Gladbeck. Gladbecker Schulen ordnen das miserable Mathe-Abschneiden in der Pisa-Studie ein. Warum oft eher die Sprache als das Rechnen das Problem ist.

Mathematik ist beinahe in allen Schulen ein Problemkind und für viele Schüler das Problemfach Nummer eins. Kein Wunder also, dass gerade in diesem Fach die Pisa-Studien-Ergebnisse erschreckend schlecht ausfallen? Und wie kann man Kinder wieder für Mathe begeistern? Wird Mathe in Zukunft zu einem noch größeren Problem werden? Vier Gladbecker Schulen, eine Hauptschule, eine Gesamtschule, eine Realschule und eine Grundschule geben Einblicke.

Die Gladbecker Lambertischule

In der Lamberti-Grundschule in Gladbeck gibt es mehr Kinder, die geringe Fähigkeiten in Mathe aufweisen. Ein großes Thema spielten dabei die „Wahrnehmungsbereiche“, erklärt Schulleiterin Cäcilia Nagel (59). Oftmals seien auch Grundvoraussetzungen nicht da, etwa bis zehn oder 20 zu zählen.

Cäcilia Nagel, Schulleiterin der Lambertischule, setzt mit ihren Gladbecker Kollegen in Sachen Mathe auf „Wahrnehmungsdiagnostik“.
Cäcilia Nagel, Schulleiterin der Lambertischule, setzt mit ihren Gladbecker Kollegen in Sachen Mathe auf „Wahrnehmungsdiagnostik“. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Schon kleinere Schwierigkeiten wie Probleme „rückwärtszulaufen“ (rückwärtszudenken), haben entsprechende „Auswirkungen auf das Gehirn“ und bescheren Kindern Probleme beim Subtrahieren und Dividieren. Diese Fähigkeiten müssen zunächst erlernt und trainiert werden. Zu Beginn der Grundschulzeit führt die Lambertischule eine Wahrnehmungsdiagnostik durch, um individuelle Förderungen zu vollziehen.

Ein sprachliches Problem gibt es in der Grundschule in Mathematik nicht. Da es hier „wenig Textaufgaben und mehr einfachere Rechenaufgaben“ gibt, ist Mathe für Kinder mit Migrationshintergrund leichter, da Zahlen in allen Sprachen gleich sind und weniger sprachliche Schwierigkeiten aufkommen.

Die Erich-Fried-Schule

Schulleiter Christoph Hauptvogel ist mit dem „Mathe-Zustand“ an seiner Hauptschule zufrieden. „Natürlich gibt es einige Schwächen“, darunter das kleine Einmaleins und Nachholbedarf in einigen Themen. An der Hauptschule geht es insbesondere darum, „Lücken aufzuholen“ und „Lernbrücken zu schaffen“, um ein grundlegendes, funktionierendes Wissen aufzubauen.

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Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es an der Hauptschule nicht nur eine zusätzliche Stunde Mathe, sondern auch Förderunterricht. Die Schulleitung verrät, dass die Schwierigkeit nicht an den Rechenverfahren liegen, die „gehen gut“. Das Problem seien die Textaufgaben. Schüler seien überfordert mit dem komplexen Sachverhalt und stünden oft vor der Frage „Was soll ich jetzt machen?“ Um Schülern die Zusammenhänge näherzubringen, arbeitet die Schule mit „spielerischen“ Methoden, Knobel-Aufgaben und Herausforderungen, um die Bereitschaft zu fördern.

Ein weiteres Problem zeige sich auch in der Motivation und Eigenleistung zu Hause. Besonders auffällig: Wer in einem fordernden Elternhaus lebt oder an Betreuungsangeboten teilnimmt, weist ein positiveres mathematisches Verständnis vor als Schüler ohne Unterstützung, beziehungsweise Interesse der Eltern an den Schulleistungen.

Erich-Kästner-Realschule

Mit MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) als Schwerpunkt schneidet die Erich-Kästner Realschule „besser“ ab „als andere Schulen“ in Gladbeck, so Schulleiter Ulrich Elsen. Hier gibt es mehr Schüler, die sich für Mathe begeistern und dementsprechend mehr Interesse und Wissen zeigen können.

