Gladbeck. Mit Hoffnung und Vorschusslorbeeren war der grüne Lieferdienst in Gladbeck gestartet. Er sollte den Handel vor Ort stärken. Jetzt das stille Aus.

Einkauf vor Ort, dazu die bequeme Lieferung nach Hause – so lautete das Versprechen von Eagle Delivery, dem grünen Lieferdienst, der Mitte Mai in Gladbeck an den Start ging. Ein gutes halbes Jahr später kommt jetzt das offizielle Aus. Das Projekt Eagle Delivery sei zum Jahresende ausgelaufen, teilt Stadtsprecher David Hennig auf Nachfrage mit. Das deutliche Fazit der Stadt: „Das Angebot wurde nicht angenommen und hat in dieser Form in Gladbeck nicht funktioniert“, so der Stadtsprecher. Als Forschungsprojekt war es eingebunden in das öffentlich geförderte Projekt „GlaMobi – Gladbecker Mobilität für alle“.

Das Angebot wurde nicht angenommen und hat in dieser Form in Gladbeck nicht funktioniert.
David Hennig

Im Januar 2023 hatten die Stadt Gladbeck und der Bochumer Anbieter e-cargo eine Vereinbarung unterschrieben, mit dem Ziel, in Gladbeck einen umweltfreundlichen Lieferdienst zu etablieren. Erklärtes Ziel der Vertragspartner war es, den lokalen Handel zu stärken. So sollte von der Plattform Eagle Delivery auf Online-Shops Gladbecker Händler verlinkt werden. Kunden hätten dann dort bestellen und sich ihre Bestellung per Lastenrad liefern können. Gleichzeitig wäre es auch möglich gewesen, vor Ort einzukaufen, sich die Ware dann aber schicken zu lassen.

Fünf Gladbecker Händler hatten sich Eagle Delivery angeschlossen

Am Ende lässt sich feststellen, dass auf der Internet-Seite des Gladbecker Lieferdienstes gerade einmal fünf lokale Geschäfte gelistet sind. Der Erfolg bei der Akquise war also überschaubar. Das sagt auch die Stadt Gladbeck. David Hennig: „Letztlich gab es trotz starker Akquisebemühungen durch Umweltabteilung und Wirtschaftsförderung keine Fahrten in Gladbeck, da sowohl von Seiten der Händlerschaft als auch von Seiten der Kundschaft keine Nachfrage nach dem ‚grünen Lieferdienst‘ bestand“.

Dirk Fromme, Geschäftsführer von e-cargo berichtet auch von mehreren Terminen und gemeinsamen Bemühungen, das Projekt in Gladbeck vorzustellen und auch den Handel vor Ort zur Teilnahme zu bewegen. Man sei auf die Händlerschaft zugegangen, Fromme spricht in dem Zusammenhang auch vom „Klinkenputzen“. Dabei sei der Auftrag von e-cargo innerhalb des Projekts eigentlich lediglich der Transport der Pakete gewesen. Einen Grund für das Scheitern in Gladbeck sieht er auch in den vielen großen Filialisten, die vor Ort vertreten sind. Dort sind die Entscheidungswege oft länger und es sei eben nicht der Verantwortliche vor Ort, der in so einer Frage das letzte Wort hat.

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Zumal es in solchen Unternehmen in der Regel auch so sei, dass Onlinebestellungen aus Zentrallagern kommen. Für einen lokalen Lieferdienst müssten dieses System umgebaut werden. Laut Fromme gebe es erste große Unternehmen, die das in den Metropolen testeten, doch für Gladbeck sei das eben noch nicht vorgesehen. Als Lieferdienst jedoch sei man bis zum letzten Tag des Jahres vor Ort gewesen, habe ein Fahrzeug parat stehen gehabt, um bei möglichen Auslieferungen sofort reagieren zu können, macht Fromme deutlich. Von der ursprünglich angedachten Anmietung eines Ladenlokals habe man angesichts der geringen Resonanz jedoch abgesehen, um sorgsam mit öffentlichen Geldern umzugehen.

