Gladbeck. Der Demografiebericht der Stadt Gladbeck gibt spannende Einblicke abseits emotional aufgeladener Debatten. Wir haben ihn zusammengefasst.
Was macht die Gladbecker Stadtbevölkerung aus? Bei 78.000 Einwohnern bekommt man da möglicherweise 78.000 unterschiedliche Antworten, aber zum Glück gibt es ja noch die Statistiken. Nicht besonders attraktiv, stimmt, aber aufschlussreich, und wer sich der Stadt Gladbeck mal von der mathematischen Seite nähern will, dem sei der druckfrische Demografiebericht 2023 ans Herz gelegt.
Alina Przybyl aus dem Amt für Soziales und Wohnen hat sich tief in die Daten und Zahlen gewühlt, und am Ende ein schlüssiges Bild herausbekommen: Wie steht es eigentlich um die Stadtgesellschaft in Gladbeck? Das 31 Seiten starke Werk hat Przybyl nicht nur aus Spaß an der Sache zusammengestellt, sondern auch als eine Art Handlungsempfehlung. „Dieser Bericht hat Auswirkungen auf unsere Kitaplanung, Schulplanung, Sozialplanung, generell soll er unsere Arbeit in der Stadt lenken, unsere Kollegen im Haus sollen ihn wahrnehmen.“ Das sagt Rainer Weichelt, Sozialdezernent der Stadt, und weil es hinter all den Zahlen und großen Wörtern ja letztendlich um Menschen geht, ordnet er ein: „Wir wollen allen Menschen ermöglichen, ein wertvoller Teil der Gesellschaft zu sein.“ Aber wie sieht diese Gesellschaft denn nun aus? Wir haben die wichtigsten Punkte des Demografieberichts zusammengefasst.
Mehr alte und junge Gladbecker – das belastet die Menschen „in der Mitte“
Wie kann eine Stadt gleichzeitig älter und jünger werden? Das hat mit den Quotienten zu tun, die die Bevölkerung unterteilen. Der Jugendquotient (Personen bis 20 Jahre) und der Altenquotient (Personen ab 65 Jahren) erfassen kühl-bürokratisch die Menschen, die keinen Beitrag zum Bruttosozialprodukt leisten – entweder, weil sie noch zu jung oder in der Ausbildung sind, oder weil sie im Ruhestand sind. Mit einem Jugendquotienten von 35,88 liegt Gladbeck deutlich über dem Niveau des Kreises Recklinghausen (31,98) und des Landes NRW (32,40). Der Altenquotient von 37,13 liegt zwar unter dem Kreisschnitt (39,67), aber über dem Durchschnitt NRWs (36,60).
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Diese beiden Quotienten sind in den vergangenen Jahren gewachsen, so ist Gladbeck also gleichzeitig jünger und älter geworden. Die „Sandwich-Schicht“ in der Mitte muss das auffangen, weil ja weder die junge noch die alte Schicht – plump gesagt – Geld einbringt. Die gute Nachricht ist, dass die Gruppe der jungen Menschen voraussichtlich bald erwerbstätig wird, eine Entlastung für die mittlere Gruppe. Besonders durch die Zuwanderungsströme seit 2015, heißt es im Bericht, sei Gladbeck deutlich jünger geworden. Der Großteil der minderjährigen Gladbecker lebte zum Stichtag 31. Dezember 2022 übrigens in Butendorf, Rosenhügel und Brauck.
Gladbeck gehört dem Demografietyp 6 an – was bedeutet das?
Der Demografietyp 6 beschreibt eine „überdurchschnittliche demografische Tendenz“ und einen „unterdurchschnittlichen Faktorenwert der Sozialökonomie“. Das heißt, dass Gladbeck wächst – um 4,08 Prozent in den vergangenen fünf Jahren –, und dass es in der Stadt eine überdurchschnittlich hohe Quote von Menschen gibt, die Geld vom Staat bekommen. Außerdem sei eine „soziale Segregation“ erkennbar, Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten leben also oft getrennt voneinander.
