Gladbeck. Die Gladbecker Foodsharer erhalten die Ehrenplakette der Stadt. Zusätzlich werden neun weitere Menschen und Institutionen derart geehrt.
Lebensmittel vor der Tonne retten – das ist, plakativ ausgedrückt, das Ziel der Foodsharer. Das englische Wort setzt sich zusammen aus „Food“, also Essen und „share“, sprich teilen. Allerdings teilen die Mitglieder dieser Gruppe nicht ihr eigenes Essen. Vielmehr setzen sie sich dafür ein, dass Supermärkte, Bäcker und andere Geschäfte abends nicht all das, was übrig bleibt oder nicht mehr schön ist, vernichten. Vielmehr sammeln die Foodsharer diese Waren dann ein und verteilen sie.
Seit 2019 gibt es eine solche Gruppe auch in Gladbeck, nun wurde sie mit der Ehrenplakette der Stadt ausgezeichnet, die höchste Anerkennung, die Gladbeck zu bieten hat. Gründerin Jacqueline Hell nahm die Auszeichnung stellvertretend entgegen. Bürgermeisterin Bettina Weist hob in der Begründung vor allem den Einsatz der Foodsharer in dem Zeitraum hervor, in dem die Tafel als Lebensmittelausgabe ausgefallen war. Hier seien die Foodsharer eingesprungen, hätten so den Ausfall der Tafel in Teilen abmildern können.
Tafel und Foodsharer unterscheiden sich von ihrem Ansatz her komplett
Diesen Einsatz habe man gern übernommen, so Jacqueline Hell. Dabei unterscheiden sich Tafel und Foodsharer in ihren Ansätzen eigentlich komplett. Der bundesweit aktiven Gruppe geht es in erster Linie um den Kampf gegen Lebensmittelverschwendung. Was die Gruppe bekommt – in Gladbeck sind 58 Helfer aktiv und sammeln auch kurzfristig Lebensmittel ein – wird frei verteilt. Dabei spielt die Bedürftigkeit keine Rolle. Vieles, was die Foodsharer retten, wird im sogenannten „Fairteiler“ angeboten.
Das ist im Prinzip ein offenes Regal auf dem Gelände der Petruskirche an der Vehrenbergstraße auf dem Rosenhügel. Hier werden die Nahrungsmittel einsortiert, und es kann sich jeder bedienen – vom Obdachlosen bis hin zum Professor. Wichtig sei eine gewisse Solidarität, wer sich bedient, sollte auch an die anderen denken und nach Möglichkeit etwas übriglassen. Über die Facebook-Gruppe – aktuell hat sie rund 1000 Mitglieder – machen die Foodsharer bekannt, wenn das Regal wieder aufgefüllt wurde. Zudem könne auch jedes andere Mitglied der Gruppe gerettet Lebensmittel anbieten.
Ziel der Gladbecker Foodsharer: Irgendwann überflüssig sein
Inzwischen gibt es die Tafel in Gladbeck wieder, das DRK ist mit dem Tafelmobil in den Gladbecker Stadtteilen unterwegs. Wichtig für Jacqueline Hell: Tafel und Foodsharer stünden nicht in Konkurrenz zueinander. „Für uns gilt immer der Grundsatz: Tafel first!“ Mit anderen Worten, die Tafel hat das erste Zugriffsrecht auf die Lebensmittelspenden.
Das hat zur Folge, dass derzeit nur noch vier Einzelhändler mit den Gladbecker Lebensmittelrettern zusammenarbeiten. Das sei aber in Ordnung, im Gegenteil, letztlich sei es ja das Ziel der Gruppe, irgendwann überflüssig zu werden. Jacqueline Hell: „Wenn wir irgendwann überflüssig sind, ist unsere Arbeit erledigt.“
Neun weitere Gladbecker und Institutionen freuen sich über die Ehrenplakette
Doch bis dahin freuen sich die Foodsaver über weitere Aktive, die sich an den Abholungen beteiligen möchten, deren Termin-Slots via Internet bekannt gemacht werden. „Zunächst muss als Qualifikation im Internet ein Fragen-Antwort-Katalog als Quiz beantwortet werden. Anschließend begleiten die Neuen erfahrene Foodsaver, die sie weiter in die Behandlung der Lebensmittel, Hygienevorschriften und Beachtung von Kühlketten einweisen“. Grundsätzlich, so Jacqueline Hell, sei es ein Ehrenamt, das sich gut in den Alltag integrieren lasse. Ausdrücklich bedankt sie sich deshalb auch bei allen Helfern, ihnen gemeinsam gebührt die Auszeichnung. Die Ehrenplakette sei eine „sehr liebevolle Wertschätzung“, freut sich die stolze Lebensmittelretterin.
