Gladbeck. Viele Anklagepunkte – von Vergewaltigung bis zu sexuell motivierter Tierquälerei – erhebt die Staatsanwaltschaft. Doch die Zeugen überraschen.

Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Besitz von Videos mit Kinderpornografie und sexuell motivierter Tierquälerei (neudeutsch: animal crushing)… Die Liste der Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft einem Polizeibeamten macht, ist lang. Und einige Details aus der Anklageschrift sind so widerlich, dass man sie nicht wiedergeben kann.

Der 49 Jahre alte Mann, der sich vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Gladbeck verantworten muss, hörte äußerlich unbewegt zu, beantwortete Fragen zur Person, äußerte sich aber nicht zu den Vorwürfen, „zunächst nicht“, sagte sein Anwalt.

Hauptbelastungszeugin erschien nicht vor dem Amtsgericht Gladbeck

Was ihm zur Last gelegt wird, soll sich zwischen Juli 2020 und seiner Verhaftung im Juni 2022 ereignet haben. Während dieser Zeit war er mit einer Frau liiert, die ihn mehrfach angezeigt hat: Er habe sie körperlich misshandelt, über einen längeren Zeitraum nicht aus dem Haus gelassen und mehrfach vergewaltigt. Er habe kinder- und tierpornografische Videos auf sein Smartphone geladen und auch selbst aufgenommen, sagte sie bei der Polizei aus. Zur Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht allerdings erschien diese Hauptbelastungszeugin nicht.

Die Zeugenliste war trotzdem lang – und das Gros der Aussagen überraschte, denn plötzlich waren Opfer- und Täterrolle nicht mehr klar. Die geschiedene Frau des Angeklagten, eine ehemalige Lebensgefährtin, Freunde und Bekannte sprachen von einer „toxischen Beziehung“ des Paares. Er habe sie geliebt, sie Macht über ihn ausgeübt. Friedliebend sei er, könne einer Frau niemals etwas antun, liebe Kinder und Tiere. Sie sei in hohem Maße drogen-, alkohol- und medikamentenabhängig, habe ein Spiel mit ihm gespielt.

Ehemalige Partnerin berichtet von Morddrohungen seitens der Belastungszeugin

Eine ehemalige Partnerin berichtete, die Frau habe ihr erzählt, dass sie die perversen Videos auf sein Handy geladen habe, „um sie als Druckmittel einzusetzen, wenn er nicht tut, was sie will“. Alle Vorwürfe seien gelogen, die Frau sei unberechenbar und „wahnsinnig“. Sie habe panische Angst vor dieser Frau und ihrer Familie, habe auch Morddrohungen bekommen.

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Sehr negativ äußerste sich auch ein Freund des Angeklagten. Als der 49-Jährige die Videos auf seinem Handy entdeckt habe, habe er „panisch versucht, sie zu löschen“. Die Tochter der Frau habe ihn dabei von hinten gefilmt, ihre Mutter sei lachend aus dem Zimmer gegangen, habe sie ihm erzählt. Außerdem habe sie gesagt: „Wenn ich will, dass er in den Knast geht, dann geht er in den Knast.“

Zeuge aus Bonn zeichnet negatives Bild der Zeugin

Kein gutes Bild der Frau zeichnete auch ein 61-Jähriger aus Bonn. Er hatte sie über ein Erotikportal kennengelernt, wo sie sexuelle Dienste angeboten habe. Er habe sie mehrmals zu sich geholt. Sie habe ihm 1500 Euro gestohlen, geliehenes Geld nie zurückgezahlt, jede Menge Alkohol, Drogen und Tabletten konsumiert, ihm erzählt, sie stehe auf stärkeren Sex mit Schlägen und Tierquälerei. „Die ist krank.“

Nicht ganz eindeutig waren die Aussagen zweier Polizeibeamter, bei denen die Frau Anzeige erstattet hatte. Einer sprach von einem „Rundumschlag gegen ihren damaligen Partner“. Aufgelöst sei sie gewesen, habe viel Zusammenhangloses geredet. Bei Details sei sie in Schlingern geraten, sagte der zweite Polizist.

Verhandlung vor dem Gladbecker Gericht wird fortgesetzt

Eine Medizinerin, die als sachverständige Zeugin aussagte, beschrieb ihre Erkenntnisse einer körperlichen Untersuchung der Frau nach einer angeblichen Misshandlung des Angeklagten. Sie habe am ganzen Körper, vom Gesicht bis zu den Füßen, Hautunterblutungen, Rötungen und Narben gefunden. Ursachen könnten Gewalt mit einem Gegenstand oder Tritte und Faustschläge sein.

Die Frau habe ihr erzählt, ihr Partner habe sie geschlagen, auch mit einem Stock, sie gewürgt, ihr den Mund zugehalten, bis ihr schwarz vor Augen geworden sei. „Wenn das stimmt, kann das lebensbedrohlich sein“, urteilte die Medizinerin. Die Frage des Vorsitzenden Richters, ob auch „härterer Sex“ als Ursache für die Verletzungen möglich sei, konnte die Sachverständige pauschal nicht beantworten.

Die Verhandlung wird fortgesetzt. Dann sollen, neben anderen Zeugen, die Hauptbelastungszeugin und ihre Tochter, die der Ladung des Gerichts auch nicht gefolgt war, gehört werden.