Gladbeck. Die Caritas in Gladbeck bietet Hilfe für Menschen, die an Demenz erkrankte Angehörige pflegen. Die Botschaft: Sich selbst dabei nicht verlieren.
„Ich kann noch. Ich mach‘ noch.“ Diese Sätze hört Gabriele Buchholz vom Caritasverband Gladbeck nur allzu häufig. Und sie ahnt doch: Eigentlich geht’s nicht mehr, weil die Menschen, die ihre an Demenz erkrankten Angehörigen daheim aufopferungsvoll pflegen, die wichtigste Person aus dem Blick verlieren: sich selbst. Für pflegende Angehörige hat die Caritas drei Gesprächskreise eingerichtet, in denen sich die Männer und Frauen austauschen können, in denen sie sich gegenseitig Tipps geben, in denen sie von ihren Sorgen erzählen oder ganz einfach nur zuhören. In diesem Jahr, kündigt Gabriele Buchholz an, wird wahrscheinlich eine vierte Runde eingerichtet.
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Der erste Samstag im Monat ist den Frauen und Männern heilig. Sie treffen sich in der Tagespflege im Johannes-van-Acken-Haus unter der Leitung von Marie Luise Schulte im Walde und machen eigentlich nicht viel mehr als zu reden – über ihre erkrankten Angehörigen, über Pflege, über Kosten, aber insbesondere über sich selbst. „Der Gesprächskreis hat mir wirklich geholfen,“ sagt eine Teilnehmerin. „Man fühlt sich nicht so gottverdammt alleine.“
Schätzung: Nur 20 Prozent aller pflegenden Angehörigen greifen auf Hilfe von außerhalb zurück
Die einen bringen ihre Angehörigen mit, die im Nachbarraum betreut werden, bei den anderen, deren Angehörige bettlägerig sind, springen die Kinder für die Zeit des Gesprächskreises bei der Betreuung ein. Der Mann von Beate Werther lebt mittlerweile in einem Heim. Der Gesprächskreis hat ihr geholfen sich einzugestehen, dass sie die Pflege ihres schwerkranken Mannes – er hat den Pflegegrad 5 – nicht mehr alleine wuppen konnte. Aber sie kommt weiterhin, um anderen von ihrem Weg zu erzählen, aber auch um aufgefangen zu werden, wenn Zweifel aufkommen, ob sie die richtigen Entscheidungen getroffen hat. Aber letztlich weiß sie: „Meinem Mann geht’s gut im Heim.“ Er freue sich, wenn sie ihn besuche, sie freue sich, ihn zu sehen. „Wir haben uns wieder neu verliebt.“ Und sie könne daheim endlich wieder schlafen.
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Gabriele Buchholz schätzt, dass nur 20 Prozent aller pflegenden Angehörigen auf Hilfe von außerhalb zurückgreifen. Dabei gibt es ein großes Spektrum an Unterstützung – angefangen von dem Gesprächskreis über Pflegedienste und die Tagespflege bis hin zur Pflege in einem Heim. Jeden Fall müsse man individuell betrachten, sagt die Expertin. Wichtig sei es aber stets, auch auf sich selbst zu achten. „Sie müssen auf sich aufpassen“, sagt sie den Ratsuchenden, denn wenn die pflegenden Angehörigen ausfielen, dann sei niemandem geholfen.
Pflege ist Schwerstarbeit, weiß Gabriele Buchholz
Auf sich selbst aufpassen? Leichter gesagt als getan. Auch Beate Werther hat sich mit der Pflege ihres Mannes übernommen und musste selbst – vollkommen erschöpft – ins Krankenhaus eingeliefert werden. Man habe so oft ein schlechtes Gewissen, weil man sich scheinbar zu wenig kümmere, berichten andere Teilnehmerinnen der Gesprächsrunde. Dabei sei Pflege, sagt Gabriele Buchholz, Schwerstarbeit. Und man solle sich nichts vormachen: Niemand könne auf Dauer eine Pflege rund um die Uhr leisten. „Irgendwann klappt’s nicht mehr.“
Demenz sei eine Krankheit, die den geliebten Menschen verändere, erklärt die Fachfrau des Caritas-Verbandes. Ihre Ratschläge für die betroffenen Angehörigen: nicht mit den Erkrankten diskutieren, die aufgrund ihrer Demenz selbst keine Entscheidungen mehr treffen können, keine schlechte Stimmung aufkommen lassen. Sie empfiehlt, im Vorfeld keine Versprechungen abzugeben, zum Beispiel dem erkrankten Partner zu versichern, dass man ihn nicht in ein Heim geben werde. „Sie wissen nicht, ob sie dieses Versprechen halten können. Wenn nicht, ist es für Sie selbst am schlimmsten“, sagt sie. Ein guter Kontakt zum Hausarzt sei wichtig, und ein vorsorgender Blick in die Zukunft auch. So sollte man sich rechtzeitig um einen Pflegeplatz kümmern. Beate Werther kann das nur bestätigen: „Dann hat man innerlich ein besseres Gefühl.“
Urlaub für pflegende Angehörige? Das ist möglich
Und Gabriele Buchholz sagt immer wieder: „Machen Sie es sich schön.“ Ja, auch ein Urlaub sei für die pflegenden Angehörigen möglich. „Dafür gibt es die Kurzzeitpflege für die Erkrankten.“ Es sei vieles machbar. Eine Teilnehmerin des Gesprächskreises im Johannes-van-Acken-Haus berichtet von einer Kur, die sie in Kürze zusammen mit ihrem Mann antreten wird. Und sie strahlt dabei. Die Vorfreude ist spürbar.
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Die Demenz, die eine der schlimmsten Erkrankungen überhaupt sei, habe auch eine heilsame Wirkung. „Sie zeigt uns“, sagt Gabriele Buchholz, „dass wir uns aufs Wesentliche konzentrieren sollten und uns das Leben schön machen sollen.“ Mitunter seien es nämlich die kleinen Dinge, die wertvolle Impulse geben würden.
Der Gesprächskreis soll Kraft geben
Der Gesprächskreis schließt mit einem gemeinsamen Imbiss im Café des Johannes-van-Acken-Hauses und einem Kaffee zusammen mit den Erkrankten. Das Treffen soll Kraft geben, sagt Marie Luise Schulte im Walde, damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Überzeugung sagen: „Ich kann noch. Ich mach‘ noch.“
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>> Die Caritas informiert über die Gesprächskreis für Angehörige von Menschen mit Demenz unter der Telefonnummer 0 20 43 / 37 34 54 oder per E-Mail an gabriele.buchholz@caritas-gladbeck.de.