Gladbeck. Manchmal sei sie kurz davor gewesen, sich scheiden zu lassen – eindringlich schildern Angehörige, wie schwer die Pflege ist und wo es Hilfe gibt.
Wer nicht selbst betroffen ist oder war, kann sich kein Bild davon machen, was es bedeutet, sich um einen an Demenz erkrankten Menschen zu kümmern, hilflos zuzusehen, wie seine geistigen Fähigkeiten schwinden, wie er sich verändert, wie schwer es auch körperlich ist, ihn bei fortschreitender Krankheit zu pflegen, das eigene Leben ganz hintenan zu stellen.
Im Gesprächskreis für pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz des Caritasverbandes Gladbeck treffen sich Betroffene, die alle Ähnliches erleben. „Jeder weiß, wovon der Andere spricht. Man kann alles loswerden, was einen belastet, kann weinen, lachen, schreien. Man muss sich nicht verstellen“, beschreibt Beate Werther, was ihr diese monatlichen Zusammenkünfte bedeuten.
Zuletzt war die Situation so schlimm, dass sie sich scheiden lassen wollte
Die 70-Jährige hat ihren dementiell erkrankten Mann fünf Jahre zu Hause gepflegt. Dann empfahl ihr die Hausärztin, Kontakt zum Caritasverband aufzunehmen. Von Gabriele Buchholz, Stabsstelle Netzwerkarbeit, bekam sie wertvolle Informationen über mögliche Hilfen: „Zuerst ist mein Mann zwei Tage pro Woche in die Tagespflege gegangen, dann habe ich die Möglichkeit der Kurzzeitpflege in Anspruch genommen, und seit November vergangenen Jahres lebt er dauerhaft in einer Senioreneinrichtung.“
Eine schwere Entscheidung sei das für sie gewesen, aber: „Die letzte Zeit mit ihm zu Hause war so schlimm, dass ich mich scheiden lassen wollte. Ich konnte einfach nicht mehr. Dank der Unterstützung, auch im Gesprächskreis, ist jetzt alles gut. Mein Mann fühlt sich sehr wohl, wir sind beide glücklich, und ich habe mich neu in ihn verliebt.“
Ehemann einer Gladbeckerin litt 17 Jahre an Demenz
Ingrid Hollmanns Mann ist im vergangenen Jahr gestorben. 17 Jahre litt er an Demenz. Eine zunehmend schlimme Zeit für die 78-Jährige: „Er konnte zuletzt nicht mehr laufen, nicht mehr sprechen, nicht mehr allein essen. Das alte Leben gab es nicht mehr, Freunde haben sich zurückgezogen. Irgendwann existiert man als pflegende Angehörige nur noch.“
Auch sie hat dank des Caritasverbandes Hilfe gefunden. Sozial-Pädagogin Marie Schulte im Walde, die auch die drei Gesprächskreise leitet, kam regelmäßig für zwei Stunden zu ihr nach Hause, hat sich um den Kranken gekümmert. Ingrid Hollmann: „Ich konnte mir endlich kurze Auszeiten nehmen.“ Tagespflege war der nächste Schritt: „Erst wollte mein Mann nicht, aber dann hat er morgens schon darauf gewartet, dass er abgeholt wird und sich richtig wohlgefühlt mit den anderen.“
Teilnehmer sind froh über Tipps und Informationen bei den Treffen
Reinhold Melles ist vor einem halben Jahr zum Gesprächskreis gestoßen. Die Schwester seiner Frau, die im selben Haus wohnt, ist an Demenz erkrankt. „Erst fällt es einem gar nicht auf. Jeder vergisst ja mal etwas. Irgendwann aber waren die Zeichen nicht mehr zu übersehen“, erzählt er. Der 73-Jährige ist froh, dass er bei den monatlichen Treffen Tipps und Informationen bekommen hat von Marie Schulte im Walde und von den Anderen, die nachfühlen können, dass sogar seine Ehe unter der Pflege der Schwägerin litt. Wenn auch „mit Bauschmerzen“ haben er und seine Frau die Kranke vor zwei Wochen in einer Pflegeeinrichtung untergebracht. „Im Gesprächskreis möchte ich aber bleiben. Das Miteinander hilft auch in dieser Situation.“
Erkrankte werden während der Treffen betreut
„Der Gesprächskreis ist mein Anker.“ „Jeder hier weiß, wovon ich rede.“ „Mein Mann ist krank, ich nicht. Ich möchte noch etwas leben.“ Solche und ähnliche Sätze hört Marie Schulte im Walde, die Leiterin der Gesprächskreise für pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz, häufig. Sie weiß, wie wichtig und wertvoll ihre Ratschläge und der Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen ist.
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Gabriele Buchholz, beim Caritasverband Gladbeck Ansprechpartnerin für pflegende Angehörige (nicht nur dementiell Erkrankter), betont, der wichtigste erste Schritt sei die Beratung. Ersatzpflege, Verhinderungspflege, Pflegesachleistungen, Tagespflege . . . Kaum ein Laie kennt sich ohne fachkundige Beratung in diesem Dschungel der Pflegekassenleistungen aus. „Viele Betroffene wissen gar nicht, welche Hilfen sie in Anspruch nehmen können. Das aufklärende Gespräch öffnet ihnen viele Türen, und dank unserer guten Vernetzung kann man alle Hilfen aus einer Hand bekommen.“
Unterstützung seitens der Barmer ermöglicht der Gladbecker Caritas dieses Angebot
Die Gesprächskreise samt der parallelen Betreuung der Erkrankten durch Gertrud Kuhlmann könne der Caritasverband nur dank der langjährigen finanziellen Unterstützung des Kooperationspartners Barmer „in dieser Zuverlässigkeit und Kontinuität anbieten“, sagt Buchholz. Als während der Corona-Pandemie Treffen in größeren Gruppen ausfallen mussten, habe die Krankenkasse Hausbesuche und Kleingruppen-Zusammenkünfte ermöglicht. „Damit konnten wir akute Situationen auffangen.“
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Jetzt läuft alles wieder, mit Ausnahme der Testpflicht, wie vor Corona. Zwei Gesprächskreise treffen sich am 1. Samstag im Monat von 10 bis 12 Uhr bzw. von 13.30 bis 15.30 Uhr, einer am 3. Samstag im Monat von 15 bis 17 Uhr im Caritas-Seniorenzentrum Johannes-van-Acken-Haus, Rentforter Straße 30. Im Anschluss kommen die Erkrankten und ihre pflegenden Angehörigen zum Essen in der Cafeteria des Hauses zusammen.
In den Gesprächskreisen sind Plätze frei. Ansprechpartnerin: Gabriele Buchholz, Tel. 02043-373454, Mail gabriele.buchholz@caritas-gladbeck.de