Herne. Mirko Strauss ist neuer Geschäftsführer der Wanne-Herner Eisenbahngesellschaft. Im Interview mit der WAZ erläutert er seine Zukunftspläne.
Die Gesellschafterversammlung der Wanne-Herner Eisenbahn und Hafen GmbH (WHE) hat in der vergangenen Woche Mirko Strauss ab 1. Januar zum neuen Geschäftsführer bestellt. Im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann erläutert Strauss seine Pläne für die WHE.
Herr Strauss, nach so vielen Jahren im Unternehmen: Löst die offizielle Bestellung zum Geschäftsführer ein Gefühl aus, dass man am Ziel angekommen ist?
Strauss: Ich freue mich natürlich sehr darüber, weil es auch eine Bestätigung meiner bisherigen Leistung und der kommissarischen Geschäftsführung ist.
Sie haben die Position ja schon seit April kommissarisch gehabt, war die offizielle Ernennung noch ein großer Schritt?
Es ist durch meine kommissarische Tätigkeit kein komplett neuer Vorgang, denn ich hatte ja schon alle Vollmachten und Entscheidungsbefugnisse. Ich habe bis jetzt auch nicht anders agiert, Entscheidungen sind im Mai genauso getroffen worden wie ich sie jetzt treffen werde.
Wenn Sie so lange im Unternehmen sind, haben Sie alle Höhe und Tiefen miterlebt...
...ja, ich habe die großen Kohlenberge hier noch gesehen, die Hochzeiten der WHE mit über 430 Mitarbeitern, mit bis zu zehn Millionen Tonnen auf der Eisenbahn und drei Millionen Tonnen im Hafenbereich, die Mengen haben sich bis heute mehr als halbiert. Durch meine 36 Jahre bei der WHE kenne einen großen Teil des Weges der WHE, von der 90-prozentigen kohlelastigen Abhängigkeit vom Bergbau bis heute.
Wie würden Sie den heutigen Zustand der WHE beschreiben?
Es gab ja in den vergangenen Jahren unruhige Zeiten, rote Zahlen oder die Auseinandersetzung um Tarife. Seit die WHE in den roten Zahlen und in kritischem Zustand war, ist es auch schon fast zehn Jahre her. Ich sage: Wir müssen von dem Zustand, wo wir die WHE schlecht gesehen haben, übergehen in das Bewusstsein, dass die WHE mittlerweile wieder durch das starke und nachhaltige Engagement der Stadtwerke Herne gut dasteht und seit einigen Jahren positive Jahresergebnisse liefert. Meine Aufgabe ist es, diese positive Entwicklung zu verstetigen.
Wie kann der Weg aussehen?
Wir alle bei der WHE müssen dafür sorgen, dass die wegbrechenden Kohlemengen, wir versorgen ja immer noch das Steag-Kraftwerk in Baukau, durch Neu-Geschäften ersetzt werden.
Gibt es denn noch Baustellen aus der Vergangenheit, die abgeschlossen werden müssen?
Wir sind dabei, den Rückstau an Investitionen und Instandhaltung aufzuholen. Da hat in den vergangenen Jahren der ganze Verkehrssektor sehr verhalten agiert und es ist an allen Ecken gespart worden.
Die WHE ist bei den Hafengesellschaften nicht der größte Player. Wie kann sie sich gegen die große Konkurrenz behaupten?
Die WHE ist klein, aber fein. Unsere Kunden schätzen sehr die mittelständisch geprägte Haltung zum Kunden. In großen Unternehmen kann man schon mal in einem Call-Center landen, um seine Bedürfnisse loszuwerden. Das geht selbst uns so: Wenn wir mit großen Unternehmen im Markt zusammenarbeiten. Bei uns gibt es immer einen zentralen Ansprechpartner für einen Kunden. Das ist sehr wichtig, um die Kundenbindung zu stärken. Größe allein ist nicht immer hilfreich. Wir haben unsere Nischen gefunden.
Wo genau liegt die Nische?
Sie ist auf jeden Fall bei den Containertransporten. Genauer gesagt im sogenannten Trailerverkehr. In anderen nahe gelegenen Standorten werden sehr viele See-Container umgeschlagen. Den Trailerverkehr hat man nicht überall so sehr gemocht, weil er etwa umständlicher ist beim Umschlag. Wir haben uns auf den Trailerverkehr konzentriert. Dieser Bereich ist seit Jahren der größte Wachstumsbereich im Gesamtmarkt, das heißt: Da liegen wir genau richtig. Wir haben die Verkehre nach Wanne geholt, die bei anderen nicht ganz so beliebt waren. Beim Umschlag der Trailer muss man etwas vorsichtiger sein, es dauert etwas länger beim Umschlag von der Bahn auf den Lkw und man muss etwas bessere Kranführer haben. Und da sind wir gut bei den Kunden positioniert. Wir bieten zudem Flächen an, wo die Kunden die Trailer abstellen können.
