Gladbeck. Die geplante Flüchtlingsunterkunft im Hotel Van der Val in Gladbeck schlägt weiter Wellen. Eine Absichtserklärung enthüllt Zahlen und Absprachen.
Die Bezirksregierung Münster verhandelt für das Land NRW über eine mögliche Landesunterkunft für Flüchtlinge im Gladbecker Hotel Van der Valk. Dabei haben sich die beiden Parteien – Van der Valk und Bezirksregierung – wohl auf einen Letter of Intent verständigt – frei übersetzt eine Absichtserklärung. Diese Absichtserklärung liegt der Lokalredaktion vor, und sie enthält einige für die Stadt Gladbeck brisante Punkte. Dort zeigt man sich dann auch in höchstem Maße irritiert über das Schriftstück.
Aber der Reihe nach: Anders als es zuvor immer hieß, geht es wohl nicht um eine fünf- sondern um eine zehnjährige Laufzeit des Vertrags. Nach Ablauf dieser Zeitspanne scheint Van der Valk ein Interesse daran zu haben, am Standort in Wittringen erneut ein Hotel zu öffnen. Dagegen lässt sich nichts einwenden. Merkwürdig ist jedoch, dass das Unternehmen gegenüber der Bezirksregierung dafür wohl eine Art Blankoscheck fordert.
Van der Valk fordert Blankoscheck von der Stadt Gladbeck
Das geht zumindest aus der Absichtserklärung hervor. Demnach fordert Van der Valk eine „wirksame und und unwiderrufliche Zusicherung der zuständigen Genehmigungsbehörden, das Objekt nach Ablauf der beabsichtigten festen Pachtzeit von zehn Jahren erneut als Hotel nebst Restaurantbetrieb zulässig nutzen zu dürfen“. Sollte eine Zusicherung nicht oder nicht im erforderlichen und ausreichenden Umfang gewährt werden, behält sich Van der Valk vor, vom Vertrag zurücktreten zu wollen.
Die Stadtspitze reagiert empört auf diese Forderung. Der Letter of Intent sei der Verwaltung bisher nicht bekannt gewesen, stellt Christiane Schmidt, Kommunikationschefin im Rathaus, klar. Und das, obwohl der Stadt dort ja anscheinend eine entscheidende Rolle zukomme. „Bezirksregierung und Van der Valk schreiben uns etwas zu, dass in keiner Weise abgesprochen ist“, sagt Christiane Schmidt. Zunächst hatte die AfD vor rund zwei Wochen schon erklärt, dass sie Kenntnis von einem solchen Passus habe. Die Stadt wies solche Forderungen damals als „Luftnummer“ zurück.
Stadt Gladbeck sieht keine Grundlage, die Van-der-Valk-Forderung zu erfüllen
Inhaltlich sieht man bei der Stadt auch gar keine Möglichkeit, diese Forderung zu erfüllen. Christiane Schmidt beruft sich da auf erste Einschätzungen aus dem städtischen Rechtsamt. Demnach könne die Verwaltung keine Aussage über die Genehmigungsfähigkeit eines Bauantrags machen, der noch gar nicht bekannt sei und wo auch die dann in zehn Jahren geltenden gesetzlichen Grundlagen überhaupt nicht feststehen.
Christiane Schmidt bestätigt, dass es Gespräche mit Van der Valk gegeben habe und das Unternehmen auch signalisiert habe, nach Ende des Vertrags mit dem Land das Hotel wieder eröffnen zu wollen. Daran habe auch die Stadt ein Interesse. Doch derart konkrete Forderungen oder gar Zusagen habe es nicht gegeben.
Bezirksregierung Münster äußert sich nicht zu Verhandlungsdetails
Platzt damit die Absprache zwischen Land und Van der Valk? In der AfD zeigt man sich davon überzeugt, doch ganz so einfach dürfte es nicht sein. Das Unternehmen kann sich ja durchaus entscheiden, auf diesen Blankoscheck zu verzichten und das Risiko einzugehen. Hinzu kommt: Die vorliegende Absichtserklärung ist nicht datiert, es ist also unklar, ob es möglicherweise ein aktuelleres Exemplar gibt, das sich anders liest. Denn Korrekturen in der Außenspalte legen den Verdacht nahe, dass es sich bei dem kursierenden Exemplar nicht um die endgültige Fassung handelt. Unterschrieben ist ebenfalls noch nichts.
Die Bezirksregierung äußert sich nicht zu Einzelheiten. Schriftlich bittet die Pressestelle um Verständnis dafür, „dass wir uns darüber hinaus zu Projekten in einem derart frühen Stadium nicht im Detail äußern können“. Weiter enthält die Mitteilung diesen Hinweis: „Bei der Errichtung und dem Betrieb von Einrichtungen für Geflüchtete achtet die Bezirksregierung stets neben humanitären Gesichtspunkten auch auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit.“
Je nach Belegung mehr als 900.000 Euro monatliche Kosten für das Land
Der erfolgt wohl nicht ohne Grund, denn aus der Absichtserklärung geht auch hervor, wie viel das Land bereit wäre, für die langfristige Miete des Hotels zu zahlen. Demnach geht es um eine monatliche Kaltmiete von 320.000 Euro. Dazu kommen monatlich 40.000 Euro Miete für das Inventar sowie weitere 245.316 Euro für Zusatzdienstleistungen. Je nach Belegung zahlt das Land eine tägliche Verpflegungspauschale von 16 bzw. 18,50 Euro pro Person und Tag. Nach Verbrauch müssen dann noch Nebenkosten gezahlt werden sowie die Müllentsorgung.
