Bochum. Nur etwa jede zweite Pflegekraft will sich gegen das Coronavirus impfen lassen. Ein Bochumer Hochschul-Professor weiß, woher die Skepsis kommt.

  • Nur etwa jede zweite Pflegekraft möchte sich gegen das Coronavirus impfen lassen. Der Bochumer Professor Markus Zimmermann sagt deshalb: Es braucht mehr Aufklärung.
  • In Gesprächen mit angehenden Pflegern sei immer wieder von angeblichen genetischen Veränderungen die Rede, beobachtet der Bochumer Zimmermann. Besonders die Gesundheitsämter seien hier in der Pflicht zu informieren.
  • Eine Impfpflicht für Medizin-Beschäftigte lehnt Zimmermann dagegen ab: "Das sollte jeder selbst entscheiden."

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Diese Quote erstaunt und besorgt viele, vor allem ältere Menschen: Kaum mehr als jede zweite Pflegekraft in Seniorenheimen und Kliniken will sich gegen das Coronavirus impfen lassen. Mehr Aufklärung tut not, sagt Markus Zimmermann, Professor für Pflegerische Versorgungsforschung an der Hochschule für Gesundheit (HSG) in Bochum.

Seit zehn Tagen läuft die Impfkampagne, mit der sich die große, womöglich einzige Hoffnung verknüpft, die Pandemie zu überwinden und alsbald in die Normalität zurückzukehren. Bis Dienstag (5.) wurden in Bochum 1356 Bewohner und Mitarbeiter von Seniorenheimen geimpft. Bis Ende Januar, so das Ziel der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), sollen sämtliche 3500 Bewohner sowie 4000 Beschäftigten der 33 Einrichtungen eine Impfung erhalten haben. Dann folgen die weiteren über 80-Jährigen.

Impfung: Skepsis und Ablehnung bei Pflegekräften

Eine 100-Prozent-Quote in den Altenheimen erscheint jedoch illusorisch. Zwar wollen sich nahezu alle Senioren impfen lassen. Bei den Pflegerinnen und Pflegern macht KVWL-Bezirksleiter Dr. Eckhard Kampe trotz aller Appelle der Heimträger aber nur einen Anteil von 50 bis 70 Prozent aus.

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Woher rührt die Ablehnung? "Allgemein ist die Skepsis gegenüber Impfungen in Deutschland besonders groß", sagt Prof. Zimmermann (56). Ansichten wie "Man muss es durchleben" oder "Es könnte ja etwas passieren" seien weit verbreitet, etwa bei den Grippe-Schutzimpfungen. Das betreffe auch medizinisches Fachpersonal - gerade in diesen Tagen, in denen ein Serum angewendet wird, das zwar trotz Entwicklung in Rekordzeit ordentlich zugelassen wurde, dessen Langzeitfolgen aber naturgemäß noch nicht untersucht werden konnten.

Pfleger haben Sorge, die Corona-Impfung könne ins Erbgut eingreifen

In Gesprächen mit den angehenden Pflegerinnen und Pflegern sei immer wieder von angeblichen genetischen Veränderungen und Eingriffen in die DNA die Rede, beobachtet Zimmermann. In der Tat sind die derzeitigen Corona-Impfstoffe genbasiert. "Es gibt nach heutigem Wissensstand aber keine Anzeichen, dass sie die Gene des Menschen beeinflussen", versichert das Gesundheitsministerium auf seiner Internetseite zusammengegencorona.de.

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Die medizinischen Fakten seien eindeutig, bekräftigt Markus Zimmermann und sagt: "Ich würde mich sofort impfen lassen!" Wichtig seien daher Aufklärungskampagnen, wie sie zuletzt u.a. der Bundesverband für Pflegeberufe mit einem Video-Seminar zum Thema Corona-Impfungen gestartet hat. "Das muss man intensivieren", fordert der Pflege-Professor. Dabei seien vor allem die Gesundheitsämter gefordert - zum Schutz der Gemeinschaft.

Bisher bei Impfungen in Bochum kaum Nebenwirkungen gemeldet

Zuversicht geben dem Wissenschaftler zwei aktuelle Entwicklungen. Alle bisherigen Beobachtungen sprechen für eine gute Verträglichkeit des Vakzins; die KVWL meldet nach den mehr als 1300 Impfungen in Bochum bislang keine nennenswerten Nebenwirkungen. Und: "Die Impfbereitschaft der Pflegekräfte und auch der Ärzte wächst exponentiell, je häufiger sie mit Corona-Patienten zu tun haben." Was neben dem Selbstschutz auch auf einen Lernprozess hindeuten könnte.

Keinesfalls sollte der Staat dabei über eine Impfpflicht für Medizin-Beschäftigte nachdenken. "Wir haben kürzlich an HSG in einem Ethik-Seminar darüber geredet", schildert Zimmermann. "Die Hälfte der Studierenden war gegen eine Impfpflicht. Das sollte jeder selbst entscheiden."

Bochumer Krankenschwester ist wütend über impfskeptische Kollegen

Das meint auch eine Krankenschwester einer Bochumer Klinik, die ungenannt bleiben möchte. Das Gebaren mancher Kolleginnen betrachtet sie aber mit zunehmender Wut. "Die erzählen mir, dass sie aus Angst um ihre Gesundheit erst abwarten wollen oder grundsätzlich keine Impfe haben wollen. Eine meinte sogar, sie könne dann nicht mehr ruhigen Gewissens schwanger werden."

Das, staunt die Krankenschwester, habe genau die Kollegin gesagt, die in jeder Pause vor die Tür geht. "Zum Rauchen."

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