Gladbeck. Unsere Redakteurin tritt zehn Jahre nach bestandenem Führerschein nochmal zur Prüfung an. Und plötzlich heißt es: „Jetzt bist du Geisterfahrer.“

Vor ziemlich genau zehn Jahren habe ich meine Führerscheinprüfung bestanden, seitdem bin ich fast täglich mit dem Auto unterwegs und habe mir eine gewisse Routine angewöhnt. Ich fühle mich sicher hinter dem Steuer, doch bestimmt gibt es Situationen, für die mich mein ehemaliger Fahrlehrer ab und an ermahnen würde. Schon öfter habe ich mich gefragt, ob ich heute eigentlich noch meinen Führerschein bestehen würde. Genau das habe ich gemeinsam mit Fahrlehrer Stefan Wulfekotte ausprobiert, der eine Fahrschule in Gladbeck leitet.

Ein bisschen aufgeregt bin ich vor meinem Termin bei Stefans Fahrschule ja schon. Okay, Hand aufs Herz: Ich bin supernervös. Eigentlich geht es ja um nichts, meinen Führerschein kann man mir schließlich nicht mehr wegnehmen. Aber der Ehrgeiz hat mich gepackt und ich will beweisen, dass ich auch tatsächlich gut Auto fahren kann. Dass ich bei meiner Prüfung von einem Fotografen begleitet werde, ist für meine Aufregung nicht gerade förderlich. Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr, groß habe ich in der Redaktion angekündigt, dass ich mich dem Selbstversuch stelle.

Vor der praktischen Prüfung werden meine Theoriekenntnisse getestet

Vor Ort rutscht mir dann erstmal das Herz in die Hose, als Stefan erzählt: „Ich habe mir spontan gedacht, du machst direkt erstmal eine Theorieprüfung, die steht ja schließlich sonst auch vor dem praktischen Teil an.“ Auweia. Damit habe ich nicht gerechnet. Vor zehn Jahren war ich ganz stolz darauf, mit null Fehlerpunkten bestanden zu haben, aber von vielen Fragen habe ich heute keine Ahnung mehr. Relativ zügig klicke ich mich durch die insgesamt 30 Fragen, bei manchen zucke ich nur ratlos mit den Schultern. Ab und zu erscheint ein Video, zu dem ich im Nachhinein Fragen beantworten muss – das gab es vor zehn Jahren noch gar nicht.

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Am Ende der Theorieprüfung kriege ich dann die Bestätigung für das, was ich schon befürchtet habe: Gnadenlos durchgefallen! Nur 20 der 30 Fragen habe ich richtig beantwortet. Stolzer, als ich wahrscheinlich sein sollte, bin ich darauf, dass ich die Frage nach der Mindestprofiltiefe von Reifen ohne Auswahlmöglichkeiten richtig beantwortet habe – 1,6 Millimeter. Doch Stefan kennt keine Gnade und schüttelt nur den Kopf: „Deine Fehlerpunkte sind schon saftig!“ Eigentlich dürfte es an dieser Stelle für mich ja gar nicht weitergehen, um die praktische Prüfung komme ich trotzdem nicht mehr herum.

Unsicherheit zu Beginn der Fahrprüfung: Plötzlich ist die Routine weg

Auf dem Aldiparkplatz an der Horster Straße startet meine Prüfung, ich setze mich in den mir völlig unbekannten SUV und muss gleich schlucken, wenn ich daran denke, mit dem Riesenschiff einparken zu müssen (ich fahre privat einen Kleinwagen). Zunächst fragt Stefan mich ein paar technische Fragen – beispielsweise, wie ich rausfinde, wie viel Druck auf den Reifen sein muss. Ich weise auf ein Schild in der Tür hin, auf dem der Druck in bar vermerkt ist.

Zu Beginn der praktischen Fahrprüfung stellt Fahrlehrer Stefan Wulfekotte WAZ-Redakteurin Andrea Zaschka noch einige technische Fragen.
Zu Beginn der praktischen Fahrprüfung stellt Fahrlehrer Stefan Wulfekotte WAZ-Redakteurin Andrea Zaschka noch einige technische Fragen. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Da noch ein paar Fotos geschossen werden und ich mich erstmal an das unbekannte Auto gewöhnen muss, vergesse ich beim Losfahren prompt, mich anzuschnallen. „Hast du nicht was vergessen?“ fragt Stefan mit einem Augenzwinkern. Das gibt’s doch nicht, sowas wäre mir doch sonst nicht passiert – die Ausrede hilft mir jetzt aber auch nicht weiter, es geht ja eben darum, ob ich in einer stressigen Prüfungssituation bestehen würde.

