Herne. Radfahrer fühlen sich in Herne nicht sicher. Das ist das Ergebnis des ADFC-Fahrradklima-Tests 2020. Wo es in Herne Nachholbedarf gibt.

Während in der Corona-Krise immer mehr Hernerinnen und Herner aufs Fahrrad steigen, sinkt die Zufriedenheit mit dem Radklima in der Stadt. Das ist das Ergebnis des bundesweiten ADFC-Fahrradklima-Tests 2020. Unter den 41 Großstädten mit 100.000 bis 200.000 Einwohnern landete Herne auf Platz 30 und rutschte damit, im Vergleich zur Umfrage aus dem Jahr 2018, fünf Plätze nach unten. Im NRW-weiten Vergleich liegt Herne auf Rang 10 von 15.

Und auch in der Gesamtnote schneidet Herne erneut schlechter ab: Die 223 Herner Radfahrer, die vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) für den Test befragt wurden, gaben der Stadt in Sachen Fahrradfreundlichkeit die Schulnote 4,3.

„Die Mehrzahl der Befragten sagt, Radfahren bedeute in der Stadt Stress und dass in jüngster Zeit zu wenig für den Radverkehr getan wurde“, bilanziert der Herner ADFC-Vorsitzende Michael Thomasen. Vor zwei Jahren gaben die Herner Radfahrer ihrer Stadt nur eine geringfügig bessere Note: eine 4,2. Im Jahr 2016 gab es dagegen noch eine „3 Minus“ (3,7). Die Gesamtnote aller 41 Städte mit ungefähr gleicher Einwohnerzahl: „ausreichend“ (4,1).

Viele Herner fühlen sich beim Radfahren nicht sicher, sagt der Herner ADFC-Vorsitzende Michael Thomasen.
Viele Herner fühlen sich beim Radfahren nicht sicher, sagt der Herner ADFC-Vorsitzende Michael Thomasen. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Radfahrer fühlen sich in Herne nicht sicher

Der ADFC Herne fordert nun den beschleunigten Ausbau des Radwegenetzes mit Mitteln des Bundes. „Die Corona-Zeit hat viele Menschen neu auf das Rad gelockt – und wir wollen, dass sich auch die Neuaufsteiger auf dem Rad wohl und sicher fühlen“, sagt Michael Thomasen. Leider sei das in Herne nicht immer der Fall.

Auch interessant

So bewerteten die Herner Radfahrer das Sicherheitsgefühl in ihrer Stadt im Jahr 2020 mit der Note 4,5 – und damit um 0,2 Notenpunkte schlechter als die Bürger anderer Städte mit 100.000 bis 200.000 Einwohnern. Rund ein Viertel fühlt sich nach eigenen Angaben in Herne als Radfahrer im Straßenverkehr sogar „gefährdet“. 24 Prozent der Befragten vergaben in der Kategorie „Sicherheitsgefühl“ die Note 6.

Herner kritisieren laschen Umgang mit Falschparkern

Besonders unzufrieden sind die Herner außerdem mit der Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen, der Ampelschaltung für Radfahrer und der Führung an Baustellen, wo sie häufig „zum Absteigen und Schieben gezwungen“ würden. In allen drei Kategorien vergaben sie eine 5,2 – „mangelhaft“. Rund die Hälfte der Befragten ist der Meinung, dass es großzügig geduldet werde, wenn Autofahrer auf Radwegen parken und vergab in dieser Kategorie die Note „ungenügend“.

Auch interessant

Auch für die Breite der Radwege gab es eine 5. Im Städtevergleich schneidet Herne außerdem bei der Reinigung der Radwege und dem Winterdienst auf Radwegen deutlich schlechter ab. Beide Kategorien bewerteten die Menschen aus den übrigen 40 Städten im Schnitt um 0,7 Notenpunkte besser. Vom 1. September bis zum 30. November 2020 konnten Bürger an der Online-Umfrage teilnehmen. Sie endete demnach vor dem Wintereinbruch Anfang Februar und der folgenden starken Kritik am Winterdienst.

„Das Argument, man habe kein Geld, zieht jetzt nicht mehr“

Laut dem Herner ADFC-Vorsitzenden ließe sich die Situation in Herne schon mit kleineren Maßnahmen deutlich verbessern – zum Beispiel „durch konsequente Ahndung von Falschparkern auf Radwegen, mehr Fahrradstraßen, mehr Tempo 30 und fahrradfreundliche Lösungen an Baustellen“, schlägt Michael Thomasen vor. „Damit Herne wirklich einladend zum Radfahren wird, brauchen wir ein durchgängiges Netz an guten Radwegen. Der Bund hat mit dem Sonderprogramm Stadt und Land dafür ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt.“

Thomas Semmelmann, NRW-Landesvorsitzender des ADFC.
Thomas Semmelmann, NRW-Landesvorsitzender des ADFC. © FUNKE Foto Services | Ralph Bodemer

So stellt das Bundesverkehrsministerium bis 2023 1,46 Milliarden Euro für den Radverkehr zur Verfügung, davon rund 660 Millionen Euro über das Sonderprogramm Stadt und Land. „Die Kommunen bei uns in NRW haben jetzt die große Chance, ihre Städte klimafreundlich, menschenfreundlich und zukunftsgerecht zu gestalten. Das Argument, man habe kein Geld für sichere und komfortable Radwege, zieht jetzt nicht mehr“, sagt ADFC-Landesvorsitzender Thomas Semmelmann. Ab sofort könnten die Kommunen Anträge stellen, um zum Beispiel Radwegenetze in hoher Qualität oder Fahrradparkhäuser zu errichten.

Erreichbarkeit des Stadtzentrums: Herner Radfahrer sind zufrieden

Die besten Noten gab es beim Fahrradklima-Test in Herne im Übrigen für die Erreichbarkeit des Stadtzentrums mit dem Rad (Note 3,0) sowie für geöffnete Einbahnstraßen in Gegenrichtung (Note 3,2). Im Städtevergleich zeigt sich außerdem: In Herne ist die Wegweisung für Radfahrer etwas besser als in anderen Städten. Auch der Fahrraddiebstahl ist laut dem Fahrradklima-Test in Herne weniger problematisch. Für die Verfügbarkeit von Leihfahrrädern vergaben Herner die Note 3,3 – 0,9 Notenpunkte besser als der Durchschnitt der Ortsgrößenklasse.

Corona und Radfahren: Keine Signale für mehr Fahrradfreundlichkeit

Der Allgemeine Deutschen Fahrradclub hat bei seiner Befragung im Jahr 2020 auch die Corona-Pandemie berücksichtigt. Fünf Zusatzfragen zum Thema „Corona und Radfahren“ fanden in der Umfrage Platz. Das Ergebnis: Das Radfahren erfreut sich in der Pandemie größerer Beliebtheit – „vor allem zu Beginn, als der ÖPNV weniger genutzt wurde“, wie Rebecca Peters, stellvertretende ADFC-Bundesvorsitzende, sagt.

Auch 41 Prozent der Herner sagen, dass in der Corona-Zeit die Bedeutung des Fahrrads gestiegen sei. Sie vergaben in dieser Kategorie die Schulnoten 1 oder 2 (Gesamtnote: 3,0). 57 Prozent aller Befragten sind allerdings auch der Meinung, dass es während der Corona-Zeit keine Signale für mehr Fahrradfreundlichkeit gegeben habe – sie vergaben in dieser Kategorie die Note 6 (Gesamtnote: 5,2).