Gladbeck wächst gegen den Trend
Vor 15 Jahren prognostizierte eine Studie Gladbeck heute 69.000 Einwohner – knapp daneben, es sind 78.000. „Wir werden weniger“ treffe für Gladbeck zu, heißt es im Bericht, allerdings nur zwischen 1975 und 2006. Mit Ausnahme des Jahres 2012 ist Gladbeck seit 2011 bis heute kontinuierlich gewachsen, die Flüchtlingsbewegung 2015 trug ihren Teil dazu bei.
Brauck ist seit 2001 durchgängig der bevölkerungsreichste Stadtteil, auf der anderen Seite liegen Ellinghorst, Rosenhügel, Alt-Rentfort und Schultendorf, die seit 2000 die niedrigste Bevölkerungsanzahl haben, und noch dazu kaum Veränderungen in dieser Zahl. Von 2011 bis 2021 wuchs Gladbeck stärker als der Kreis Recklinghausen.
Gladbeck in Frauenhand
40.061 Frauen und 38.502 Männer leben zum Stichtag 31. Dezember 2022 in Gladbeck, 50,99 zu 49,01 Prozent. Das war nicht immer so, von 2000 bis 2021 lag die Männerquote in der Stadt über der Frauenquote, seit 2022 leben mehr Frauen in Gladbeck – und im Kreis lag die Quote seit 2014 erstmals über 51 Prozent. Grund dafür, das vermutet der Demografiebericht, sind wohl die geflüchteten Frauen aus der Ukraine.
Hohe Zuwanderung bringt Gladbeck eine steigende Geburtenrate
In ihrem Bildungsbericht stellt die Bundesregierung fest, dass es deutschlandweit einen Trend zur späteren Familiengründung gibt. Genaue Zahlen dazu gibt es in Gladbeck zwar nicht, allerdings besagt der Demografiebericht, dass die „Anzahl der Geburten aufgrund der Zuwanderung aus dem Ausland“ zwischen 2010 und 2020 angestiegen ist, auch in den kommenden Jahren sei davon auszugehen, dass die Geburtenzahl weiter steigt. Den höchsten Anstieg der Geburten verzeichneten die Stadtteile Mitte I, Zweckel, Ellinghorst und Butendorf, die höchste Zahl der Geburten hatte von 2015 bis 2022 aber durchgängig Brauck.
In diesen Gladbecker Stadtteilen leben die meisten Menschen mit Migrationshintergrund
Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in Gladbeck wächst. Im Jahr 2022 hatten 32,6 Prozent der Einwohner einen Migrationshintergrund, der Demografiebericht geht davon aus, dass diese Zahl weiter steigen wird. Den höchsten Migrationsanteil hat mit 47,14 Prozent der Stadtteil Brauck, es folgen Butendorf (39,49 Prozent) und Mitte I (37,26 Prozent). Den niedrigsten Anteil haben Alt-Rentfort (12,65 Prozent) und Ellinghorst (19,37 Prozent), dort steige der Anteil aber ebenfalls, so der Bericht.
Was bedeutet das alles für Gladbeck? Die vier Schlussfolgerungen der Stadt
So viele Zahlen, so viele Einblicke, schön und gut. Aber was bedeutet das denn nun alles für Gladbeck? Der Demografiebericht hat seine eigenen Schlussfolgerungen gezogen, zunächst mal korrigiert er die alte Prämisse „Wir werden weniger. Wir wenden älter. Wir werden bunter“ zu „Wir werden mehr. Wir werden älter. Wir werden jünger. Wir werden bunter.“ Konkret ergäben sich daraus vier Schlussfolgerungen:
- Weil wir mehr werden, gebe es neue Handlungsspielräume und Möglichkeiten. Welche das sind, wird nicht erklärt.
- Weil wir älter werden, gewinnen Angebote „zur Sicherung der Daseinsvorsorge und zur Unterstützung der selbstständigen Lebensführung“ an Bedeutung.
- Weil wir jünger werden, müssen Erziehungs-, Bildungs- und Ausbildungsangebote ausgebaut werden. In Zukunft wird Gladbeck aber auch mehr potenzielle Arbeitnehmer zur Verfügung haben.
- Weil wir bunter werden, ergebe sich eine Verjüngung der Gesellschaft, eine Vergrößerung der potenziellen Arbeitnehmer und eine Bereicherung durch die kulturelle Vielfalt in der Stadt.