Düsseldorf. Im vergangenen Jahr gab es fast 6600 Straftaten mit Clanbezug in NRW - deutlich mehr als im Vorjahr. Die Stadt Essen sticht besonders hervor.

Die nordrhein-westfälische Polizei hat im vergangenen Jahr 20,3 Prozent mehr Straftaten mit Clanbezug als in 2021 gezählt. Das geht aus dem neuen Lagebild Clankriminalität des Landeskriminalamts (LKA) hervor, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und am Dienstag veröffentlicht werden soll.

Dass es überhaupt ein neues Lagebild gibt (das erste veröffentlichte das LKA 2019), ist nicht selbstverständlich: Der grüne Koalitionspartner der CDU hadert mit der Statistik, für die Polizeisysteme nach Clan-Namen durchforstet werden.

Lagebild fokussiert sich auf türkisch-arabischstämmige Großfamilien

„Das Lagebild Clankriminalität NRW 2022 bildet die polizeilich erfassten Straftaten aus dem Jahr 2022 ab, begangen von Tatverdächtigen mit einem von den Ermittlungsbehörden als clanrelevant definierten Familiennamen“, heißt es in der Einleitung des Lagebilds. Die Ermittler ergänzen ausdrücklich, „dass nicht alle Personen mit einem entsprechenden Familiennamen kriminell sind.“ Das aktuelle Lagebild fokussiert sich auf türkisch-arabischstämmige Großfamilien. Nach Massenschlägereien im Ruhrgebiet hatte Innenminister Reul vor wenigen Wochen angekündigt, dass man auch syrische Familien ins Visier nehmen müsse.

Das LKA hat für seine „namensbasierte Recherche“ im aktuellen Lagebild 116 Clan-Namen identifiziert (2021: 113). In der aktuellen Statistik wurden auch weitere Schreibweisen für die Suche übernommen.

6573 Straftaten und 4035 Verdächtigte im Jahr 2022

Für das Jahr 2022 wurden insgesamt 6573 Straftaten und 4035 Verdächtigte festgestellt. Im Vergleich zum Vorjahr stieg damit auch die Zahl der mutmaßlichen Täter um 11,2 Prozent. Die Verdächtigen sind laut Lagebild ganz überwiegend männlich (81,1 Prozent) und meistens zwischen 26 und 30 Jahre alt.Im Jahr 2022 hatten laut LKA 53,4 Prozent der Tatverdächtigen die deutsche Staatsangehörigkeit, 16,7 Prozent die syrische, 13,6 Prozent die libanesische.

Rohheitsdelikte (z.B. Raub, Körperverletzung) und Straftaten gegen die persönliche Freiheit machen nach Angaben des LKA 30,9 Prozent aller Taten aus. 14,9 Prozent waren Vermögens- und Fälschungsdelikte, 14,6 Prozent Diebstähle. Die Statistik zählt auch 24 „Straftaten gegen das Leben“, darunter Mord und Totschlag - wobei Versuche mit dazu zählen. Wie viele Tote es tatsächlich gab, geht aus dem Lagepapier nicht hervor.

Clankriminalität: Essen ist die Stadt mit den meisten Straftaten

„Essen lässt sich in diesem Berichtsjahr als Stadt mit den meisten Straftaten (11,2 %) sowie Tatverdächtigen (11,9 %) herausstellen und verzeichnet im Vergleich zum Vorjahr den größten Anstieg der Straftaten“, heißt es im Lagebild. Eine NRW-Karte in dem Papier zeigt, dass das Ruhrgebiet ein Hotspot ist.

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Die Polizei hat laut LKA bei 615 Razzien über 1570 Objekte kontrolliert, darunter mehr als 220 Shisha-Bars, 60 Restaurants, 30 Spielhallen und 90 Wettbüros: „23,2 Prozent der Objekte wurden unmittelbar durch die Behörden geschlossen, unter anderem wegen fehlender Konzessionen, aufgrund von Hygienemängeln oder wegen baurechtlicher Mängel.“

Reul: Die Gewaltbereitschaft von Clans ist enorm

Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte am Dienstag laut Mitteilung: „Clankriminalität lässt sich nicht wegreden. Wir sehen, dass kriminelle Mitglieder von Clans weiter auf unseren Straßen unterwegs sind und ihre Fäuste nicht in den Hosentaschen lassen. Die Gewaltbereitschaft ist enorm.“ Deshalb gelte „Null-Toleranz“, so Reul: „Niemand läuft einen Marathon in einer Stunde. Unseren Dauerlauf im Kampf gegen Clankriminelle setzen wir fort, die Kondition dafür haben wir.“

Mit Bezug auf die jüngsten Auseinandersetzungen im Ruhrgebiet, bei denen ein sogenannter Friedensrichter vermittelt haben soll, sagte Reul: „Das Recht der Familie gilt bei uns nicht. Und Friedensrichter sind Erfindungen, die hier in Nordrhein-Westfalen sicher nicht patentiert werden. Das Gewaltmonopol des Staates ist nicht verhandelbar – egal wer sich da in die Haare kriegt.“ (dpa)