Gladbeck/Bottrop/Recklinghausen. In Gladbeck, Bottrop und den anderen Städten des Präsidiums ist die Clankriminalität gestiegen. Was dahinter steckt und was die Polizei tut.
551 Taten mit Clanbezug haben die Ermittler der Polizei Recklinghausen im vergangenen Jahr gezählt. Das geht aus dem jetzt vom Innenministerium NRW veröffentlichten „Lagebild Clankriminalität“ hervor. Im Jahr 2021 zählten die Statistiker lediglich 221 Taten. 399 Tatverdächtige ordnete die Polizei Recklinghausen im vergangenen Jahr dem entsprechenden Milieu zu.
Wie sich die Taten auf die Städte im Bereich des Präsidiums aufteilen, also wie hoch der Anteil der Clankriminalität in den Stadt Gladbeck, Bottrop oder Recklinghausen ist, da lässt sich die Polizei nicht in die Karten schauen. Das sei auch aus Ermittlersicht nicht unbedingt von Bedeutung, sagt Polizeisprecherin Ramona Hörst. Die Erfahrung zeige, dass die Clanfamilien sehr mobil und flexibel unterwegs seien.
„Die hohe Mobilität der Clanfamilien wird in Konfliktlagen besonders deutlich. Wenn es Streit gibt, sind die Grenzen der Städte im Ruhrgebiet schnell überschritten, es entwickeln sich Tumultlagen. Daher tauschen wir uns eng mit anderen Behörden aus und unterstützen uns gegenseitig“, verdeutlicht Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen. Tatsächlich zeigen das auch Polizeiberichte etwa über Taten in Essen, die nach Gladbeck, Bottrop oder in andere Städte ausstrahlen. „Uns ist da an übergeordneten Blicken gelegen, wir vernetzen uns mit anderen Behörden, um Entwicklungen schnell mitzubekommen“, stellt Ramona Hörst die Anliegen der Polizei dar. Dabei seien in der Regel Familienverbunde von Interesse, „aber es geht uns nicht um irgendwelche Familienmitglieder, es geht uns um die kriminellen Familienmitglieder“, so die Polizeisprecherin.
Polizei Recklinghausen zählt im Lagebild Clankriminalität vor allem „Rohheitsdelikte“
Doch welche Art von Taten verbergen sich nun in der Statistik? Zunächst einmal gehe es um Rohheitsdelikte, erläutert die Polizeisprecherin. Darunter sind Schlägereien und alle Arten gewalttätiger Auseinandersetzungen zusammengefasst. Sie machten „einen nicht unerheblichen Teil der Zahlen aus“, sagt Ramona Hörst. Aber auch Vermögens- und Fälschungsdelikte sowie Eigentumsdelikte – sprich Diebstähle und Einbrüche – konnten die Ermittler den Clans zuordnen. Drogenbesitz sowie -handel sind ebenfalls Delikte, die die Recklinghäuser Ermittler Clans zur Last legen.
Tatsächlich würden aber auch Verkehrsdelikte in das Lagebild einfließen. Ramona Hörst hat da auch einen ganz konkreten Fall vor Augen – allerdings ereignete er sich im Januar diesen Jahres, zählt also erst fürs nächste Lagebild. Es geht um einen Gladbecker Autofahrer, der in Bottrop kontrolliert werden sollte, weil die Polizisten ein illegales Tuning am Auto vermuteten. Anstatt anzuhalten, flüchtete der Mann zunächst, wurde aber gestellt.
Die Kontrolle gipfelte darin, dass der Gladbecker die Beamten lautstark beschimpfte, mit Gas und Kupplung spielte, als wolle er die Polizisten überfahren. Einer von ihnen hatte seine Waffe auf den Fahrer gerichtet. Eine Videosequenz dieser Aktion schlug hohe Wellen in den sozialen Netzwerken im Internet.
Gleichzeitig muss aber auch klar sein: Vieles, was mit Clankriminalität zu tun hat, läuft nach wie vor im Verborgenen ab. Hier gilt für Clans dasselbe wie für andere Täter: Aufmerksamkeit wollen sie eigentlich nicht erregen. Zu den aufsehenerregenden Massenschlägereien komme es immer wieder im Zusammenhang mit Familieninteressen – etwa Ehrgefühl oder damit einhergehende Ehrverletzungen. Dann würden „eigene familienbezogene Interessen mit Unterstützung von Familienmitgliedern durchgesetzt werden“, heißt es im Lagebericht.
