Gladbeck. Ostern treibt auch in Gladbeck viele Menschen in die Kirche, die Musik formt das wichtigste Glaubensfest. Aber wie macht sie das genau?

Da hängt er nun und guckt ein bisschen traurig. Lange muss er aber nicht mehr warten, dann darf er runter vom Kreuz und nach Emmaus wandeln. Dann ist nämlich Ostern. Die Kirche St. Lamberti in Gladbeck wird wohl voll sein, vielleicht nicht so voll wie Heiligabend, aber immerhin. Und neben der Geschichte vom leeren Grab und dem erwachten Helden Jesus spielt dann die Musik die Hauptrolle, sicherlich die größte Errungenschaft, die die Kirche der Welt beschert hat. Und der kleinste gemeinsame Nenner aller fromm-fleißigen Kirchgänger und jener, die dem Haus Gottes nur sporadisch Besuche abstatten.

Königin der Instrumente: Die Klais-Orgel in der Gladbecker Kirche St. Lamberti.
Königin der Instrumente: Die Klais-Orgel in der Gladbecker Kirche St. Lamberti. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Für Friederike Spangenberg, Organistin in der Gemeinde St. Lamberti, bedeutet Ostern viel Arbeit. Nicht nur, wenn sie tatsächlich in die Manuale der Klais-Orgel haut. Denn die Musik ist fest in die Liturgie eingebunden, in die Dramatik der Ostergeschichte im Gottesdienst, möchte man es weltlicher formulieren. Und so sitzt Spangenberg in der leeren wie kalten Kirche auf der Orgelempore und grübelt: Was macht Ostermusik eigentlich aus?

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Gladbecker Organistin: Kontrast macht Kirchenmusik zu Ostern besonders

„Der Kontrast zwischen der Hoffnungslosigkeit und der Wiederauferstehung, dem Sieg über den Tod, das ist musikalisch das wichtigste Thema.“ Gerade nach der Auferstehung strotzt das Liederbuch deswegen nur so vor Hallelujas und vielen Liedern in drei Vierteln, die allein schon ihrer Taktart wegen fröhlich-tänzerisch klingen. Das „Feierliche Halleluja“ etwa wird nur zu Ostern ausgepackt. „Ich höre öfter mal, dass Leute das nicht so schön finden. Aber das gehört einfach dazu, es ist was besonderes.“

Viele Möglichkeiten: Die Gladbecker Organistin Friederike Spangenberg setzt die Register der Orgel für die passende Dramaturgie des Osterfests ein.
Viele Möglichkeiten: Die Gladbecker Organistin Friederike Spangenberg setzt die Register der Orgel für die passende Dramaturgie des Osterfests ein. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Dazu gehören auch andere Lieder. „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ als Gloria etwa, das ist so ein tänzerischer Dreiviertel-Choral. Ein Loblied auf Gott, vollgestopft mit „Friede“, „Höhe“, „Gnade“ und „Ehre“. Die ganzen schönen Sachen halt. Friederike Spangenbergs Lieblings-Osterlied nennt sich aber „Wir wollen alle fröhlich sein“. Mit vielen Hallelujas, vor allem aber in strahlendem Dur. Dabei sei das Tongeschlecht gar nicht so wichtig für den Kontrast zwischen zu Tode betrübt und himmelhoch jauchzend, sagt Friederike Spangenberg.

Je dunkler der Karfreitag, desto schöner das Osterfest

„Man kann auch furchtbares Dur spielen – und tröstliches Moll. Ich habe die klare Trennung an Ostern besonders lieb gewonnen. Karfreitag muss ein ganz dunkler Tag sein, sonst funktioniert Ostern nicht richtig.“ Verdunkelt wird der Tag der Kreuzigung musikalisch besonders durch die Liedtexte. Bekanntester Vertreter dieser Zunft, und eines der schönsten Kirchenlieder noch ganz nebenbei: „O Haupt voll Blut und Wunden“.

Ohne Pauken, mit Trompeten: Die Klais-Orgel in der Gladbecker Kirche St. Lamberti kann ganz unterschiedlich klingen – zum Beispiel dank ihrer spanischen Trompeten.
Ohne Pauken, mit Trompeten: Die Klais-Orgel in der Gladbecker Kirche St. Lamberti kann ganz unterschiedlich klingen – zum Beispiel dank ihrer spanischen Trompeten. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Das tief empfundene Klagen am Kreuze Jesu hüllt den Karfreitag in ein dystopisches Gewand, die Gemeinde singt über die Dornenkrone und die verzweifelte Hoffnung, dass der Tod am Ende doch nicht gewinnt. Aber dann, nach der Auferstehung, kommt sein großer Auftritt, der Endgegner aller Choräle: „Das Grab ist leer, der Held erwacht“. Strahlend, hoffnungsvoll, in besagtem, tänzerischen Dreiertakt. „Das Lied ist immer noch wichtig“, sagt Friederike Spangenberg, „ohne geht Ostern eigentlich nicht“.

Die Ostergeschichte als kirchliches Musical

Licht und Schatten, Tod und Leben, ohne funktioniert das Osterfest musikalisch also nicht. „Das geht nur als Gesamtpaket. Man kann Ostern nicht spielen, ohne die Fastenzeit und die Passionsgeschichte davor zu betrachten.“ Der, der da mit traurigem Blick am Kreuze hängt, kriegt von der ausgeklügelten Dramaturgie womöglich gar nichts mit. Für die Oster-Kirchgänger aber entfaltet sich die musikalische Passionsgeschichte wie ein Musical – sogar ohne Andrew Lloyd Webber.