Essen. Corona-Schutzkleidung ist knapp. Einige Essener Pflegedienste sehen sich deshalb nicht in der Lage, infizierte Patienten weiter zu versorgen.

Werner König sitzt im Rollstuhl. Der IT-Mitarbeiter hat infolge einer Muskeldystrophie den Pflegegrad drei. Er ist auf einen ambulanten Pflegedienst angewiesen, der ihm morgens aus dem Bett hilft und ihn abends wieder ins Bett bringt. Angesichts der Auswirkungen des sich rasant ausbreitenden Coronavirus fragte sich König nun unweigerlich: Was passiert, wenn ich in Quarantäne muss – oder mich sogar infiziere?

Die Antwort auf diese Frage sah zunächst düster aus. Sein Pflegedienst, die Firma Lipski und Schmidt, teilte dem Essener mit, dass sie ihn im Fall einer Infektion nicht mehr versorgen könne – weil keine ausreichende Schutzkleidung vorhanden sei. Die Information ließ König ratlos zurück: „Ohne Hilfe komme ich weder morgens aus dem Bett noch auf die Toilette. Ich bin alleinstehend und kann ja nicht einfach ins Krankenhaus.“

FFP2-Atemschutzmasken sind im Moment extrem rar

Das Problem: FFP2-Atemschutzmasken, die vor dem Virus schützen, sind im Moment extrem rar. „Auf diesen massiven Engpass sind wir nicht vorbereitet gewesen“, sagt Thomas Gieseke, Pflegedienstleister von Lipski und Schmidt. Deswegen sah es zunächst so aus, als ob infizierte Patienten tatsächlich nicht mehr versorgt werden könnten.

Nun aber berichtet Gieseke, er habe von der Essener Feuerwehr 160 FFP2-Masken erhalten. „In Einzelfällen und als Akuthilfe hat die Feuerwehr unter anderem mit FFP2-Masken ausgeholfen“, sagte Stadtsprecherin Silke Lenz auf Nachfrage. Für Gieseke bedeutet das: „Wenn nun auch noch unsere Bestellung mit Schutzbrillen ankommt, können wir infizierte Patienten weiter versorgen.“

DRK-Pflegedienstleiterin: „Wir kommen an unsere Grenzen“

Die Essener Feuerwehr hat außerdem 20.000 medizinische Mund-Nase-Schutzmasken des Typs 1 erhalten, mit denen nun ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen ausgestattet werden. Solche Masken werden zur Infektionsprävention eingesetzt. „Im Kontakt mit Infizierten werden aber FFP2-Masken benötigt“, sagt Brigitte Ludwig, stellvertretende Leiterin des Pflegedienst „Pflege Daheim“ des Essener DRK-Kreisverbandes.

Dem DRK-Pflegedienst fehlen immer noch FFP2-Masken. „Wir unternehmen schon viele Schutzmaßnahmen“, so Leiterin Monika Brähler zur aktuellen Lage. Mundschutze hätten sie sogar schon selbst genäht. Und trotzdem: „Wir kommen an unsere Grenzen“, sagt Brähler.

Corona-Infizierte müssen in letzter Instanz ans Krankenhaus verwiesen werden

Wegen der fehlenden FFP2-Masken müssten sie die Pflege von Corona-infizierten Patienten entweder Angehörigen übergeben oder sie in letzter Instanz ans Krankenhaus verweisen. Denn wenn sich ein Mitarbeiter bei einem Patienten anstecke, laufe er nicht nur Gefahr, wiederum andere Patienten anzustecken: „Da die Pfleger alle miteinander Kontakt haben, müssten wir in diesem Fall den Pflegedienst stilllegen und kein Patient könnte mehr versorgt werden.“

Beim Pflegedienst der CSE sieht es ähnlich aus. „Wir haben bereits mit der Stadt abgesprochen, dass Patienten im Ernstfall ins Krankenhaus verlegt werden können“, sagt Tanja Rutkowski, Fachbereichsleitung Gesundheit und Pflege.

Auch die anderen Schutzmitteln gibt es Engpässe

Denn auch der CSE-Pflegedienst hat aktuell nicht genug FFP2-Masken, um im Falle einer Infektion Mitarbeiter und andere Patienten zu schützen. „Wir haben die Atemschutzmasken schon vor Wochen bestellt, aber bis heute noch keine bekommen“, so Rutkowski.

Auch unter Engpässen bei anderen Schutzmitteln litten sie: „Schutzbrillen gibt es zum Beispiel im Moment gar nicht, Schutzkittel werden knapp“, so Rutkowski. Auch Desinfektionsmittel sei nur noch in kleineren Mengen lieferbar. Im Moment gebe es bei ihnen – wie bei den beiden anderen Pflegediensten auch – noch keinen akuten Fall. „Wir erwarten das aber im Grunde täglich. Und wir haben es hier mit Hochrisikopatienten zu tun.“

Contilia sieht sich für Pflege von Infizierten vorbereitet

Die Contilia-Gruppe, die in Essen den ambulanten Pflegedienst "Die Lindenblüten" betreibt, sieht sich im Moment hingegen für die Pflege von Corona-infizierten Patienten gerüstet.

"Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Umgang mit infektiösen Erkrankungen geschult und routiniert. Die notwendigen Arbeiten werden mit entsprechender Schutzkleidung durchgeführt", so Pressesprecher Thomas Kallhöfer auf Nachfrage. Aktuell gebe es bei ihnen kein Problem mit fehlender Schutzkleidung.

Stadt Essen hat auf ihrer Internetseite Nähanleitung veröffentlicht

Die Stadt Essen hat auf ihrer Internetseite eine Nähanleitung für einen Behelf-Mund-Nasen-Schutz veröffentlicht. Dieser kann das Risiko der Übertragung des Coronavirus reduzieren, da er die Verteilung von Tröpfchen verhindert, die beim Sprechen, Husten oder Niesen entstehen. Er entspricht nicht dem genormten Mund-Nasen-Schutz, kann aber eine hilfreiche Alternative sein, wenn es im Handel zu Lieferengpässen kommt.

Um den Mund-Nasen-Schutz selbst herzustellen, benötigt man kochfeste Baumwolle und einen biegsamen Draht sowie eine Nähmaschine, eine Schere und ein Bügeleisen. Der Mundschutz ist wiederverwendbar und muss nach der Nutzung gewaschen und getrocknet werden.

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