Bochum. In einer Zeit, die von Viren zutiefst geprägt ist, erzählt eine Schau in der Bochumer Zeche Hannover von tierischen „Boten, Helfern und Gefährten“

Die Geschichte des Menschen ist immer auch eine Geschichte der Tiere. Und wenn der Mensch sich industrialisiert, dann läuft auch das Tierreich heiß – ob Bienen unter schlechter Luft leiden oder das Schlachten zu tausendfacher Routine wird. So erinnern Bilder von properen Stallschweinen in Werbevideos der Firma Tönnies daran, dass wir immer nur das sehen, was wir sehen wollen. Gezeigt werden die Videos in der neuen Schau der Zeche Hannover, die gewissermaßen zur rechten Zeit aufs rechte Pferd setzte und das Verhältnis von Mensch und Tier im Wandel erfasst – in einer Gegenwart, in der dank der Übersprungshandlung eines Virus nun maximal 40 Besucher in die Schau dürfen, und das auch nur mit Mundschutz.

Schweine raus, Bienen rein

Schwein gehabt: Das Ruhrgebiet, so geht die Legende, entdeckte sein schwarzes Gold dank eines Hirten, der seine Tiere auf Eicheln ansetzte und auf Kohle stieß. So ist das (Glücks-)Schwein eine der vier museal verarbeiteten Arten, welche die bienenfleißigen Museumsmitarbeiter ins Zentrum rücken. Die Schweineställe der Zechensiedlungen, die Hausschlachtungen bleiben freilich schwarz-weiß, wohingegen der ausgestellte Automat für Wildfutter in portionsweisen Pappschachteln noch heute in freier Wildbahn zu finden ist.

Die Schlachthöfe sind längst schamvoll aus den Innenstädten an die Ränder verbannt, die Bienenstöcke hingegen kehren zurück, auch das ein Akt der Scham: auf Dächern, in Hinterhöfen mühen sich Hobbyimker um Arterhalt, zahlreiche Honigtöpfe (nicht naschen!) zeugen davon.

Vor dem Karren von Klüngelskerl und Kohlenhändler

Dass es noch in den 60er Jahren des Reviers Petitionen gab für den Verbleib echter Pferdestärken auf unseren Straßen mutet hingegen nostalgisch an: Nicht nur als tausendfach schuftender „vierbeiniger Kumpel“, auch über Tage – vor dem Karren eines Kohlenhändlers oder Klüngelskerls – waren Pferde Teil des Arbeitsalltags. Und manchmal musste es sehr schnell gehen in diesem Alltag: Die erste Galopprennbahn des Reviers ließ 1875 der irische Bergbau-Investor Thomas Mulvany in Castrop bauen – mit den Zechen wuchs auch jene Oberschicht, die sich am Rennbahnrand gerne in Gesellschaft begab.

Die Reiterhöfe der Region heute zeugen von Freizeit und Wohlstand, zugleich aber wird auf dem Rücken der Pferde ein alter Konflikt ausgetragen: Je weiter der Mensch dem Tier entrückt, desto mehr vermenschlicht er das Tier. Comichefte und Romane zeugen davon, aber auch Bio-Leckerlis als bunte Tüte und boutiqueartiges Zubehör.

Kriegswichtige Brieftauben

Davon ist der Taubensport nun weit entfernt, das Tier an sich aber wurde in der christlichen Kultur früh symbolisch aufgeladen – friedlich oder frivol, romantisch oder rührselig muten die historischen Postkarten an, in denen sich meist junge hübsche Damen dem gefiederten Freund (der den Brief im Schnabel trägt) liebevoll zuneigen. Die Taube sei dabei „Chiffre für menschliche Sehnsüchte“, so Ausstellungsleiter Dietmar Osses.

Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 konnte die belagerte Pariser Bevölkerung dank Tauben Kontakt zu ihren Familien auf dem Land, hinter der Front halten. Im Zweiten Weltkrieg warfen die Briten Tauben in Fallschirmkörbchen über Deutschland ab, auf dass die Bürger kriegswichtige Informationen aus dem Land fliegen lassen könnten. Der militärische Nutzen bescherte dem Taubensport jene patriotische Note, diesen Schluss legt die Schau nahe, der sich auch viele Bergleute des Reviers nicht entziehen konnten.

Akuter Mangel an Brötchenkrümeln und Pommes

Wohlstand und Zeitknappheit lassen in den Fußgängerzonen des Reviers reichlich Brötchenkrümel und Pommes-Frites-Reste zurück, von denen sich Stadttauben nähren. Während coronabedingt Delfine in Venedigs Kanälen schwammen und Rehe in Berlins Mitte weideten, musste das städtische Gefieder allerdings Diät halten: Hier teilen Mensch und Tier doch noch dieselbe Welt.