Eine Besonderheit ist vor allem die freie Mathe-Lehrerauswahl der Schüler, die sehr gut funktioniert. Seit etwa sieben bis acht Jahren können Schüler des neunten und zehnten Jahrgangs nach jeder Klausur den Mathelehrer wechseln. Die Lehrer, die freiwillig an diesem Programm teilnehmen, arbeiten parallel, damit das Konzept funktioniert. Insgesamt achtmal können Schüler den Mathelehrer wechseln, natürlich aber mit Begründung. Das Konzept sei für alle von Vorteil, denn es gibt weniger Argumente wie „der Lehrer mag mich nicht“ oder „mit dem komme ich nicht zurecht“. Außerdem sind die Klassen kleiner. Fünf Mathelehrer stehen drei Klassen zur Auswahl. Es koste zwar Geld, doch das Ergebnis zählt und sei es wert. Um rund eine Schulnote verbessern sich Schüler durch diese freie Wahlmöglichkeit, so Elsen

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Zusätzlich gibt es Förderunterricht, den Schüler selbst in den benötigten Fächern anwählen. Elsen ist der Meinung, dass die Schüler ein gutes Gespür dafür hätten, in welchen Fächern sie Hilfe brauchen.

Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule

Auch an der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule wird Unterstützung angeboten, berichtet Schulleiterin Alrun ten Have (62). Ab dem zehnten Schuljahr gibt es eine verpflichtende Zusatzstunde für verschiedene Fächer, auch in Mathe, je nach Schwäche des Schülers. Ten Have merkt an, dass nur ein kleiner Teil ihrer Schülerschaft Mathe als Lieblingsfach bezeichnet. Beliebter seien sprachliche Fächer, in denen man sich freier entfalten kann. Mathe hat einen Nachteil: „Es gibt nur eine richtige Lösung“.

Statt Taschenrechner ab Klasse neun oder zehn, kennen schon die Kleinen den Taschenrechner auf dem Handy. Das Training im Kopf werde durch die technischen Möglichkeiten zunichtegemacht.

Alrun Ten Have, Schulleiterin der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule in Gladbeck, weiß, dass Schülern oft der praktische Bezug zur Mathematik fehlt.
Alrun Ten Have, Schulleiterin der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule in Gladbeck, weiß, dass Schülern oft der praktische Bezug zur Mathematik fehlt. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Eine weitere Schwierigkeit sind auch hier die vermehrten Textaufgaben. Wer nicht fit in der Sprache ist, hat oft Probleme mit solchen Aufgaben. Aus einem Satz müssen Schüler die Problemstellung erkennen. Wie ist die Aufgabe zu lösen? Das „Verständnis der Aufgabenstellung“ und nicht die Anwendung der Mathematik stellen das Problem dar.

Außerdem stellt sich des Öfteren die Frage: „Wofür brauche ich das? Den Bezug zum Alltag erfahren Schüler in dem Alter noch nicht.“ Wofür also Sinus/Cosinus und Satz des Pythagoras lernen? An der Gesamtschule gebe es immerhin keinen Mangel an Fachlehrkräften, aber ein Mathelehrer mehr in der Oberstufe wäre besser, sagt Ten Have. Auch für die Zukunft macht sich die Schulleitung keine Gedanken, da auch viele „Seiteneinsteiger“ als Lehrkräfte Mathematik mitbringen.

Gladbecker Schulleiter: Kinder kommen mit weniger Vorkenntnissen in die Grundschule

Laut der Pisa-Studie schneiden immer mehr Schüler im Fach Mathematik schlechter ab. Laut Ulrich Elsen (Erich-Kästner-Realschule) liege es bereits daran, dass Kinder mit weniger Vorkenntnissen in die Grundschulen kämen. Dort müsse dann Grundlegendes aufgeholt werden, weshalb die Schüler mit weniger Wissen an die weiterführenden Schulen kommen. Ein weiteres Problem seien auch die digitalen Möglichkeiten, die zu weniger eigenständigem Denken führen.

Auch Alrun ten Have (Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule) teilt die Meinung zu den digitalen Medien, die zur Vernachlässigung des Mathe-Trainings führen. Teilweise seien aber auch die Aufgaben in den Tests zu schwer, besonders in Grundschulen im VERA Vergleich im dritten Schuljahr, so Cäcilia Nagel (Lambertischule-Grundschule).