Gladbeck. Gladbeck plant fest mit dem A52-Tunnel und betont die Chancen. Kritiker sehen das Risiko. Warum die Antwort darauf schwierig ist. Eine Analyse.

Gladbeck ist eine kleine, dicht besiedelte Stadt. Flächen für neuen Wohnraum oder auch für die Ansiedlung von Gewerbe gibt es kaum noch. Vor dem Hintergrund sieht die Verwaltung die Pläne für den Bau der A52, und insbesondere den Bau eines Tunnels, für eine echte Chance für die Stadt. Oberhalb der Autobahn und auch rechts und links eröffne sich die Möglichkeit, die Stadt neu zu entwickeln, wirbt Stadtbaurat Volker Kreuzer dafür, auch die mit diesem Projekt verbundenen Chancen für Gladbeck zu sehen.

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Die zusätzliche Fläche für Wohnen aber gerade auch Gewerbe brauche die Stadt, sagt der Stadtbaurat, der als Dezernent auch für die Wirtschaftsförderung verantwortlich ist. Die Stadt müsse investieren, profitiere am Ende aber auch davon. Den Kauf der Grundstücke entlang der Trasse sieht man bei der Verwaltung als gutes Invest. Mit Vollendung von 37 Grad Nordost seien die Flächen mehr Wert und könnten entsprechend den Vorgaben der Stadt vermarktet werden.

Stadt Gladbeck will das Heft des Handelns in der Hand behalten

Es gehe eben auch darum, gewappnet zu sein, das Heft des Handelns in der Hand zu haben und die Flächen nicht irgendwelchen Spekulanten zu überlassen. Auch deshalb habe man in einem Fall das städtische Vorkaufsrecht gezogen, sagt Kreuzer.

Diese Visualisierung der Autobahn GmbH zeigt, wie die südliche Tunneleinfahrt in Gladbeck aussehen könnte.
Diese Visualisierung der Autobahn GmbH zeigt, wie die südliche Tunneleinfahrt in Gladbeck aussehen könnte. © Autobahn GmbH | Autobahn GmbH

Das Projekt sie such eine Chance, die Einnahmesituation der Stadt zu verbessern, so Kreuzer mit Blick auf die Haushaltslage. Dafür sei es wichtig, Unternehmen nach Gladbeck zu holen, die hier Gewerbesteuer zahlen. Denn Sparpotenzial gebe es nicht mehr, sagt der Dezernent mit Blick auf die vergangenen Haushaltsberatungen. Und die Hausbesitzer durch immer höhere Grundsteuern zur Kasse zu bitten, sei auch keine Lösung. Auch deshalb spricht Volker Kreuzer beim Blick auf die Tunnelplanungen und das Projekt 37 Grad Nordost“ von einer Chance für die Stadt, die zudem auf diese Weise zusammenwachse.

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Doch ist der Bau des Tunnels tatsächlich so sicher? Kritiker bestreiten das. Kreuzer verweist hier auf die Vereinbarung zwischen Land und Stadt, die der damalige Landesverkehrsminister Michael Groschek unterzeichnet hat. Dazu gehört auch ein Eckpunktepapier, in dem der Tunnelbau festgehalten wurde. Franz Kruse vom Bürgerforum hält dagegen. Denn inzwischen habe die bundeseigene Autobahn GmbH die Planungshoheit. Der Bund aber habe diese Vereinbarung nie unterschrieben. „Damit ist auch die Unterschrift des Landesministers bedeutungslos geworden. Die ganze ohnehin zweifelhafte Geschichte ist damit nur noch Altpapier“, so sein Urteil.

Gesetzliche Grundlage der Planung ist der Bedarfsplan für Bundesfernstraßen

Ist das so? Eine Nachfrage bei der Niederlassung Westfalen der Autobahn GmbH bringt keine Antwort, lediglich den Hinweis, sich ans Bundesverkehrsministerium zu wenden. Dort verweist eine Sprecherin auf den Bedarfsplan für die Bundesfernstraße. Nach diesem Plan erfolgt der Ausbau unter anderem der Autobahnen in ganz Deutschland. Er wird vom Bundestag beschlossen. Ein Projekt darin ist auch der Umbau der B224 zur A52 – zuletzt noch mit der Dringlichkeitsstufe „Vordringlicher Bedarf – Engpassbeseitigung (VB-E) versehen. „Damit besteht für die Autobahn GmbH des Bundes ein gesetzlicher Auftrag, den Ausbau zu planen und umzusetzen. Die Autobahn GmbH des Bundes setzt die eingeleiteten Projektplanungen daher konsequent fort“, so die Sprecherin aus Berlin weiter. Derzeit befinde sich die Maßnahme mit der Aufstellung des technischen Entwurfs in einer noch frühen Planungsphase. „Im Entwurf ist auch der Bau eines Tunnelabschnitts vorgesehen.“