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Los geht die Fahrt dann quer durch die Gladbecker Innenstadt, die erste Herausforderung gibt es dann direkt im verkehrsberuhigten Bereich am Rathaus. Ich sehe das Hinweisschild und reduziere die Geschwindigkeit zunächst auf 10-12 km/h. „Du weißt aber, dass hier Schrittgeschwindigkeit herrscht, oder? Ich würde ja gerne mal sehen, wie du so schnell läufst“, sagt Stefan – also noch langsamer. An einem Stoppschild halte ich kurz an, das habe ich mir immerhin aus meiner Prüfung vor zehn Jahren gemerkt – doch auch da hat Stefan etwas zu meckern: „Du bist nur ganz kurz zum Stehen gekommen. Das wäre in der Prüfung gerade noch gerade so okay, aber besser wäre es, du würdest länger halten.“

Brenzlige Situationen: Das Unheil beginnt mit einer Anliegerstraße

Wir fahren weiter Richtung Bottrop, an einer Kreuzung gehe ich zunächst davon aus, ich kann weiter geradeaus fahren – und bemerke erst im letzten Moment, dass vor mir nur Anlieger in die Straße fahren dürfen. Ich fluche und schiebe schnell hinterher: „Ich fahre dann mal schnell links ja?“ Stefan lacht, tja, da hat er mich erwischt. Was immerhin ganz gut funktioniert ist das Einparken, dafür ist die Parklücke aber auch wirklich groß.

Auf der Autobahn fühlt sich Redakteurin Andrea Zaschka sicher, doch im Stadtverkehr kommt es zu mehreren schwierigen Situationen.
Auf der Autobahn fühlt sich Redakteurin Andrea Zaschka sicher, doch im Stadtverkehr kommt es zu mehreren schwierigen Situationen. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Wesentlich brenzliger wird es, als ich gerade eine Straße entlangfahre und wenden soll. Ich fahre in eine Einfahrt, vergewissere mich, dass niemand kommt, fahre rückwärts wieder heraus – und stehe einen Moment lang auf der Gegenfahrbahn. „Jetzt bist du zum Geisterfahrer geworden“, wirft Fotograf Michael von hinten ein. Zeit, mich darüber zu ärgern, habe ich nicht, es geht direkt weiter.

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Und es kommt zu weiteren Situationen, in denen ich Schlucken muss. An einer nach links abbiegenden Vorfahrtsstraße vergesse ich, den Blinker zu setzen; als ich auf der Bottroper Straße nach rechts Richtung Innenstadt abbiegen soll, erkenne ich zu spät, dass die rechte Spur zur Busspur wird. Ich bemerke meinen Fehler und fahre schnell wieder nach links, weiß aber innerlich schon, dass wir darauf noch mal zu sprechen kommen. Später erzählt mir Stefan, dass er diese beliebte Prüfungsstelle regelmäßig mit seinen Fahrschülern probt, sodass dort kaum jemand durchfällt – diese Vorbereitung fehlt mir und ich tappe direkt in die „Falle“. Dankbar bin ich, als Fotograf Michael zugibt, er wäre von der Busspur ebenso verwirrt gewesen wie ich, und dass ihm wahrscheinlich derselbe Fehler passiert wäre.

Fazit nach einer Stunde Fahrprüfung: Mit dunkelblauem Auge bestanden

Nach etwa einer Stunde habe ich es geschafft, die Fahrprüfung ist vorbei. Ich befürchte Schlimmes, aber Stefan ist sehr nachsichtig. „Da gab es einige Stellen, an denen ich mir dachte ‘Uff’. In einer richtigen Prüfung hättest du da schon Probleme bekommen. Aber ich lasse dich noch mal mit einem dunkelblauen Auge bestehen, schließlich hast du ja auch seit zehn Jahren keine Fahrschule mehr besucht. Da sehe ich zum Beispiel darüber hinweg, dass du oft mit nur einer Hand am Lenkrad gefahren bist“, lautet sein Fazit.

So viele Schüler bestehen ihre Fahrprüfung

  • Wöchentlich stehen in Stefans Fahrschule praktische Fahrprüfungen an – etwa 20 Prozent der Schüler sind in diesem Jahr bisher durchgefallen.
  • Die Durchfallquote der Theorieprüfung liegt deutlich höher, hier bestehen etwa 35-40 Prozent von Stefans Schülern nicht.
  • Die Gründe, weshalb Fahrschüler ihre praktische Prüfung nicht bestehen, sind sehr unterschiedlich. Am Stoppschild nicht gehalten, beim Parken auf den Bordstein gefahren, zu schnell gefahren oder Schilder übersehen – es lauern viele Fallen während der Fahrprüfung.

Ich persönlich ärgere mich nach der Prüfung über mich selbst – wie konnten mir nur so viele Fehler passieren? Normalerweise fahre ich doch viel besser! Denke und hoffe ich zumindest. Während der Prüfung habe ich mich jedenfalls gefühlt wie mein 17-jähriges ich vor zehn Jahren. Als ich abends nach der Arbeit ins Auto steige, fühlt sich dann aber doch alles wieder routiniert an. Angeschnallt und mit beiden Händen am Lenkrad fahre ich nach Hause.