Recklinghausen/Gladbeck. Warten auf eine Transplantation kann Betroffene seelisch zermürben. Das sagt der Vorsitzende der Ärztekammer Recklinghausen. Was er hofft.

Der Mediziner Dr. Hans-Ulrich Foertsch hat Patienten begleitet, denen ein Organ transplantiert worden ist. Vor allem aber hat er sich auch jener Menschen angenommen, die auf eine Organspende warten. Dass in Deutschland mehr als 8000 Patienten auf ein Organ hoffen, während die Zahl der Organspenden weiter rückläufig ist, treibt den Vorsitzenden des Verwaltungsbezirks Recklinghausen der Ärztekammer Westfalen-Lippe um.

Neuer Anlauf für die Widerspruchsregelung bei der Organspende

Alle Bemühungen, eine Trendumkehr herbeizuführen, hätten keine Lösung gebracht, konstatiert Foertsch. Dass NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) einen neuen Anlauf für die sogenannte Widerspruchsregelung bei der Organspende nimmt und NRW eine entsprechende Initiative in den Bundesrat eingebracht hat, nimmt Ulrich Foertsch erfreut zur Kenntnis. Vor rund drei Jahren war ein ähnliches Gesetz zur Widerspruchsregelung im Bundestag gescheitert.

Der Mensch ist intellektuell in der Lage, aktiv nein zu sagen, wenn er nicht als Organspender in Frage kommen möchte
Dr. Hans-Ulrich Foertsch

Bei einer Widerspruchslösung würden Menschen im Falle eines Hirntodes als Organspender gelten, wenn sie dem zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen haben. Derzeit gilt die „Entscheidungslösung“: Demnach ist eine Organentnahme nur dann zulässig, wenn der Spender zu Lebzeiten zugestimmt hat. Dr. Foertsch ist der Auffassung, dass viele Bürger im Falle ihres Todes grundsätzlich zu einer Organspende bereit wären, aber sich aus Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit keinen Organspendeausweis ausstellten. „Der Mensch ist intellektuell in der Lage, aktiv nein zu sagen, wenn er nicht als Organspender infrage kommen möchte“, plädiert der Mediziner für die Widerspruchslösung.

Das lange Warten auf eine Spender-Niere

Am häufigsten werde eine Niere benötigt, sagt Foertsch. Er berichtet von einem Fall, in dem ein Mann aus Recklinghausen sechs Jahre lang auf eine neue Niere warten musste. „Trotz Dialyse wird der Patient schleichend immer kranker, bis er am Ende den Lebensmut verliert. Ganze Familien können dabei seelisch zerstört werden.“ Auch der Patient aus Recklinghausen hat nicht mehr an ein gutes Ende geglaubt – bis er eines Tages doch noch den erlösenden Anruf erhielt, dass eine passende Spenderniere für ihn gefunden worden sei. „Nach der Operation“, so Foertsch, „war der Mann schnell wieder leistungsfähig.“

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Wenn mehr Menschen als Organspender infrage kämen, wäre schnellere Hilfe möglich, sagt der Mediziner. „Viele Betroffene wünschen sich, einfach mal wieder mit dem Enkel Fahrrad fahren zu können.“ Im Jahr 2022 wurden nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation, die jede Organentnahme in Deutschland begleitet, bundesweit 2662 Organe gespendet. Das waren 8,4 Prozent weniger als im Jahr zuvor (2905). Auch die Zahl der einzelnen Spender ging in diesem Zeitraum zurück, von 933 auf 869 (minus 6,9 Prozent).

Beim Thema Organspende, so der Mediziner, gibt es viele Falschnachrichten

Im Zusammenhang mit dem Thema Organspende kursieren nach Einschätzung von Hans-Ulrich Foertsch viele „Fake News“, die Menschen verunsichern. Zum Beispiel, dass Organe vor Eintreten des Hirntodes entnommen werden. Dem widerspricht der Mediziner vehement. „Es gibt keinen einzigen derartigen Fall.“ Jeder Schritt, jeder Handgriff stehe unter Kontrolle. Der endgültige Hirntod, so die Vorschrift, muss von zwei unabhängigen Ärzten, die selbst mit der Transplantation nichts zu tun haben, festgestellt werden.

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Trotzdem haben in den vergangenen Jahren Transplantationsskandale das Vertrauen in das System erschüttert. Einzelne Ärzte hatten medizinische Werte manipuliert, damit ihre Patienten auf den Wartelisten für das konkrete Organ nach oben rückten. Um das auszuschließen, wurden die Kontrollmechanismen auf allen Ebenen deutlich verschärft. Manipulative Angaben zum Gesundheitszustand eines Patienten sind mittlerweile ausdrücklich strafbar. Dr. Hans-Ulrich Foertsch hofft, dass die Initiative von NRW-Gesundheitsminister Laumann zeitnah Erfolg hat. Organspende, sagt der Mediziner, sei ein Akt der Nächstenliebe.

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