Gladbeck. Förster sieht den Gladbecker Wald in einem verheerenden Zustand. In Wittringen müssen demnächst schon wieder zig tote Bäume gefällt werden.

Vertreter aus Ländern rund um den Erdball reden sich zurzeit in Glasgow beim Klimagipfel die Köpfe heiß. Was lässt sich tun, um der Erderwärmung entgegenzuwirken, Lebewesen und Natur zu retten. Ein Ziel haben gut 100 Staaten inzwischen besiegelt: Bis 2030 soll Schluss mit der Entwaldung sein. „Das Thema betrifft auch Gladbeck“, sagt Förster Markus Herber. Denn: „Der Waldzustand ist dramatisch.“ Folgen des Klimawandels haben nach Aussage des Experten verheerende Schäden hinterlassen „Wenn wir hier keine Steppe haben wollen, müssen wir etwas unternehmen.“

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Die Schäden auszubessern, wenn dies denn überhaupt möglich ist, sei ein Mammut-Problem. Zumal sich die Situation immer weiter zuspitze und verschlechtere. Der Fachmann des Landesbetriebs Wald und Holz NRW, Regionalforstamt Ruhrgebiet, würde dem hiesigen Baumbestand die Schulnote mangelhaft geben. Ein Aufschwung scheint in weiter Ferne.

Förster: „Wir wollen Wals behalten, um hier nicht irgendwann eine Steppe zu haben!“

Herber sagt: „Die Frage ist: Was machen wir? Wir wollen Wald behalten, um hier nicht irgendwann eine Steppe zu haben.“ Aufforsten – ja. Doch das ist leichter gesagt als getan. Drei Jahre Sommer mit extremer Hitze und ohne nennenswerten Niederschlag hätten dem Bestand so sehr zugesetzt, dass die Schäden auf Jahre nicht zu beheben seien, erläutert Herber. Er erinnert sich auch: „Kräuter, die sonst saftig waren, waren in den Sommern vertrocknet. Rehe, abgemagert zu Gerippen, lagen apathisch in der Natur.“ Und auch dem Baumbestand war sein Leiden anzusehen, selbst mit Laienblick.

Ein besonderes Sorgenkind: die Buche, die Wittringen einen großen Anteil des Waldes ausmacht. Die Eiche, so der Experte, sei dort noch gesund. Aber die Buche? „Diese Bäume haben immer im Regen gestanden, dann gerieten sie unter Stress und sind jetzt stark geschädigt“, sagt der Förster. Er fügt hinzu: „Gerade alte Buchen sterben massiv ab. Das zeigt sich auch in diesem Jahr, wir müssen in Wittringen wieder zig Exemplare fällen.“ Diese Baumart leide aufgrund der veränderten Klimaverhältnisse in unseren Breiten unter der „Komplexkrankheit“. Das bedeutet: Es sind vielerlei negative Auswirkungen, die zusammenkommen, erkennbar: „Wir können nur noch sägen, damit die Äste nicht abbrechen. Das geschieht auch ohne Wind.“

Gestresste und geschwächte Bäume sind anfällig für Krankheiten, Schmarotzer und Schädlinge.
Gestresste und geschwächte Bäume sind anfällig für Krankheiten, Schmarotzer und Schädlinge. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Gestresste Bäume sind geschwächt und daher anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Beispielhaft nennt Herber den kleinen Buchennutzholzkäfer und den Eichenprachtkäfer, die den ohnehin geschädigten, holzigen Gesellen den Rest geben. „Ungeschützt, also wenn sie keinen Schatten haben, bekommen Bäume auch einen Sonnenbrand, was eine Kettenreaktion negativer Folgen auslöst“, erklärt Herber. Und wieder ist die Buche das größte Opfer: „Sie hat nur eine dünne Rinde.“ Wenn die Buche sich verjünge, könne sie sich vermehren – eine Überlebenschance für diese Baumart.

Weitere Fällungen sind nötig

Bereits Ende 2020 mussten die ersten 50, toten Buchen im Wittringer Wald gefällt werden – aus Sicherheitsgründen. Tonnenschwere Äste drohten herabzustürzen.

Bei dieser Fällaktion blieb es nicht. Etwa 150 Buchen und auch Eichen sind bereits von der Bildfläche verschwunden. Und weitere werden weichen müssen. Förster Markus Herber kündigt an, dass vielleicht schon im Dezember wieder die Sägen kreischen werden.

Aber es gibt Lichtblicke. Ungefähr 1500 junge Eichen, Buchen, Spitzahorne und Kirschen wurden gesetzt. Sie sollen hier Wurzeln schlagen und gedeihen. Damit der Wald seinen Namen auch in Zukunft zu Recht trägt.

Aber Herber stellt auch fest: „Allen Bäumen geht’s schlecht.“ Arten wie Kiefer und Rot-Ahorn halten sich vielleicht noch wacker, fragt sich nur: wie lange? Das Wäldchen an der Frentroper Straße „ist noch nicht so alt und daher weniger von Schäden betroffen“. Junge Bäume könnten sich vielleicht noch akklimatisieren, aber für alte Riesen gebe es keine Rettung mehr. Herber: „Wir müssen gucken, welche Bäume mit dem Klimawandel klarkommen.“ Denkbar wären unter anderem Eichen aus Ungarn oder Esskastanien: Sie könnten Trockenheit vertragen – wie andere Arten. Herber meint sarkastisch: „Wer weiß, vielleicht haben wir bald einen Wald voller Palmen.“

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Doch klimaangepasste Bäume müssen erst einmal gepflanzt werden. Ein weiteres Problem: „Tausende Hektar liegen brach, woher soll das Saatgut kommen?“ Das aufzutreiben, „wird schwierig“. Herber: „Wir müssen einen Plan entwickeln, wie ein Bestand wieder Wald wird. Und wir müssen unsere Wälder neu strukturieren.“ Man solle Nadelhölzer, die beispielsweise im Sauerland einen großen Anteil ausmachen, nicht einfach ablehnen. „Ich würde Tannen mit Pfahlwurzeln, die tief in die Erde und an Wasser reichen, begrüßen“, sagt der Fachmann. Es muss ja nicht die Fichte sein, auf die Borkenkäfer fliegen und die Bäume zerstören. Nur dass etwas geschehen muss, um die heimischen Wälder zu retten, das sagt Markus Herber mit Nachdruck.

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