Hermine Kumpmann versorgte die Arbeiter der Henrichshütte mit „Knickerwasser“. Als Familienernährerin passte sie nicht ins Geschlechterbild.

Nicht nur Stahl und Eisen wurden auf der Henrichshütte produziert. Die Arbeit dort machte auch Durst. 1926 wurde in der „alten Kriegsküche“ neben den Hochöfen eine Mineralwasserfabrik eingerichtet. Wasser mit und ohne Fruchtsaft wurde in 0,33-Liter-Pfandflaschen an zwölf Verkaufsstellen gegen Wertmarken an die Belegschaft verkauft. Um Produktion, Abfüllung und Transport kümmerten sich vier Frauen unter Leitung von Hermine „Mimi“ Kumpmann.

Prost! - Trinkkultur in Hattingen

Flaschen-Kästen wurden mit einer Elektrokarre im Betrieb verteilt, das Leergut wurde wieder abgeholt. Sohn Erwin Kumpmann erinnert sich, dass tausende Flaschen im Umlauf waren. Bei warmem Wetter haben Mitarbeiter bald Tag und Nacht gearbeitet, um Wasser zu liefern, sagt er. „Das Knickerwasser war der Konsumanstalt ganzes Glück, damit haben die Geld gemacht.“

„Die Leute zeigten mit dem Finger auf sie“

1926 hatte Wilhelmine Kumpmann vier Kinder, ihr Mann war seit Jahren arbeitslos. „Mimi“ hielt die Familie in der Weltwirtschaftskrise über Wasser. Heute steht sie für ein Stück Frauen- und Sozialgeschichte Hattingens. Damals, weiß Enkeltochter Rita Majsner, sah es anders aus: „Die Leute haben mit dem Finger auf meine Großmutter gezeigt. Sie hätte sich nie am Arbeitsplatz fotografieren lassen, hat sich für diese Arbeit geschämt.“ Als Familienernährerin passte sie damals nicht ins Geschlechterbild.

Das Wasser wurde mit Mineralien und Kohlensäure versetzt und in Kugelverschlussflaschen gefüllt. Das Gas im Mineralwasser drückte eine in der Flasche gefangene Glaskugel (Knicker) von innen gegen die Öffnung. Zum Befüllen musste die Flasche auf dem Kopf stehen.

„Knickerwasser“ wurde später von Flaschen mit Bügel- oder Schraubverschluss sowie Kronkorken abgelöst, die Kästen wurden im Betrieb verteilt. Bilder von der Fabrik, dem Vertrieb oder Hermine Kumpmann auf der Hütte gibt es nicht.