Zur Person
Mirko Strauss (53) hatte 1983 seine Ausbildung zum Kaufmann im Eisenbahn- und Straßenverkehr begonnen.
Nach einem anschließenden Betriebswirtschaftsstudium hat er bei der WHE und ihren Tochtergesellschaften unterschiedliche Führungsaufgaben übernommen, unter anderem als Vertriebsleiter, Prokurist sowie Geschäftsführer der BAV Aufbereitung und des Container-Terminals.
Wollen Sie das weiter ausbauen?
Ja, wir wollen zum Beispiel eine Fläche, auf der früher Kohle gelegen hat, befestigen, damit sie später multifunktional einsetzbar ist. Das soll schon möglichst im nächsten Jahr geschehen, aber dafür müssen wir erst eine Förderung der Bundesregierung bekommen.
Haben Sie denn genug Gleiskapazitäten, um zu wachsen?
Wir können wachsen durch die zusätzlichen Abstellkapazitäten. Dadurch können wir das Terminal freiräumen und mehr Trailer umschlagen. Die Züge bleiben nicht so lange im Gleis stehen.
Das heißt, Sie sind mitten in der Neukundengewinnung…
...wir haben sie schon. Wir haben in diesem Jahr prozentual einen zweistelligen Zuwachs erreicht und erwarten für 2020 eine weitere Steigerung.
Können irgendwann mal Züge aus China zu dieser Steigerung beitragen?
Es waren ja schon Testzüge hier, die Kunden sind sehr gerne über Herne gefahren.
Vielleicht entwickelt sich ja durch die Städtepartnerschaft mit Luzhou etwas…
...wir erhoffen uns das natürlich, dass durch die Partnerschaft auch mal Züge aus der Partnerstadt nach Herne fahren. Generell ist uns aber jeder Zug willkommen, denn Umsatz ist Umsatz, egal woher der Zug kommt.
Sprechen Sie auch mit Nordfrost, die ja bald das größte Tiefkühlzentrum Deutschlands in Unser-Fritz in Betrieb nehmen?
Wir haben schon erste Kontaktgespräche geführt, vielleicht mündet das ja auch in Züge wie bei Duvenbeck. Duvenbeck fährt ja mittlerweile einen Zug täglich von Herne nach Landshut mit Teilen für einen großen Automobilhersteller. Bei Nordfrost wünschen wir uns eine ähnliche Entwicklung. Solche Logistikansiedlungen sind sehr interessant für die WHE. Ich sehe die WHE als internationalen Umschlagplatz durchaus auch als positiven Faktor bei einer Standortentscheidung für Herne.
Das heißt, dass Container Terminal wird immer wichtiger für die WHE?
Ja. Früher waren wir zu über 90 Prozent von der Kohle abhängig, Jetzt ist der Container- und Trailerverkehr das wichtigste Standbein. Ein Großteil des Umsatzes wird heute schon mit CTH gemacht.
Wie sieht es mit den anderen beiden Bereichen aus?
Im CTH wird gekrant, WHE transportiert die Züge auf ihren Gleisen und übergibt diese dann für die Strecke ins Ausland, und das ETZ wartet und repariert Loks und Waggons der Kunden. Das ist so etwas wie eine Symbiose. Allerdings: Die WHE muss auch andere Aufträge gewinnen. Nur auf dem eigenen Gleisnetz kann die WHE in ihrer Größe nicht bestehen. Einen Auftrag haben wir in Bottrop erhalten, wo wir den gesamten Bahnbetrieb für die Kokerei ArcelorMittal übernommen haben.
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Die Kokerei ist seit einiger Zeit in der Diskussion wegen der Umweltbelastung. Welche Signale erhält die WHE?
Unser Vertrag ist langfristig angelegt. Es gibt klare Zeichen, dass die Kokerei noch lange weiter betrieben wird, weil sie ein Stahlwerk in Bremen versorgt.
Wenn die WHE wächst: Finden Sie denn noch genug Fachkräfte?
Wir haben in diesem Jahr 20 Einstellungen vorgenommen, doch Fachkräfte sind ein schwieriges Thema: Wir waren bis vor acht, neun Monaten von dem Mangel noch nicht so stark betroffen. Wir haben jetzt aber Schwierigkeiten, Triebfahrzeugführer zu finden oder Stellwerkspersonal. Das liegt daran, dass wir wachsen. Für jeden zusätzlichen Auftrag brauchen wir zusätzliches Personal. Und das ist schwierig. Es ist sogar so, dass Lokführer, die wir eingestellt hatten, abgeworben wurden. Andere Unternehmen bieten inzwischen ihren Mitarbeitern Prämien, wenn sie einen neuen Mitarbeiter gewinnen.