Herne. Die achte Herner Denkmalradtour stand diesmal im Zeichen von vier Siedlungen rund um die Zeche Hannover. Sie sollen in Zukunft vernetzt werden.
Wer die Frage „Zechensiedlung in Herne?“ stellt, bekommt eigentlich immer als Antwort „Teutoburgia“ zu hören. Der Glanz der im Zuge der Internationalen Bauausstellung herausgeputzten Siedlung ist so hell, dass andere Siedlungen in ihrem Schatten stehen. Dabei gibt es andere Kolonien, die das Stadtbild durchaus zieren. Sie waren das Ziel der achten Denkmal-Radtour der Stadt Herne.
Dabei rollten die Denkmalschützer erstmals über die Stadtgrenze nach Bochum. Der Grund: Beide Städte wollen in einem gemeinsamen Projekt das Erbe dieser ruhrgebietstypischen Siedlungen erhalten - und vielleicht noch ein bisschen veredeln. Titel des Projekts: „Grüne Mitte Zeche Hannover“. Denn alle vier Siedlungen sind um diese ehemalige Zeche gruppiert, die als Museum ziemlich genau auf der Stadtgrenze liegt. Bei der Tour schauten sich die Beteiligten dieses Erbe an - und lernten die unterschiedlichen Charakteristika kennen.
Trotz teilweise identischen Entstehungszeiträumen gibt es große optische Unterschiede
Erstes Etappenziel: die Siedlung Königsgrube in Röhlinghausen. Da sie zwischen den Jahren 1870 und 1900 entstand, wurden verschiedene Häusertypen gebaut. Das hat im Erscheinungsbild der 225 Objekte allerdings nicht zu einem Durcheinander geführt, die verschiedenen Bereiche sind intakt und in sich stimmig. Obwohl keine Gestaltungssatzung existiert, hat sich optisch kein Wildwuchs gebildet.
Einer der Bewohner in der Königsgrube ist der Fotograf Peter Liedtke. Er habe das Haus 1987 gekauft, als es bereits unter Denkmalschutz stand. Über diese Tatsache sei er froh gewesen, weil sich seine Vorstellungen von der Gestaltung mit jenen der Unteren Denkmalbehörde gedeckt hätten. Er habe endlos viel Arbeit in das Haus gesteckt, so seien alle Fugen zwischen den Ziegeln erneuert worden.
Mal sind Straßen wie mit dem Lineal gezogen, mal sanft geschwungen
Ein deutlich anderes Bild bietet sich jenseits der Stadtgrenze in Günnigfeld. Die Siedlung Hannover III/IV wurde in einem ähnlichen Zeitraum errichtet - und sieht völlig anders aus. Eine Besonderheit: Zu den Häusern gehören nur - allerdings große - Vorgärten. Wie das geht? Die zweigeschossigen Gebäude sind viergeteilt, jede Wohnpartei hat einen Garten. Auch die Fassaden fallen in Günnigfeld aus den üblichen Optikerwartungen. Sie sind mit Holz verschalt - und erinnern an skandinavische Häuser. Ein einheitliches Siedlungsbild bietet sich nicht, angesichts mancher Farben und Anbauten kommt einem schon der Begriff „Kraut und Rüben“ in den Sinn. Vielleicht bieten sich hier dem Projekt die größten Entwicklungspotenziale.
Der direkte Vergleich mit der Dahlhauser Heide in Hordel offenbart, wie sich die Konzepte für die Siedlungen mit der Zeit verändert haben. Sind in Günnigfeld die Straßen gerade wie mit dem Lineal gezogen, sind sie in der „Kapps-Kolonie“ geschwungen. Trotz der über 700 Häuser bleibt an jeder Ecke das Gefühl eines Dorfs erhalten - das auch eine Art Dorfplatz hat. Der zweigeschossige „Beamtenhof“ ist in der Mitte der Siedlung und damit beliebter Treffpunkt der Bewohner. Apropos Dorfcharakter: Den haben sich die Bewohner nach den Worten von Heinz Munck von der Unteren Denkmalbehörde in Herne auch in ihrem Denken bewahrt. Man komme eben nicht aus Bochum oder Herne, sondern aus der entsprechenden Siedlung.
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Der Kreis schloss sich mit der Kolonie Hannover I/II in Eickel. Von 1900 bis 1928 gebaut, ist sie die jüngste der vier Siedlungen. Auch diese Kolonie kann der Gartenstadtbewegung zugerechnet werden, es entstanden eine Reihe von unterschiedlichen Haustypen. Auch diese Siedlung hat einen Gemeinschaftsplatz, doch offenbar wird er höchst selten für Veranstaltungen genutzt.
NRW bereitet ein neues Denkmalschutzgesetz vor
Nach Jahrzehnten ohne Veränderungen bereitet die Landesregierung zurzeit die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes vor. Den bisherigen Entwurf beurteilt die Stadt Herne als positiv.
„Das neue Gesetz stärkt die Untere Denkmalbehörde in den Kommunen gegenüber der Oberen Denkmalbehörde in Münster“, so Susan Kowalski, Leiterin des Herner Denkmalschutzes und Fachbereichsleiter Achim Wixforth. In der Vergangenheit war es so, dass beide Behörden ein sogenanntes Benehmensverfahren durchführen mussten. Heißt: Sie mussten bei unterschiedlichen Ansichten zu einem Denkmalthema so lange miteinander ringen, bis am Ende eine gemeinsame Lösung gefunden wurde. In Zukunft sollen die Städte nach einer Anhörung eigenständig entscheiden können. Dies sei auch eine Anerkennung der Fachkompetenz in den Städten, so Kowalski und Wixforth. Allerdings, so ergänzen sie, seien strittige Fälle die seltene Ausnahme. In 95 Prozent der Fälle seien die Auffassungen deckungsgleich.
Bürger haben weiter die Möglichkeit, Gebäude auf Denkmalwürdigkeit prüfen zu lassen
Weiterhin erhalten bleibt für Bürger die Möglichkeit, die Prüfung einer Denkmalwürdigkeit zu beantragen. In Herne war dies in der jüngeren Vergangenheit - zumindest öffentlich - zweimal der Fall: beim Hallenbad in Wanne-Süd und beim City-Center. Kowalski geht allerdings nicht davon aus, dass sich dadurch die Zahl der Denkmäler - zurzeit sind es in Herne rund 720 - spürbar erhöht. Die Untere Denkmalbehörde kenne der allermeisten Gebäude und deren Denkmalwürdigkeit.
Im neuen Gesetz werde auch der Abwägung von anderen Belangen im Verhältnis zum Denkmalschutz eine deutlich größere Bedeutung beigemessen, so Kowalski. Das heißt: Soll ein Baudenkmal verändert werden, müssten Fragen des Energieverbrauchs, der Barrierefreiheit oder des Klimaschutzes untersucht werden. Die schwierigsten Gespräche würden zum Thema Brandschutz geführt.