berlin eine Säule der Partei“). Nicht ganz so glücklich war er dagegen über die Tatsache, dass er 2018 beim Familienfest in Strünkede gegen sie im Tischtennis verloren habe.
– Auch Serdar Yüksel hielt ein Grußwort. Der unter anderem für Eickel zuständige Bochumer SPD-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Arbeiterwohlfahrt-Bezirks Ruhr-Mitte kündigte an, dass der Awo-Kindergarten an der Castroper Straße im Sommer eröffnet werde. Mit einer Grundstücksfläche von mehr als 4000 Quadratmetern sowie über 100 Kindern werde dies die wohl größte Kita in der Awo-Geschichte, sagte er.