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Neben den Foodsharern konnten sich noch neun weitere Gladbecker und örtliche Institutionen über die höchste Auszeichnung der Stadt freuen. Im Ratssaal verlieh Bürgermeisterin Bettina Weist die Ehrenplaketten und freute sich über das gesellschaftliche Engagement in der Stadt. „Das Ehrenamt ist eine starke Stütze der Gesellschaft und trägt dazu bei, das gesellschaftliche Leben zu gestalten und in der uns bekannten Form zu ermöglichen. Zum Glück gibt es in unserer Stadt viele Menschen, die nicht nur auf sich selbst schauen, sondern überlegen, wie sie anderen helfen können“, bedankte sich die Bürgermeisterin auch im Namen von Rat und Verwaltung. Die weiteren Auszeichnungen gingen an:
- Helmut Christen: Er wurde für sein Engagement in der Flüchtlingsarbeit der Evangelischen Kirchengemeinde geehrt. Dort unterstützt er Geflüchtete beim Erlernen der deutschen Sprache, hilft bei der Wohnungs- und Arbeitssuche und setzt sich zusammen mit seiner Ehefrau seit einigen Jahren für die „massaka kids“, ein Waisenhaus in Uganda, ein.
- Gertrud Duvenkamp: Die Gladbeckerin engagiert sich schon seit vielen Jahren für die Musik in der Stadt – sowohl im städtischen Musikverein als auch seit 1977 als erste Vorsitzende der Chorgemeinschaft Heilig Kreuz. Zusätzlich ist sie auch Vorsitzende des Fördervereins der Gemeinde.
- Norbert Ganz: Der Braucker setzt sich seit vielen Jahren für seinen Stadtteil ein und unterstützt dort die Menschen in seiner Nachbarschaft. Er engagierte sich in der AWO, im Verein und in der Elternarbeit.
- Dieter Goldschmidt: Fußball und die Nachwuchsarbeit liegen ihm am Herzen. Seit vielen Jahren ist er aktiv bei Adler Ellinghorst. Gleichzeitig ist er erster Vorsitzender der Ellinghorster Schützen und bringt sich so vielfach für ein lebendiges Zusammenleben im Stadtteil ein.
- Heinrich Menning: Der langjährige Vorsitzende des Freundeskreises Marcq-enBarœul erhielt die Ehrung posthum. Bis zu seinem Tod habe er den Austausch mit der französischen Partnerstadt mit außerordentlichem Engagement vorangetrieben, würdigte Bürgermeisterin Bettina Weist.
- Sabine Prittwitz: Die Gladbeckerin erhielt die Auszeichnung stellvertretend für die Malteser vor Ort, genauer für deren Wärmebus. Seit dem Winter 2021 steuert der wöchentlich den Festplatz an und versorgt Wohnungslose mit warmen Speisen und Getränken – anfangs nur im Winter, inzwischen das ganze Jahr über.
- Aloys Steinzen: Er ist der Retter des Hahns vom Dach der Johanneskirche bei deren Abriss. Darüber hinaus ist er Mitbegründer des Familienkreises der Gemeinde und war auch schon viele Jahre früher aktiv – als Mitbegründer des Pfarrkarnevals in den 1970er-Jahren.
- Elmar Surau. Auch er ist der Gemeinde St. Johannes eng verbunden – etwa als ehemaliger Küster. Auch den Aufbau der Jugendarbeit hat er maßgeblich begleitet. Noch heute, nach dem Abbruch der Kirche, setzt er sich für ein aktives Gemeindeleben und ein gutes nachbarschaftliches Miteinander ein.
- Rahim Rasuli: Der gebürtige Afghane hat 2018 mit weiteren Geflüchteten die „One world Band“ gegründet. Zusammen mit deutschen Musikern bringen sie gemeinsam Lieder unterschiedlicher Kulturen auf die Bühne. Zudem engagiert er sich in der Flüchtlingshilfe.