Pforzheim. Beim Thema Organspende bezeichnet der Bundesgesundheitsminister die Lage in Deutschland als beschämend. Seit Jahren gibt es Diskussionen, wie sich daran was ändern kann.
Mit einer Lotterie könnten aus Sicht zweier Wirtschaftswissenschaftler mehr Menschen dazu bewegt werden, sich als Organspender registrieren zu lassen.
Jeder Inhaber eines Organspendeausweises könnte automatisch an einer jährlichen Lotterie teilnehmen, bei der Preise von beispielsweise zehn, fünf und einer Million Euro verlost werden, schlagen Hanno Beck von der Hochschule Pforzheim und Aloys Prinz von der Universität Münster vor. Finanziert werden sollen die Preise demnach vom Staat oder den Krankenkassen. Die Reaktionen auf den Vorschlag sind eher zurückhaltend-kritisch. Die derzeitige Gesetzeslage lässt eine solche Lotterie auch gar nicht zu.
„Lotterien als Instrument der Wirtschaftspolitik sind in anderen Ländern durchaus üblich“, erklären die Professoren. In Ländern wie Taiwan, Malaysia, Chile, Puerto Rico, Brasilien und auf den Philippinen nehme jede Rechnung mit ihrer Registriernummer an einer Lotterie teil - so solle Steuerhinterziehung an der Ladenkasse verhindert werden. Zudem argumentieren die beiden, die öffentliche Aufmerksamkeit, die eine solche Lotterie jedes Jahr erhalten dürfte, wäre hilfreich beim Versuch, die Zahl der Organspender zu steigern.
Vorschlag derzeit nicht umsetzbar
Die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) teilte mit, grundsätzlich alle Vorschläge zur Verbesserung der Organspendezahlen gut zu finden. „Allerdings gibt es in Deutschland kein Spenderregister. Somit ist es nicht möglich, eine Verlosung unter Inhabern von Organspendeausweisen zu veranstalten“, so der Vorstand.
Das Bundesgesundheitsministerium erklärte, der Vorschlag der Forscher widerspreche dem Transplantationsgesetz. „Eine wie auch immer geartete Gegenleistung für eine Organspende steht im Konflikt mit dem gesetzlich verankerten und strafbewehrten Organhandelsverbot.“
Jeglicher Anreiz, die Spendebereitschaft zu erklären, widerspräche zudem dem Prinzip der Freiwilligkeit. „Die persönliche Entscheidung für eine Organspende sollte immer freiwillig sein“, hieß es. „Dies bedeutet, dass es weder einen rechtlichen Zwang geben darf noch dass die Entscheidung aus nicht altruistischen Erwägungen heraus getroffen wird.“ Altruismus bedeutet so viel wie Uneigennützigkeit.
Eine Kommerzialisierung kann auch aus Sicht des Gießener Rechtsprofessors Steffen Augsberg, der Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, nicht die Lösung sein. Zwar sei es keine Selbstverständlichkeit, dass Menschen Organe spenden. Das sei sogar eine Zumutung für potenzielle Spender. Dennoch müsse die Wertschätzung einer solchen Entscheidung immaterieller Art sein, betonte er.
Sonst könne es passieren, dass sich gerade Menschen mit Geldsorgen aus diesem Grund - und nicht aus tatsächlicher Überzeugung - einen Organspendeausweis ausstellen lassen. „Wir wollen auch nicht, dass jemand aus finanzieller Not eine Niere verkauft. Daher ist das verboten“, sagte Augsberg. Sei der Weg einmal eingeschlagen und führe nicht sofort zum erhofften Erfolg, laufe man außerdem Gefahr, den Preis immer weiter in die Höhe zu treiben.
Eine Lotterie sei ein spielerischer Ansatz, der vielleicht sogar die Zahl der Organspendeausweise steigen lassen könnte. „Aus normativer Sicht ist es aber zweifelhaft, dass das einer diffizilen, komplexen Situation angemessen ist“, erklärte der Professor.
Mangel an Spenderorganen
In Deutschland herrscht seit Jahren ein eklatanter Mangel an Spenderorganen. Zwar ist die Zahl der postmortalen Organspender im laufenden Jahr um elf Prozent auf 788 gestiegen, wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) vergangene Woche mitgeteilt hatte. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) machte aber deutlich, dass Deutschland im internationalen Vergleich damit nach wie vor sehr schlecht abschneide. „Das ist beschämend und für die betroffenen Patientinnen und Patienten ist es lebensbedrohlich.“
Immer wieder wird über andere Modelle oder Verfahren bei der Organspende diskutiert. Dabei geht es vor allem um eine Widerspruchslösung. Diese würde bedeuten, dass jeder Mensch erstmal automatisch als Organspender gilt, wenn er nicht widerspricht.
Andere Möglichkeiten, mehr Spenderorgane verfügbar zu machen, seien neben organisatorischen Verbesserungen zum Beispiel Änderungen bei den Vorgaben für Organspenden, sagte Augsberg. So werde derzeit die Organentnahme nach einem Herzstillstand diskutiert, die in anderen Ländern schon möglich sei. In Deutschland müssen Ärzte den Hirntod des Betroffenen feststellen. „Solche Ansätze sind zwar weniger plakativ, aber letztlich erfolgversprechender.“
Beck und Prinz sehen zwar mögliche Probleme bei ihrer Idee - etwa dass sich auch Menschen mit ungesundem Lebenswandel als Organspender registrieren lassen könnten. Dies gebe es aber auch bei allen anderen Bemühungen, Organspender zu suchen. Damit sich niemand erst kurz vor der Auslosung einen Organspendeausweis holt und danach zurückgibt, soll die Bedingung für die Teilnahme an der Lotterie laut dem Vorschlag sein, dass man mindestens ein Jahr registriert sein muss.