Gladbeck. Der Dauerregen führt dazu, dass Böden aufweichen. Bäume haben keinen Halt. Und das Wetter macht noch andere Probleme.
Die himmlischen Schleusen sind seit Tagen geöffnet – und zwar sperrangelweit. Das langersehnte Nass von oben – denken wir nur an die Hitze geplagten Bäume in Gladbeck, die nach Wasser dürsteten – entwickelt sich angesichts der aktuellen Wetterlage zum Problem. Und gefährlich kann es für (unvorsichtige) Menschen auch werden. Zumal der Deutsche Wetterdienst weiter vor ergiebigem Regen warnt.
In den nunmehr aufgeweichten Böden, die wie vollgesogene Schwämme anmuten, haben Bäume weniger Halt als sonst. Das bestätigt Ralf Nolte, Leiter des Sachgebietes Baumschutz beim Zentralen Betriebshof Gladbeck (ZBG). Sicher, besonders betroffen seien Baumarten, die ohnehin durch Hitzeperioden geschwächt sind und/oder keine tiefreichenden Wurzeln haben.
Nicht nur Buchen verlieren Standfestigkeit
Doch nicht nur alte, kranke Bäume, beispielsweise Buchen im Wittringer Wald seien in ihrer Standhaftigkeit gefährdet. Der Baumkontrolleur stellt fest: „In diesem aufgeweichten Boden haben Bäume generell Probleme. Das betrifft alle Baumarten.“
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Im Stadtgebiet, so berichtet der Fachmann, seien bereits mehrere Bäume umgestürzt, darunter eine Roteiche und ein Ahorn. Nicht nur der Bestand im Wittringer Wald könne in der derzeitigen Wetter-Situation instabil werden. Zwischen Erlenstraße und Offermannshof seien ebenfalls Bäume entwurzelt und gekippt.
Den Wittringer Wald komplett absperren?
Der Dauerregen stellt nur ein Risiko dar. „Wenn Wind dazukommt, wird‘s problematisch.“ Denn gerade große und alte Bäume haben wenig Schutz. Nolte erklärt: „Wir sperren zurzeit keine Bereiche ab, weil wir keine dramatische Sturmwarnung haben.“ Den Wittringer Wald komplett abzuriegeln, sei fast unmöglich. Denn: „Dann müssten wir alle Eingänge sperren.“ Kaum machbar.
Noltes Einschätzung: „Nur bei Sturm wird es brisant, ansonsten ist die Lage jetzt nicht kritisch.“ Als Baumkontrolleur werfe er stets einen prüfenden Blick in die Kronen. Spaziergängern und Gassigehern rät er, bei (böigem) Wind nicht ausgerechnet Waldstücke aufzusuchen.
Immer wieder fallen kranke, instabile Bäume – gerade im Wittringer Wald – aus Verkehrssicherheitsgründen der Säge anheim. Gerade erst, im Dezember, wurden im Bereich Harsewinkelstraße 25 bis 30 dicke Buchen gefällt. Diese einstigen Prachtexemplare streckten sich bis zu 50 Meter in den Himmel, die Stammdurchmesser betrugen bis zu 100 Zentimeter. Übrig geblieben ist lediglich ein Holzstapel. Doch die Fällungen seien notwendig gewesen: „In dem Gebiet laufen ja doch sehr viele Menschen.“
Ist der gegenwärtige Regen also mehr Fluch denn Segen? Nolte verneint. „Der Regen ist schon Segen, weil die Grundwasserspeicher wieder aufgefüllt werden. Wir haben über Jahre ein Niederschlagsdefizit verzeichnet“, führt der Experte aus.
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Jedoch seien die natürlichen Verhältnisse schwierig. Der Baumkontrolleur stellt dar: „In Wittringen haben wir die Problematik, dass der Boden sehr verdichtet ist, sodass alle Baumarten nur flach wurzeln können. Sie kommen kaum durch die Mergel- und Lehmschichten – außer vielleicht die Stieleiche.“
In der Stadtverwaltung Gladbeck laufen Meldungen ein
Entspannt wie ZBG-Spezialist Ralf Nolte sehen auch die Fachleute in der Stadtverwaltung die Situation. David Hennig konstatiert: „Insgesamt bereiten uns die Regenfälle in Gladbeck aktuell wenig akute Probleme.“ Allerdings, so räumt der Gladbecker Rathaus-Sprecher ein: „Wir erhalten derzeit Meldungen über Straßenabläufe, an denen das Wasser steht.“ Diese Hinweise arbeite das Ingenieuramt nach und nach ab. „Hier kann es aber aufgrund der Vielzahl an Meldungen im Einzelfall etwas dauern“, so Hennig.
Fachleute der Stadtverwaltung haben nach seinen Ausführungen im vergangenen Jahr alle Abläufe, gemeinhin „Gullys“ genannt, gereinigt. Wenn sie denn erreichbar waren und nicht etwa durch Autos zugeparkt waren. „Durch den jüngsten Sturm oder anderweitige neue Verschmutzungen kann es aber erneut zu Verstopfungen kommen“, bemerkt David Hennig.
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Die Feuerwehr habe bislang nur vereinzelt zu kleineren Einsätzen ausrücken müssen, „wenn zum Beispiel ein Keller richtig vollgelaufen ist“. Der Stenzteich sei leicht über das Ufer getreten. Aber: „Auch hier ist die Lage im Griff.“
Beim Verfüllen von Schlaglöchern stelle sich der anhaltende Regen zudem als Hindernis heraus. „Das Material zum Füllen der Löcher hält nicht auf dem nassen Untergrund“, erläutert der Stadtverwaltungssprecher.
Ilias Abawi zeigt sich ebenfalls gelassen: „Im Bereich der Emscher, Boye und Nebenläufe haben wir keine Schwierigkeiten.“ In 30 Jahren seien sie „so renaturiert worden, dass sie große Wassermassen fassen“, verweist der Sprecher von Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) auf Veränderungen einstiger Bäche, noch als Köttelbecke bekannt. Zu dem System gehört auch in Gladbeck ein Regenrückhaltebecken nahe der Boye am Pelkumer Feld.
Der Experte erzählt: „Das waren früher begradigte Betonrinnen, die Wasser schnell abgeführt haben. Diese Trassen hatten nicht so viel Fassungsvermögen wie beim heutigen System. Aber der Hochwasserschutz war damals schon sehr gut und wurde durch die Renaturierung noch einmal verbessert.“
Sprecher der Emschergenossenschaft: „Wir rechnen mit keiner Überflutung“
Abawi stellt für Gladbeck klar: „Wir rechnen mit keiner Flutwelle oder Überflutung.“ Die hiesigen Gegebenheiten seien nicht vergleichbar mit den Problemen an Rhein und Lippe. „Wir haben hier keinen großen Hauptfluss, sondern die Boye plus Nebengewässer.“ Und bei denen handelt es sich ja eher um Bäche.
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