Gladbeck. Das ausgedruckte rosa Rezept soll durch ein elektronisches ersetzt werden. Es läuft, doch Ärzte und Apotheker hadern mit „Geburtsfehlern“.
„Muster 16“ heißt der kleine, rosafarbene Rezeptzettel im Fachjargon. Kassenpatienten soll Muster 16 nicht mehr ausgehändigt werden. Seit Jahresbeginn sind die Arztpraxen angehalten, nur noch elektronische Rezepte auszustellen – entweder auf der Gesundheitskarte, als ausgedruckten QR-Code oder per App auf dem Smartphone. Klappt das? „Einigermaßen gut“, sagt Apotheker Ben Libor von der Einhorn-Apotheke. Auch Dorothee Pradel, Sprecherin der Gladbecker Apotheken und Inhaberin der Elefanten-Apotheke, ist überrascht, dass es in den ersten Tagen nur wenige Probleme gab. Sie hatte mit mehr Startschwierigkeiten gerechnet. Dr. Gregor Nagel, Sprecher der Gladbecker Ärzteschaft, sieht das nicht ganz so positiv.
Einig sind sich die drei Experten: Die Digitalisierung in der Medizin ist eine gute Sache. „Aber die Umsetzung ist schlecht“, sagt der Hausarzt aus Butendorf. Der klagt über Mehrarbeit und viele, viele technische Probleme. Früher habe er das zu verschreibende Medikament aufs Muster 16 gedruckt, das Rezept unterschrieben – fertig. Nunmehr sind mehrere Arbeitsschritte erforderlich, bis das Rezept korrekt ausgefüllt ist. Ein Schwachpunkt: der TI-Anschluss, über den jede Praxis verfügen muss. Er arbeite mitunter recht langsam, weiß Nagel zu berichten. „Das dauert alles deutlich länger“, berichtet der Hausarzt. Was er auf keinen Fall versäumen darf: das Rezept mit einer elektronischen Signatur zu versehen.
Gladbecker Hausarzt beklagt Mehrarbeit und technische Probleme
Und hier sehen auch Ben Libor und Dorothee Pradel die größten Startschwierigkeiten des E-Rezepts. Nicht alle Ärzte signieren das Rezept sofort. Ohne elektronische Unterschrift aber dürfen und können die Apotheker das verschriebene Medikament nicht aushändigen. In den vergangenen Tagen sei es immer wieder vorgekommen, dass man Kunden ohne Arznei habe wegschicken müssen, weil die Signatur gefehlt habe. Viele Patienten, weiß Dorothee Pradel zu berichten, gingen von der Praxis gleich in die Apotheke, die ja häufig auch unten in den Ärztehäusern oder gleich um die Ecke seien. Wenn dann die Signatur fehle, müssten sie unverrichteter Dinge wieder von dannen ziehen. „Das führt“, sagt Ben Libor, „verständlicherweise zur Verärgerung.“ Es sei eine Frage der Organisation in den Praxen, so Pradel, die guter Dinge ist, dass die Mediziner noch Routine in den Ablauf bekommen.
Von den drei Übertragungsmöglichkeiten – Gesundheitskarte, QR-Code und App – hält Libor die App für die flexibelste. Aber: Sie wird kaum genutzt, weil dafür ein Pin erforderlich ist, den zwar jeder Versicherte von seiner Krankenkasse bekommen haben sollte, den aber nur die wenigsten nutzen. „Die Gesundheitskarte“, sagt der Gladbecker Apotheker, „ist aber auch ein eleganter Weg.“ Derzeit hat Dorothee Pradel noch den QR-Code am liebsten, weil bei ihm das Problem mit der fehlenden Arzt-Signatur nicht auftauchen kann. Aber das könne ja nicht die Lösung sein, betont die Apothekerin. Der QR-Code sei letztlich nichts anderes als das ausgedruckte rosafarbene Rezept.
Für manche Verordnungen ist weiter das Rezept auf Papier vorgeschrieben
Dr. Gregor Nagel bemängelt in dem neuen System, dass die Ärzte nicht durchgehend E-Rezepte ausstellen können. Hilfsmittel wie Blutzuckertests oder Verbände beispielsweise müssen weiter auf dem Muster 16 verordnet werden. Für nicht verschreibungspflichtige Medikamente – sozusagen eine Empfehlung des Arztes – muss er grüne Rezeptzettel vorrätig haben. Und dann ist da noch das Problem mit den Seniorenheimen. Sie müssen, wenn bei Bewohnern die Medikamente zur Neige gehen, entweder die Gesundheitskarten zur Praxis bringen, damit dort das E-Rezept draufgeladen werden kann, oder sie holen in den Praxen die ausgedruckten QR-Codes ab. Apotheker Ben Libor hofft, dass der KIM-Dienst – die Abkürzung steht für Kommunikation im Medizinwesen – ans Laufen kommt. Damit sei ein vereinfachter Datentransfer möglich. Aber das ist noch Zukunftsmusik.
Derzeit sind die Beteiligten damit beschäftigt, die Geburtsfehler in den Griff zu bekommen und das System zu verinnerlichen. Er habe, sagt Gregor Nagel, ja durchaus eine Affinität zur EDV. Aber das E-Rezept überfordere auch ihn mitunter, weshalb immer wieder mal ein Techniker in der Praxis vorbeischauen müsse. Dorothee Pradel hofft, dass spätestens in einem Jahr das E-Rezept reibungslos funktioniert. Und was ist mit den Kosten? Würden prinzipiell ersetzt, sagt der Hausarzt aus Butendorf, aber gleichwohl gehe er davon aus, dass die Ärzte draufzahlen. Die Apotheker, berichtet Ben Libor, hätten die Technik über den Nacht- und Notdienstfonds finanziert, in den sie regelmäßig einzahlen. Wegen der laufenden Kosten, so Pradel, würden aber wohl auch die Apotheken drauflegen.
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Privatpatienten sind bei den E-Rezepten derzeit noch außen vor. Die Umstellung soll im Laufe des Jahres erfolgen. Dann gibt es auch für sie kein Muster 16 mehr.