Rechnet man die Fixkosten zusammen, so kommt man bei voller Belegung auf eine Summe von rund 903.000 Euro. Geld, das wohlgemerkt aus der Landeskasse kommt, was nicht den städtischen Haushalt belastet.
Diskrepanz zwischen der Personen- und der Bettenzahl
Ebenfalls Bestandteil der Absichtserklärung sind Pläne, die die Raumaufteilung und Möblierung der möglichen Flüchtlingsunterkunft zeigen. Demnach planen die Verantwortlichen mit Etagen für Familien, für Frauen und vulnerable Personen sowie für alleinreisende Männer. Je nach Größe sollen bis zu acht Personen in einem Zimmer leben. Dazu kommen Gemeinschaftsräume etwa für Bildungs- und Freizeitangebote oder Gebetsräume – außerdem für Beratungsangebote.
Doch es ergibt sich noch eine Ungereimtheit. In der Absichtserklärung ist die Rede von 618 Personen. Die Zahl wurde auch im Vorfeld in der öffentlichen Diskussion genant. Zählt man jedoch die Anzahl der Betten zusammen, so kommt man auf 1112. Diese Diskrepanz kann die Stadt nicht erklären, verweist auf die Bezirksregierung. Auf eine entsprechende Nachfrage äußerte diese sich nicht weiter.
Stadt Gladbeck appelliert an das Land, die Planungen einzustellen
Bei der Stadt hat man nun genug. Bürgermeisterin Bettina Weist fordert das Land NRW und die Bezirksregierung Münster auf, die Planungen für die Unterkunft einzustellen. Als Grund für die nun deutliche Ablehnung seitens der Bürgermeisterin und der Verwaltung führt Bettina Weist zunehmende Sorgen in der Bevölkerung und bei den demokratischen Parteien, deutliche Kritik der Flüchtlingshilfe an sogenannten Massenunterkünften auf. Hinzu komme die schwierige Kommunikation seitens des Landes, so Christiane Schmidt.
Gleichzeitig stellt Gladbecks Bürgermeisterin in einer Stellungnahme klar: „Wir bekennen uns weiterhin zu einer großen Willkommenskultur und werden in Gladbeck alles möglich machen, um ein sicherer Hafen für Menschen zu sein, die auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung sind. Wir wollen dabei aber weiterhin auf das Prinzip der dezentralen Unterbringung setzen und diesen sehr erfolgreichen Gladbecker Weg weitergehen.“
Gladbeck will Flüchtlinge weiterhin dezentral in der Stadt unterbringen
Ja, zunächst habe die Stadt die Vorteile aus ihrer Sicht hervorgehoben, sagt Christiane Schmidt. Richtet das Land eine zentrale Unterkunft ein, so werden die Plätze dort auf das Kontingent der Stadt angerechnet. Die Stadt würde also finanziell und organisatorisch entlastet. Später hatte die Bürgermeisterin in einem Brief an die Bezirksregierung das Van der Valk als „nicht ideal“ als Unterkunft bezeichnet. Seither habe man in den vergangenen Wochen sehr genau zugehört und viele Gespräche geführt. Viele Menschen könnten die Entscheidung für diese Großunterkunft nicht nachvollziehen und hätten ihr ihre Sorgen mitgeteilt. „Ich teile diese ausdrücklich“, sagt Bettina Weist.
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Weiter führt sie die Positionierung der Evangelischen Flüchtlingshilfe ins Feld. Die habe sich an sie gewandt und ebenfalls Kritik an geplanten Großunterkünften geäußert. Dort gebe es weder ausreichende psychosoziale Betreuung noch Zugang zu Bildung, keine Privatsphäre und nur unzureichende Gesundheitsversorgung.
Bürgermeisterin will Gespräch mit den demokratischen Fraktionen suchen
Die Bürgermeisterin: „Diese Hinweise nehme ich sehr ernst, sie decken sich auch mit den Berichten, die wir aus anderen Städten kennen, in denen Notunterkünfte in Betrieb sind. Der Standort Van der Valk ist deshalb für uns nach längerem Abwägen der falsche.“ Laut Christiane Schmidt wolle die Stadt ihre Linie der dezentralen Unterkunft beibehalten. Die Stadt werde ihrer Verantwortung gerecht, wohlwissend, dass man irgendwann an finanzielle und an Kapazitätsgrenzen gerate.
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Die Bürgermeisterin kündigte an, kurzfristig das Gespräch mit den demokratischen Fraktionen zu suchen, um einen politischen Konsens herzustellen. Laut Christiane Schmidt gehe es darum, zu schauen, ob man in der kommenden Ratssitzung möglicherweise eine gemeinsame Resolution ans Land verabschieden könne. Ob das gelingt, vermag man bei der Stadt nicht vorherzusagen. Allerdings hatten sich die großen Fraktionen SPD und CDU zuvor schon eher ablehnend gezeigt. Vor allem die Art der Unterbringung stört sie.
Unklar ist auch, ob eine solche Resolution Bezirksregierung und Van der Valk von den Plänen abbringt. Unabhängig davon ist die Bezirksregierung für die Sitzung des Haupt-, Finanz- und Digitalisierungsausschuss am 12. Juni eingeladen, um dort die Position des Landes darzustellen.