Der Planungsbereich des Projekts 37 Grad Nordost beinhaltet auch die Oberfläche des Tunnels.
Der Planungsbereich des Projekts 37 Grad Nordost beinhaltet auch die Oberfläche des Tunnels. © funkegrafik nrw | Anna Stais

Auf diese Gesetzesgrundlage verweist auch die Verwaltung bei ihren Planungen. Es gehe darum, sich in die laufenden Planungen der Autobahn GmbH einzubringen, um auch die Anforderungen vor Ort umsetzen zu können, begründet die Verwaltung ihr Vorgehen. Deshalb könne man auch nicht warten, bis ein Planfeststellungsbeschluss für den Autobahnbau vorliege, so Volker Kreuzer. Denn die Infrastruktur auf dem Tunnel, die Straßen und Wege, würden ja sofort gebraucht.

Stadt Gladbeck plant großen Regenwasserkanal entlang der Autobahntrasse

Außerdem will die Stadt mit der Autobahn weitere Infrastrukturprojekte realisieren. Geplant ist ein großer Regenwasserkanal parallel zur Trasse. Rund 1,2 Kilometer lang soll er werden, mit einem Durchmesser von zwei Metern und einem Fassungsvermögen von 3500 Kubikmetern. Von der Heinrich-Krahn- bzw. Erlenstraße soll er bis zur Goethestraße verlaufen. Das müsse in die jetzt laufenden Planungen eingebracht werden, andernfalls könne man ein solches Projekt nicht realisieren, sagt der Stadtbaurat. Städtischen Ziele, im Zusammenspiel von Tunnel und Potenzialflächen könnten nicht früh genug formuliert werden. So könnten wichtige Belange der Stadt frühzeitig Berücksichtigung finden.

Kreuzer lobt die Zusammenarbeit mit den Planern der Autobahn GmbH. Diese seien offen für Anregungen und Wünsche der Stadt. Das sei nicht immer so bei einer Zusammenarbeit auf verschiedenen Planungsebenen, berichtet er.

Kritiker fürchten jedoch, dass der Bund den Tunnel doch nicht baut. Am liebsten wäre ihnen, die Autobahnpläne würden komplett beerdigt. Tatsächlich gibt es noch so etwas wie ein Schlupfloch, eine Einschränkung. Das Ministerium verweist auf das Fernstraßenausbaugesetz. Das schreibt vor, den Bedarfsplan, der aktuell gültige Gesetzeslage und Grundlage für die Planungen der Autobahn GmbH und der Stadt ist, regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls an aktuelle Entwicklungen anzupassen. „Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat die Überprüfung bereits eingeleitet. Nach Abschluss der Untersuchungen wird das BMDV dem Deutschen Bundestag über die Ergebnisse berichten“, so die Sprecherin.

Öffentlicher Erörterungstermin für den A52-Abschnitt in Bottrop

Die Planungen werden also weitergehen, denn: „Bis zu etwaigen Anpassungen durch den Gesetzgeber gilt der aktuelle Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen unverändert fort.“ Die Stadt sieht die Überprüfung des Plans gelassen, weist darauf hin, dass diese Einschränkung ja für alle Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans gelte. „Aus Sicht des Ministeriums ist es natürlich richtig darauf zu verweisen, dass in dem Bundesverkehrswegeplan 2040 das Projekt natürlich weiterhin aufgeführt bleiben muss. Da der Plan als Gesetz vom Bundestag beschlossen wird, können selbstverständlich keine Vorfestlegungen erfolgen.“

Mit Blick auf die Einordnung des Projektes im aktuellen Bundesverkehrswegeplan 2030 als Projekt höchster Priorität und die Festlegung des überragenden öffentlichen Interesses gebe es aus Sicht der Stadt jedoch keinen Anlass, „den seit vielen Jahren konsequent fortschreitenden Planungsprozess seitens des Bundes zu hinterfragen“. Zumal für den ersten Planungsabschnitt auf Bottroper Stadtgebiet das Planfeststellungsverfahren voranschreite. Im Dezember gab es dort einen Termin, bei dem die Einwände gegen das Vorhaben erörtert wurde. Ende 2026 / Anfang 2027 hat die Autobahn GmbH als Baubeginn in der Nachbarstadt ins Auge gefasst. Das alles spreche aus Sicht der Stadt Gladbeck nichts dafür, dass sich die Pläne hier vor Ort ändern.

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Aus dem Grund treibt die Stadt ihre Planungen auf der derzeitigen Gesetzeslage weiterhin parallel voran, so die Bekräftigung. Sehr zum Ärger der Autobahngegner. Sie fordern, alle Planungen für das Projekt „37° Nordost“ – also die Gestaltung der Tunneloberfläche aufzugeben, oder zumindest den Planfeststellungsbeschluss für das Gladbecker Teilstück abzuwarten.