Regelmäßige Schwerpunktkontrollen in Gladbeck, Bottrop und den anderen Städten
Dazu passt: Auch landesweit zählen die Statistiker vor allem Rohheitsdelikte mit Bezügen zu Clans – nämlich 2031. Das entspricht fast einem Drittel der Delikte. Die Polizei Recklinghausen hat in diesem Jahr in Castrop-Rauxel die Erfahrung gemacht, wie eine solche Lage eskaliert ist. Auslöser war wohl ein Streit zwischen Kindern. Die schweren Ausschreitungen in Essen kurz darauf waren vermutlich eine Folge dessen. Auch das ein Beleg dafür, wie mobil die Kriminellen sind. Die Zahlen aus Castrop-Rauxel sind selbstverständlich auch noch nicht mit ins aktuelle Lagebild eingeflossen. Angesichts der Vielzahl von Verdächtigen und Anzeigen geht Ramona Hörst davon aus, dass die Zahlen im nächsten Lagebild steigen könnten.
Hinzu komme die einfache Weisheit, dass mehr entdeckt werde, wenn man verstärkt hinschaue. Hinschauen, das tun die Ermittler etwa bei den Schwerpunktkontrollen, die regelmäßig in Gladbeck, Bottrop und den anderen Städten des Präsidiums stattfinden. Hier erhofft sich die Polizei Ermittlungsansätze und Informationen – zum Beispiel über Geldflüsse. In Gladbeck etwa waren die Ermittler 2022 im März und im November im Einsatz. „Das sind für uns oftmals Blicke hinter die Kulissen und ein Einstieg in weitere Ermittlungen“, erläutert Ramona Hörst. Insgesamt habe man in den elf Städten des Präsidiums im vergangenen Jahr 170 Kontrolleinsätze gehabt, dazu kamen verdeckte Verfahren. Drei Beschuldigte seien in Haft genommen und zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.
Sicherheitskonferenz Ruhr bittet Möglichkeit zum regionalen Austausch
Mit der Sicherheitskooperation Ruhr gibt es schon seit einiger Zeit ein Gremium, in dem man sich rund um dieses Kriminalitätsfeld austauscht. Mit am Tisch sitzen da auch die Städte, so sind etwa Gladbeck und Bottrop Mitglieder. Ebenso sind Beamte von Hauptzollamt, Finanzamt oder Bundespolizei dabei. So lasse sich auf regionaler Ebene besser kommunizieren, sagt Ramona Hörst. Auch intern hat die Polizei ihre Arbeit verändert. Fallen Straftäter immer wieder auf, so kümmere sich nun ein Sachbearbeiter darum. So habe man einen besseren Überblick, erläutert die Polizeisprecherin. Vorbild sind die jugendlichen Intensivtäter, da handelt die Polizei Recklinghausen ebenso.
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Für Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen ist klar, dass die Einsätze weitergehen: „Die Ausschreitungen im Juni in Castrop-Rauxel haben gezeigt, dass wir nicht lockerlassen dürfen und schnell agieren müssen. Rohheitsdelikte auf offener Straße dürfen und werden wir nicht dulden. Keine Selbstjustiz, keine Streitschlichter – wir als Polizei treffen die Maßnahmen. Konsequent!“
Nicht vergleichbar mit anderen Statistiken
Das Innenministerium weist darauf hin, dass das Lagebild Clankriminalität nicht mit anderen polizeilichen Statistiken verglichen werden kann. Denn in dem Lagebild würden alle Straftaten ausgewertet, die im Rahmen eines Anfangsverdacht aktenkundig sind – unabhängig vom Ermittlungsergebnis.
Grundlage ist eine namensgebundene Recherche in den polizeilichen Systemen. Berücksichtigt wurden Taten bei denen mindestens ein beteiligter einen abgestimmten Clannamen führt, als Tatverdächtiger polizeibekannt ist und eine spezifische Staatsangehörigkeit besitzt. Gleichzeitig weist das Innenministerium im Lagebild selbst darauf hin, „dass nicht jede Person mit einem entsprechenden Clannamen als Straftäterin oder Straftäter zu qualifizieren ist.“