Essen. In der Pflege sollen Schnelltests eingesetzt werden. Es fehlen Lieferungen und Schulungen. Wo Tests eingesetzt werden, bringen sie Sicherheit
Auf der Suche nach einem schnellen Corona-Test gehen Menschen in NRW offenbar sonderbare Wege. Nachdem
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann
(CDU) Anfang November angekündigt hatte, dass Pflegeheime bevorzug mit Schnelltests versorgt werden sollen, berichtet ein erster Träger aus dem Ruhrgebiet nun davon, dass Angehörige sogar direkt nach Testmöglichkeiten fragen.
„Ich hätte nicht gedacht, dass das passiert, aber tatsächlich hatten wir aktuell den Fall, dass jemand seine Tochter zum Schnelltest zu uns schicken wollte“, berichtete Silke Gerling vom
Diakoniewerk Essen
der Redaktion. Die Sprecherin der
Ruhrgebietskonferenz Pflege
unterstrich, dass die Schnelltest in Pflegeheimen zum Schutz der Bewohner eingesetzt werden und nicht zur Testung der Bevölkerung eines Stadtteils gedacht sind. Wenn Angehörige Erkältungssymptome haben, sollten sie zu Hause bleiben.
Es fehlen immer noch Tests und Schulungen fürs Pflegepersonal
Insgesamt haben Pflegeheime und ambulante Dienste beim verbindlichen Einsatz von
Schnelltests
zum
Schutz der Pflegebedürftigen
einen äußerst holprigen Start erlebt. Obwohl die Corona-Antigen-Tests mit Ergebnissen innerhalb von bis zu 20 Minuten bereits seit dem 9. November eingesetzt werden sollen, stehen vielfach Lieferungen aus und es fehlen noch geschulte Mitarbeiter. Träger beklagen ein Personalproblem: Ihnen mangle es an Fachkräften, um neben der Pflege die Tests zu bestreiten.
„Die
Schnelltests
sind für die Pflege eine segensreiche Geschichte“, sagte Christoph Treiß, Geschäftsführer des Landesverbandes freie ambulante Krankenpflege NRW mit rund 1.100 Mitgliedsunternehmen. „Aber das verläuft alles andere als reibungslos.“
Kritik: Schnelltests sind zu schnell Pflicht in NRW geworden
Pflegeheime können bis zu
20 Schnelltests je Bewohner
, ambulante Dienste bis zu zehn Tests für Pflegebedürftige, Besucher und Mitarbeiter abrechnen. Sie mussten aber selbst Testkonzepte erstellen und erhielten nicht in jeder Stadt gleich viel Hilfe. Sie mussten sich zudem selbst um Lieferungen und Schulungen ihrer Mitarbeiter kümmern.
Trotz Einkaufsgemeinschaften und Online-Portale großer Verbände gebe es noch immer eine erhebliche Anzahl von Trägern, die auf die Antigen-Tests warten, heißt es nun. Der Vorlauf und eine einwöchige Übergangsfrist seien viel zu kurz gewesen, kritisierte etwa der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste in NRW.
Personalnot drückt und Testvorgaben belastet besonders die ambulante Pflege
Selbst dort, wo Tests angekommen sind, sind sie nicht unbedingt im Einsatz. Viele freie ambulante Dienste haben keine Ärzte gefunden, um ihre Pflegekräfte zu schulen - nun springt ihr Verband ein. Auch wo geschult wurde, bleibt ein Personalproblem: Gerade kleine Träger haben Sorge, wie sie neben der eigentlichen Pflege auch noch Abstriche machen sollen. Tests müssten vor- und nachbereitet, dokumentiert, Schutzkleidung angelegt werden - etwa bei Demenzerkrankten sei es damit zudem nicht getan. Die Diakonie Essen rechnet daher damit, dass es für einen Tests sogar zwei Kräfte brauche.
Viele Geschäftsführungen stationärer Pflegeeinrichtungen seien verärgert, sagte Ulrich Christofczik, Sprecher der Ruhrgebietskonferenz Pflege: „Wie man meinen kann, dass in der Pflege Fachkräfte ausreichend freie Zeit haben, um nebenbei auch diese Tests zu machen, macht uns
fassungslos
.“
Um Personal zu finden
, werben Träger unter ihren Teilzeitkräften fürs Stundenaufstocken und fragen Medizinstudierende an.
In besondere Bedrängnis geraten ambulante Dienste, denn testen dürfen nur medizinische Fachkräfte. Pflegedienste beschäftigen im Vergleich zur stationären Pflege aber anteilig weniger Fachkräfte.
„Es ist weder personell noch wirtschaftlich durchführbar, unsere Fachkräfte nur für Tests zu unseren Kunden zu schicken“, sagte Christoph Treiß vom Landesverband. Er warb für eine auskömmliche Refinanzierung. In der Altenpflege sollen Betriebe sieben Euro für den Tests und sechs fürs Personal abrechnen können.
Lange Wartezeiten und Quarantäne-Ausfälle könnten künftig entfallen
Dort, wo die Schnelltests bereits zum Einsatz gekommen sind, werden sie offenbar gut angenommen. Die Tests schafften Sicherheit, heißt es vielerorten. Beim Christophoruswerk in Duisburg etwa seien so zwei Infektionen unter Verwaltungsmitarbeitern festgestellt worden. Auch die AWO Westliches Westfalen berichtet von einem hohen Maße an Akzeptanz auch unter Bewohnern. „Die Menschen sind durch die letzten Monate sehr strapaziert. Dass sie sich nach einem negativen Testergebnis frei bewegen können, ist ein hohes Argument“, sagt AWO-Vize Elke Hammer-Kunze.
Eine Hoffnung: Lange Quarantänezeiten, die wegen der Wartezeiten auf Laborergebnisse angefallen sind, fallen mit den Ergebnisse im Eilverfahren nun weg. „Wir haben täglich mehr Kollegen, die nicht mehr für die Pflege zur Verfügung stehen“, mahnte Ulrich Christofzcik, Chef des Duisburger Christophoruswerks.