Hattingen. Dass die Stadt Hattingen die Wiederbelebung des Alten Rathauses nicht vorantreibt, ärgert die Kulturschaffenden. Wo die Probleme liegen.
Als "Schlag in die Magengrube" hat Lars Friedrich die Aussage von Baudezernent Jens Hendrix empfunden, die Zukunft des Alten Rathauses habe aktuell keine hohe Priorität. "Mir fehlt zurzeit die Begeisterung für dieses für die Stadt so wichtige Gebäude", sagt der Vorsitzende des Heimatvereins Hattingen/Ruhr und Hüter eines anderen Kleinods der Stadt, des Bügeleisenhauses.
"Das Alte Rathaus ist eines von vielen Projekten, die nicht ganz oben auf unserer Liste stehen. Die Umsetzung hängt übrigens auch davon ab, wie sich die Personalsituation in der Bauverwaltung entwickelt", hatte Hendrix im Gespräch mit der WAZ gesagt.
Vom ersten frühen Wohlstand der Hattinger Bürger
"Ich finde die Entwicklung rund ums Alte Rathaus sehr, sehr unbefriedigend", meint dazu Lars Friedrich. Das Gebäude, das seit zwei Jahren nur eingeschränkt und zuletzt kaum noch genutzt werden kann, habe stadtgeschichtlich einen besonderen Stellenwert: Es markiere den ersten frühen Wohlstand der Hattinger Bürger zur Zeit der hansischen Zugehörigkeit.
"Dass dieses Haus - neben der St.-Georgs-Kirche und dem Bügeleisenhaus das am meisten fotografierte Gebäude unserer Heimatstadt - weiterhin aus Brandschutzgründen in einem künstlichen Dornröschenschlaf gehalten wird, kann ich weder nachvollziehen noch akzeptieren", sagt Lars Friedrich. "Menschen wollen das Gebäude nicht nur ansehen, sie wollen auch heraussehen, es betreten, es sich zu eigen machen."
Auch Christiane Nicolai hat auf den WAZ-Bericht reagiert. Die CDU-Stadtverordnete ist stellvertretende Vorsitzende im Kulturausschuss und will das Thema genau dort am 3. Februar zur Sprache bringen. "Selbstverständlich können wir als Stadt Hattingen auf keinen Fall auf das Alte Rathaus verzichten", schreibt Nicolai.
Ein Rauchtest mit erschreckenden Ergebnissen
Ende Februar 2019 hatte die Stadt Hattingen das Alte Rathaus zum Sicherheitsrisiko erklärt. Weil der Brandschutz fehlt, wurde das Programm zunächst gestrafft. Brandwachen begleiteten die Veranstaltungen.
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Im Juni 2019 hat die Feuerwehr einen Rauchtest durchgeführt. Mit erschreckenden Ergebnissen. Nach drei Minuten gab es im zweiten Obergeschoss nur noch eine rauchfreie Schicht von einem Meter, nach fünf Minuten gar keine mehr.
Im Februar 2020 stand fest: Den einzigen Ausweg aus dem Dilemma bietet eine Außentreppe als Fluchtweg. Das war das Ergebnis der Beratungen von Baudezernat, Gebäudeverwaltung und Feuerwehr mit einem Brandschutzbeauftragten, der sein Gutachten über die Sicherheit im Alten Rathaus vorgelegt hat. Und auch das ist jetzt schon fast ein Jahr her.
Eine Entscheidung fällen, die alle mittragen können
"Wir sind 2020 nicht weitergekommen, obwohl wir uns wirklich kümmern möchten", beschreibt Ulrich Möller die Sicht der Stadt. Der Leiter des Fachbereichs Gebäudewirtschaft macht dafür auch die Corona-Lage verantwortlich: "Beteiligt sind die Bauordnung, die Feuerwehr, der Denkmalschutz, der Brandschutz und die Nutzer des Gebäudes. Wir müssten uns wirklich noch einmal alle am Alten Rathaus treffen und eine Entscheidung fällen, die alle mittragen können."
Bühne in der zweiten Etage müsste verkleinert werden
Hinter die Lösung mit der Außentreppe, die vor einem Jahr als einziger Ausweg genannt wurde, setzt Möller nun wieder ein Fragezeichen. "Die kann nur so angebracht werden, dass die ohnehin enge Bühne im zweiten Stock weiter verkleinert werden müsste", sagt Möller. "Und da müssen wir alle Beteiligten schon noch einmal fragen: Wollen wir das?"
Möller hält es für unrealistisch, dass das Alte Rathaus insbesondere in der zweiten Etage überhaupt noch einmal wie früher genutzt werden kann: als Veranstaltungsraum für knapp 100 Personen. "Wir müssen uns jetzt ehrlich machen und die Frage beantworten, welche Nutzung wir haben möchten und mit welchen Folgen", fordert der Gebäudemanager.
>>> Info: Hochzeiten mit Brandwache
Im Jahr 2019 konnte das kulturelle Leben im Alten Rathaus zumindest eingeschränkt weiterlaufen. 50 Veranstaltungen fanden noch statt, vom Altstadtgespräch bis zum Elterntreffen, vom Philosophischen Café bis zum Vortrag über Denkmalschutz.
Vier Ausstellungen und 41 Hochzeiten kamen hinzu. Bei allen Terminen war eine Brandwache der Feuerwehr im Haus.
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