Gladbeck. Die Apotheker haben zum bundesweiten Protesttag aufgerufen. Vielen steht das Wasser bis zum Hals. Sie haben Forderungen an die Politik.

In Gladbeck bleiben am kommenden Mittwoch, 14. Juni, alle Apotheken geschlossen. Die Apothekerinnen und Apotheker schließen sich dem bundesweiten Protesttag an, der verdeutlichen soll: Die Lage der Branche ist mehr als ernst, für viele Apotheken ist es so zu sagen „fünf vor zwölf“. Das kann Dorothee Pradel, Sprecherin der Apotheker in Gladbeck, so nur unterstreichen: „Die Situation erfüllt uns alle mit großer Sorge!“

Konkret richtet sich der Protest gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Sie gefährde massiv die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Medikamenten. Um Lieferengpässe zu überbrücken, sei von den Apotheken eine hohe Flexibilität gefragt. Dagegen stehe allerdings ein Versorgungssystem voller Bürokratie und drohenden Strafzahlungen an die Krankenkassen.

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Pradel: „In den 70er Jahren war die Zeit, da konnte man mit einer Apotheke gutes Geld verdienen. Das ist aber schon lange vorbei.“ Zwölf Apotheken, sagt sie, gibt es aktuell in Gladbeck noch. Alle Inhaber hätten fest zugesagt, ihre Betriebe am 14. Juni nicht zu öffnen, sich an dem Protesttag zu beteiligen.

19 Gladbecker Apotheken haben in den vergangenen Jahren schon geschlossen

19 Kolleginnen und Kollegen von Dorothee Pradel mussten ihr Geschäfte in den vergangenen Jahren für immer schließen. Die Rats-Apotheke, Marien-Apotheke, Lamberti-Apotheke, Linden-Apotheke – Pradel könnte die Liste der aufgegebenen Betriebe noch lange fortsetzen. „Dass es mittlerweile fast unmöglich ist, junge Kollegen zu finden, die Interesse an einer Geschäftsübernahme haben, zeigt doch allein schon, wie schwierig die Lage ist.“

Auch eine Protestaktion ist geplant

Die Apotheken in Gladbeck sollen am 14, Juni nicht einfach nur geschlossen bleiben. Zusätzlich planen die Betreiber auch noch eine Protestaktion.

Gedacht ist an einen Gang durch die Innenstadt zum Rathaus. „Wir wollen so mit möglichst vielen Menschen ins Gespräche kommen, ihnen Lage und Probleme schildern“, erklärt Apotheker-Sprecherin Dorothee Pradel. Es sollen auch Flyer verteilt werden. Uhrzeit und Treffpunkt der Aktion werden noch bekannt gegeben.

Und klar, dabei spiele die finanzielle Situation eine große Rolle: Das Honorar der Apotheken, erklärt Pradel, besteht zu einem wesentlichen Anteil aus einem Festbetrag, der die laufenden Kosten abdecken soll. Dieser Festbetrag sei seit nunmehr zehn Jahren nicht mehr angepasst worden, trotz der zwischenzeitlich immens gestiegenen Kosten, trotz Inflation. „Und auch für die Apotheken sind die Energiekosten gestiegen, enorm sogar!“ Die aktuelle Lage sei inzwischen für viele Apotheken absolut existenzgefährdend.

Pradel: Praxen und Krankenhäuser haben Extrazahlungen erhalten, Apotheken nicht

Pharmazie sei ein extrem schwerer Studiengang. Wer sich trotzdem dazu entschließt, und dann auch noch im Anschluss den Schritt in die Selbstständigkeit wage, dem dürfe nicht die Möglichkeit des Geldverdienens genommen werden. Die Arbeit der Apotheker sei zudem in den vergangenen Jahren immer komplizierter geworden. Pradel erinnert da nur an die Corona-Pandemie. „Da haben wir nachts Desinfektionsmittel angerührt, um nur ein Beispiel zu nennen.“ Nun würden die Lieferengpässe eine enorme zusätzliche Arbeitsbelastung bedeuten. Eine finanzielle Anerkennung für die geleistete Mehrarbeit habe es nie gegeben. Anders als bei Arztpraxen und Krankenhäusern. An die seien Extrazahlungen erfolgt.

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Die Expertin nennt noch ein gravierendes Problem der Branche: die fehlenden Nachwuchskräfte. Es sei immer schwieriger, Auszubildende für den Beruf zu interessieren. Die PTA-Ausbildung müsse von den jungen Leute selber finanziert werden, die Bezahlung sei am Anfang wenig prickelnd. Dem gegenüber stehe eine Arbeitszeit von 8 bis 18 Uhr, Dienste auch an den Sonn- und Feiertagen. „Viele junge Leute wandern da lieber in die Industrie ab, da sind die Jobs attraktiver und zudem auch noch besser bezahlt.“

Apotheken kaputtzusparen bedeutet, die wohnortnahe Arzneimittelversorgung zu gefährden

Berufseinsteigern die Arbeit in einer Apotheke finanziell wieder attraktiver zu gestalten, das sei unter den gegebenen Umständen aber schlicht nicht möglich. „Zwei Lohnerhöhungen im zweistelligen Bereich haben wir hinter uns. Im Moment wird wieder verhandelt, ebenfalls über eine zweistellige Summe.“ Pradel macht keinen Hehl daraus, dass viele Apotheken das an den finanziellen Ruin bringen werde. Glück hätten die Kolleginnen und Kollegen, bei denen durch den Lebenspartner ein zweites Gehalt hereinkommt. „Sie haben es finanziell etwas leichter.“

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Der Protesttag soll der Politik klar machen: Apotheken kaputtzusparen bedeute, die wohnortnahe Arzneimittelversorgung der Menschen zu gefährden. Eine deutliche Aussage, die alle zwölf Apotheken-Inhaber in Gladbeck dazu bewogen habe, sich dem Protest anzuschließen. Eine Apotheke wird den Notdienst übernehmen. Wer den in Anspruch nehmen will, muss allerdings eine etwas weitere Anfahrt in Kauf nehmen: Geöffnet bleibt am 14. Juni nur die Glückauf Apotheke an der Hauptstraße 39 in Kirchhellen.