Gladbecker Lieferdienst war Teil eines Forschungsprojekts

Aber: Letztlich sei es ein Forschungsprojekt gewesen, das schließe eben auch mit ein, dass man scheitern könne. Nach der nun beendeten aktiven Phase schließe sich jetzt eine wissenschaftliche Auswertung an. Dafür würde auch der Einzelhandel vor Ort noch einmal befragt. Danach könne man mehr zu den Gründen sagen, warum es in Gladbeck nicht funktioniert hat und daraus Lehren ziehen.

Auch die Stadt verweist auf die nun anstehende wissenschaftlich Evaluation seitens der Universität Duisburg-Essen und die damit verbundene Händlerbefragung. „Die Ergebnisse sollen Rückschlüsse auf benötigte Rahmenbedingungen und Faktoren, die ein Gelingen fördern oder erschweren, ermöglichen.“ Denn dass so ein Projekt funktionieren kann, sehe man in Bochum, sagt Dirk Fromme. Mit e-cargo betreibt er dort seit vier Jahren einen Lieferdienst, der gut angenommen werde, bei dem sich auch größere Händler beteiligen. Gerade jetzt vor Weihnachten sei man in Lieferungen untergegangen, berichtet der Geschäftsführer. „In Bochum ist das Projekt etabliert, wir haben Händler hier, die uns täglich mit Paketen versorgen.“

Gladbeck als Stadt kurzer Wege braucht so einen Lieferdienst nicht

Zurück nach Gladbeck: Der Vorsitzende des Einzelhandelsverbands, Gregor Hahne, sieht in dem Projekt ein Beispiel dafür, dass Fördertöpfe angegangen würden, ohne zu prüfen, ob der Bedarf vor Ort bestehe. Aus seiner Sicht ist Gladbeck eine Stadt der kurzen Wege und der guten Nahversorgung, ein solcher Lieferdienst entsprechend nicht notwendig. Gladbecker Händler, die online unterwegs seien, seien dann in der Regel auch bundesweit im Geschäft, sagt Hahne mit Blick auf Schuhhändler Jens Große-Kreul.

In Bochum ist das Projekt etabliert, wir haben Händler hier, die uns täglich mit Paketen versorgen.
Dirk Fromme - Geschäftsführer e-cargo

Der betreibt drei stationäre Geschäfte in Gladbeck und Castrop-Rauxel, seinen Online-Shop bezeichnet er längst als vierte Filiale. Zwei Mitarbeiter kümmern sich nur um den Versand, die Ware geht von Gladbeck aus in die gesamte Welt. Es gebe kaum ein Land, in das er noch kein Paket versandt hat, sagte Große-Kreul im September gegenüber der Lokalredaktion.

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Was Hahne ebenfalls bemängelt: die aus seiner Sicht schlechte Kommunikation seitens Eagle Delivery. Es habe an offensiver Werbung und Informationen gefehlt, sagt der Vorsitzende des Einzellandesverbands. Wäre die Kommunikation innerhalb der Verwaltung besser gelaufen und hätte man eher auf diejenigen gehört, die nahe am Handel sind, hätte man vorhersagen können, dass so etwas in Gladbeck scheitert, so Hahne weiter.

Teilnehmer waren über das Auslaufen des Gladbecker Lieferdienstes nicht informiert

Katja Krischel hat sich mit ihrem Friseur- und Kosmetik-Salon Top Hair an Egale Delivery beteiligt, trotz großer Skepsis. „Ich hätte mich gern eines Besseren belehren lassen.“ Sie habe dann vor einer Woche gebeten, ihren Shop von der Internetseite zu nehmen. Dass das Projekt inzwischen beendet ist, sei den Teilnehmern nicht mitgeteilt worden.

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Soweit will man bei der Stadt nicht gehen. Es habe sich die Möglichkeit geboten, etwas Neues auszuprobieren, so David Hennig. Durch die 100-Prozent-Förderung seien der Stadt auch keine Kosten entstanden. „Welche Erkenntnisse sich letztlich aus der Befragung ableiten lassen, bleibt abzuwarten.“