Gladbeck. Obwohl Gastronomen seit Jahresbeginn Mehrwegverpackungen anbieten müssen, nutzen Gladbecker das Angebot kaum. Das sind die Gründe.

  • Durch eine Änderung des Verpackungsgesetzes müssen Gastronomen in Gladbeck seit Januar Mehrwegsysteme für den To go-Verzehr anbieten.
  • Gladbecker nutzen dieses Angebot allerdings kaum, die Gastronomen überrascht das nicht.
  • Häufiger genutzt wird die Möglichkeit, selbstmitgebrachte Dosen befüllen zu lassen.

Seit Jahresbeginn gilt auch in Gladbeck die Mehrwegpflicht für Restaurants, Caterer und Lieferdienste. Der Mittagstisch vom Metzger und der Kaffee to go vom Bäcker muss seitdem für alle Kunden auch in Mehrwegbehältern angeboten werden. Doch wie wird das Angebot von Gladbeckern angenommen? Bei einem Rundgang durch die Innenstadt wird schnell klar: Gegen Einweg-Plastikboxen und Pappbecher haben die Mehrwegprodukte bisher keine Chance.

Schilder weisen in Gladbeck auf Mehrwegsysteme hin

Große Aufstellschilder mit der Aufschrift „You are pfandtastic“ standen im Januar vor der Tchibo-Filiale an der Hochstraße, darauf abgebildet: Ein blau-grüner Mehrwegbecher. Daraus können die Kunden seitdem für einen Euro Pfand ihren Tchibo-Kaffee schlürfen und den Becher anschließend wieder in der Filiale abgeben, um ihren Pfand zurückzuerhalten. Damit befolgt Tchibo eine Änderung des Verpackungsgesetzes, die Gastronomen dazu verpflichtet, Mehrwegbehälter als Alternative zu Einwegbehältern für Essen und Getränke zum Mitnehmen anzubieten und gut sichtbar darauf aufmerksam zu machen.

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Ganz so „pfandtastic“ scheint das Mehrweg-Angebot in Gladbeck allerdings nicht angenommen zu werden – die großen Aufsteller sind verschwunden. Beim Betreten des Ladens fällt erst bei genauerem Hinsehen ein Hinweis auf das Mehrwegsystem auf, der an der Bestelltheke hinter der Wand hängt. Die Mitarbeiter vor Ort bestätigen: „Es gibt kaum Nachfragen nach den Mehrwegbechern, die meisten Gladbecker bevorzugen weiterhin die Pappbecher mit Plastikdeckel, da sie so keinen Pfand zahlen müssen.“

Gastronomin aus Gladbeck: „Leute wollen keinen Pfand zahlen“

Ganz ähnlich sieht es bei Sandra Schwarte vom gleichnamigen Rathauscafé aus. Seit Jahresbeginn werden die Speisen des Cafés sowie der Kaffee zum Mitnehmen in Mehrwegbehältern angeboten, für zwei Euro pro Behälter. Darauf weisen gut sichtbar mehrere Zettel an der Theke und an der Tür hin. Doch sowohl bei den Gerichten, als auch beim Kaffee to go gibt es kaum Nachfrage nach Mehrwegbehältern seites der Kunden. „Die Leute wollen keine zwei Euro zahlen und es ist ihnen zu umständlich, die Behälter wieder zurückzubringen. Mich überrascht das gar nicht, ich habe mir das vielmehr von Anfang an gedacht“, so Schwarte.

