Verabredet hat sich früher niemand, man traf sich zum Feierabend in der Kneipe nahe Henrichshütte, Gottwald und O&K in Viererreihen an der Theke.

„1974 haben die Leute noch ihr Feierabendbier getrunken. Das gibt’s heute kaum noch“, erinnert sich Werner Traxler, Jahrgang 1948, der als Fünfjähriger von Bayern nach Gelsenkirchen zog, wo sein Vater Bergmann war. Auf eine Kellnerlehre folgten 40 Jahre regionale Kneipengeschichte – mit „Destille“ und „Odeon“.

Werner Traxler hat Erfahrung mit Altstadtgastronomie.
Werner Traxler hat Erfahrung mit Altstadtgastronomie.

Verabredet hat sich früher niemand, man traf sich zum Feierabend in der Kneipe nahe großer Betriebe wie der Henrichshütte, Gottwald und O&K in Viererreihen an der Theke. „Solch eine reine Biergaststätte findet man heute kaum noch“, sagt Traxler.

Schnapscasino, Milchwirtschaft und Kolonialwarenladen

Mit den Betrieben verschwanden die Bierschwemmen. Gastronomie konzentrierte sich zunehmend auf die Innenstadt. Einige Gäste blieben zwar „ihrer“ Altstadtgastronomie treu. Doch Jüngere zieht es nach Bochum, Essen oder Dortmund.

Prost! - Trinkkultur in Hattingen

Friedel Diergardt ist in dritter Generation Wirt im „Kühlen Grund“. Sein Großvater Julius übernahm 1904 eine Kombination aus Schnapscasino, Milchwirtschaft und Kolonialwarenladen in einer Senke des Sprockhöveler Bachs. Wenige hundert Meter abwärts standen Hochöfen.

Zentrum des Vereinswesens

In der anderen Richtung gab es Kleinzechen und Bauernhöfe. Bergleute spülten sich nach der Schicht mit einem Viertelliter Tagesdeputat Schnaps den Kohlenstaub herunter, kauften Milchprodukte.

Friedel Diergardt hat die Veränderungen miterlebt.
Friedel Diergardt hat die Veränderungen miterlebt. © Fischer

Vater Emil Diergardt baute nach 1949 die Gastronomie aus. Die Menschen fühlten sich wohl im „Kühlend Grund“, das zum Zentrum des Vereinswesens wurde. Männergesangvereine, Feuerwehrkapellen, Taubezüchter trafen sich. Mit der Hütte ging es bergauf.

Friedel Diergardt kam 1973 nach Lehr- und Wanderjahren als Koch in den väterlichen Betrieb. Immer mehr Leute kamen zum Essen, das Vereinswesen war auf dem Rückzug. Frühschoppen funktionierte nicht mehr. Alkohol und Kneipe passten nicht zu Familienbild, Freizeitgestaltung und Führerschein.