Herne. Eine Pflegekraft im ambulanten Dienst versorgt rund 20 Menschen am Tag. Weder Patienten noch Mitarbeiter sind in Herne bereits geimpft worden.
Einige benötigen nur Medikamente oder neue Strümpfe, andere müssen auch gewaschen und gefüttert werden: Etwa 15 bis 20 kranke und pflegebedürftige Menschen versorgt ein Mitarbeiter in der ambulanten Pflege pro Tag. Dass die Gefahr, sich mit dem Corona-Virus anzustecken, bei so vielen Kontakten groß ist, liegt auf der Hand. Die ambulanten Pflegekräfte in Herne müssen sich daher alle drei Tage auf das Coronavirus testen lassen. Eine Corona-Impfung haben sie noch nicht erhalten.
„Besonders zu Beginn der Pandemie war die Sorge bei vielen Menschen groß“, sagt Mandy Hinterwälder vom häuslichen Pflegedienst Anna in Herne. Im Frühjahr vergangenen Jahres hätten auf einen Schlag 15 Patienten den Pflegedienst abgesagt. „Das ist für einen kleinen Betrieb wie unseren schon eine ganze Menge“, gibt die stellvertretende Pflegedienstleitung zu. Gemeinsam mit ihrem Team versorge sie täglich etwa 80 bis 100 Menschen – einige auch mehrmals am Tag.
Herner Pflegedienste führen die Schnelltests selbst durch
Noch keine Impfung für Menschen in häuslicher Pflege
Impfberechtigte Menschen, die zuhause gepflegt werden und nicht zu einem Impfzentrum kommen können, bekommen die Corona-Impfung erst zu einem späteren Zeitpunkt.„Es wird noch auf die Zulassung eines Impfstoffs gewartet, der leichter in der Handhabung und deshalb auch leichter zu verimpfen ist“, heißt es von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe. Die Menschen sollen dann direkt zuhause ihre Impfung erhalten.
„Mittlerweile nehmen aber fast alle Patienten den Pflegedienst wieder in Anspruch“, sagt Hinterwälder. Das liege auch daran, dass das Personal regelmäßig getestet wird. Die Mitarbeiter führen die Schnelltests selbst durch – sowohl bei ihren Kollegen als auch bei den Patienten zuhause. In einer Online-Schulung haben sie gelernt, wie man den Abstrich korrekt entnimmt. Damit die Pflegekräfte ihren allerersten Abstrich nicht bei einem ihrer Patienten entnehmen mussten, hat Mandy Hinterwälder sich als Versuchskaninchen zur Verfügung gestellt: „Die Mitarbeiter konnten erst einmal an mir üben.“
Der häusliche Pflegedienst Anna ist bisher gut durch die Krise gekommen: Keinen positiven Fall, weder bei den Mitarbeitern noch bei den Menschen, die zuhause gepflegt werden, habe es laut eigenen Angaben bisher gegeben. Sollte ein Patient positiv getestet werden, würden ihn die Pflegekräfte aber weiterhin versorgen – allerdings immer erst am Ende einer Tour, damit das Virus nicht weiter verbreitet wird. Zusätzlich zur Standardausrüstung bestehend aus Handschuhen und einer FFP2-Maske würden die Pfleger dann außerdem einen Kittel, eine Schutzbrille und ein zweites Paar Handschuhe tragen.
Ambulante Pflege: Schnelltests zeigen falsche Ergebnisse an
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Der ambulante Pflegedienst der Diakonie in Herne betreut etwa 1800 Patienten. „Ein Mitarbeiter in der Frühschicht versorgt etwa 15 bis 20 pflegebedürftige Menschen“, sagt Geschäftsführer Jörg Kasbrink. In der Spätschicht seien es sogar bis zu 40 Patienten, weil am Abend meist weniger zeitintensive Tätigkeiten wie die Vergabe von Medikamenten anfielen. Das seien bis zu 40 potenzielle Möglichkeiten, das Corona-Virus zu verbreiten, so Kasbrink. „Diese Gefahr darf man nicht unterschätzen.“
Auch die ambulanten Pflegekräfte des Diakonischen Werkes werden alle drei Tage getestet. Versorgen sie infizierten Patienten, wird jeden Tag ein Abstrich entnommen. „Wir testen hier wie die Wilden“, sagt der Herner Geschäftsführer. Schließlich seien seine Mitarbeiter Tag für Tag „an der Front“. Die eingesetzten Schnelltests zeigten jedoch in einigen Fällen positive Ergebnisse an, obwohl – wie der genauere, aber aufwendigere PCR-Test später zeigte – die Betroffenen überhaupt nicht infiziert waren. „Das legt den gesamten Betrieb lahm“, sagt Kasbrink und ergänzt: „Aber lieber ein falsches positives als ein falsches negatives Ergebnis.“
Diakonie Herne: Geschäftsführer begrüßt Impfpflicht für Pflegekräfte
In Kürze sollen die Mitarbeiter ambulanter Pflegedienste ihre erste Corona-Impfung erhalten. Der häusliche Pflegedienst Anna hat bereits Post von der Stadt erhalten. Die Mitarbeiter warten aber noch auf einen Termin für die Impfung im Impfzentrum. Einige Pflegekräfte seien angesichts möglicher Langzeitfolgen jedoch skeptisch, sagt die stellvertretende Pflegedienstleitung Mandy Hinterwälder. „Es gibt aber mehr Mitarbeiter, die sich impfen lassen wollen, als Mitarbeiter, die sich nicht impfen lassen wollen.“
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Von den insgesamt 250 angestellten ambulanten Pflegekräften der Diakonie in Herne wollen sich etwa 150 impfen lassen. Einen Termin haben aber auch sie noch nicht. „Der Impfstoff ist knapp“, begründet Geschäftsführer Jörg Kasbrink die langen Wartezeiten. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten Mitarbeiter häuslicher Pflegedienste gemeinsam mit dem Personal in Altenheimen ganz oben auf der Priorisierungsliste gestanden – und die erste Spritze längst erhalten.
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Auch eine Impfpflicht, wie der bayrische Ministerpräsident Markus Söder sie für Pflegekräfte vorgeschlagen hatte, hält Jörg Kasbrink grundsätzlich für nicht verkehrt – nicht nur, weil Pfleger „hervorragende Multiplikatoren“ des Virus seien, sondern vor allem, um die pflegerischen Kapazitäten aufrecht erhalten zu können. So könnten Angestellte die Touren von ihren an Corona erkrankten Kollegen nur bis zu einem gewissen Punkt übernehmen, sagt Kasbrink. „Patienten, die Medikamente brauchen oder Wunden haben, die versorgt werden müssen, kann man nicht einfach sagen: Wir schaffen es heute nicht, wir kommen erst morgen.“
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