Beim Rathauscafé Schwarte in Gladbeck weisen mehrere Zettel auf das Mehrwegsystem des Ladens hin.
Beim Rathauscafé Schwarte in Gladbeck weisen mehrere Zettel auf das Mehrwegsystem des Ladens hin. © FFS | Andrea Zaschka

Doch selbst wenn die Kunden keinen Pfand vor Ort zahlen müssen, bleibt die Nachfrage nach Mehrwegbehältern aus – das zeigt ein Besuch bei Backwerk auf der Hochstraße: Zwar stehen vor den Kaffeeautomaten und an der Kasse zwei große Schilder, die auf das Mehrwegsystem „Vytal“ hinweisen, doch Gebrauch davon macht laut dem Inhaber der Filiale, Imbrahim Kojok, so gut wie niemand. „Seit Jahresbeginn haben vielleicht zwei Kunden danach gefragt,“ so der Inhaber. Wer seinen Kaffee vor Ort trinke, nutze dafür meist die Tassen von Backwerk, für den To-go-Kaffee bevorzuge die Mehrheit weiterhin Becher zum Wegschmeißen.

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Wer doch auf Einwegverpackungen verzichten möchte, muss eine App auf dem Smartphone installieren und erhält anschließend einen persönlichen QR-Code. Kojok scannt den Code an der Kasse und gibt die Vytal-Mehrwegboxen und -becher aus. Erst, wenn die Kunden den Behälter nach 14 Tagen nicht zurückgebracht haben, werden zehn Euro durch Vytal vom Konto abgebucht.

Nach wie vor ist Einweg-Plastik in Gladbeck am gefragtesten

Die Vytal-App können die Nutzer nicht nur bei Backwerk nutzen, sondern auch bei vielen weiteren Geschäften – beispielsweise in der Gladbecker Filiale der Metzgerei Ridderskamp und Hahn. Das Vytal-Infoschild steht direkt an der Essenstheke, auch Kärtchen zum Mitnehmen stehen bereit. Zudem klebt ein großes Plakat an der Tür – ohne Erfolg. „Leider geben wir immer noch unglaublich viel Einweg-Plastik heraus“, heißt es von Seiten der Mitarbeiter. Immer beliebter werde allerdings die Möglichkeit, selbstmitgebrachte Boxen zu nutzen.

So kontrolliert der Kreis die Mehrwegpflicht

  • Durch die Änderung des Verpackungsgesetzes müssen Betriebe mit mehr als fünf Mitarbeitern und mehr als 80 Quadratmetern Ladenfläche seit dem 1. Januar 2023 selbst ein Mehrwegsystem anbieten.
  • Kleinere Betriebe sind von der Pflicht, selbst ein Angebot zu machen, ausgenommen. Allerdings müssen sie nach Angaben der Verbraucherzentrale auf Wunsch Essen und Getränke in mitgebrachte Behälter der Kunden abfüllen.
  • Ob sich die Gastronomen, Caterer und Lieferdienste in Gladbeck an die Mehrwegpflicht halten, kontrolliert in den kreisangehörigen Städten der Kreis Recklinghausen als Untere Abfallbehörde.
  • Kontrollen vor Ort werden laut Svenja Küchmeister vom Kreis-Presseamt allerdings nur bei konkretem Verdacht auf Verstöße durchgeführt, beispielsweise, wenn Bürger die Kreisverwaltung darauf aufmerksam machen.
  • Seit Jahresbeginn habe es bisher keine Beschwerden in Gladbeck gegeben, insgesamt werde das Angebot der Mehrwegsysteme von den Bürgerinnen und Bürgern sehr zurückhaltend angenommen.
  • Hinweise auf Verstöße gegen die Mehrwegpflicht nimmt die Kreisverwaltung per Mail unter abfall@kreis-re.de entgegen.

Dies bestätigt auch Andrea D’Alonzo vom Wurstkönig nebenan: „Nach einem Mehrwegsystem hat hier noch nie jemand gefragt, wenn überhaupt, dann kommen die Leute mit ihren eigenen Dosen vorbei und lassen sich diese befüllen.“ Hierbei sei allerdings das Problem, dass die Boxen aus hygienischen Gründen nicht hinter der Theke befüllt werden dürfen. „Wir füllen das Essen dann zunächst mit Handschuhen auf einen unserer Teller und geben diesen über die Theke zu dem Kunden. Erst dann kann der Kunde sich das Essen vom Teller in den eigenen Behälter füllen und uns den Teller zurückgeben.“

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