Gladbeck. Vor einem Jahr begann der Krieg in der Ukraine. Familie Teliuk floh nach Gladbeck. Wie es ihr jetzt geht – und warum sie nicht zurück will.

Das mit dem Deutsch klappt schon ganz gut. „Wäre trotzdem schön, wenn die Sprache ein bisschen einfacher wäre.“ Lesia Teliuk schmunzelt. Da bedeutet viel. Denn vor einem Jahr wäre selbst das leiseste Lächeln auf Teliuks Lippen undenkbar gewesen. Die Ukrainerin ist mit ihren beiden Kindern vor Putins Angriffskrieg nach Gladbeck geflohen. Ihr Mann und ihre Eltern mussten zurückbleiben. Im Frühjahr 2022 gab es keinen Grund zu lächeln. Nicht mal einen, um zu schmunzeln.

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Die Flucht in den ersten Kriegstagen gelang dank des Gladbeckers Thorsten Rottmann. Der ist mit Teliuks Schwester Mariia verheiratet. Und entschloss sich, seine Schwägerin und deren Kinder Ivanka und Teras rauszuholen. Nach einem 3000 Kilometer langen Parforceritt ist die Familie, zumindest teilweise, müde, aber vereint in Gladbeck.

Ukrainische Familie in Gladbeck endlich vereint

Ein Jahr in Deutschland also. Wie ist es Familie Teliuk in dieser Zeit ergangen? Die erfreuliche Antwort: „Immer besser“. Denn im Spätsommer durfte auch Teliuks Mann die Ukraine verlassen. Weil er drei Kinder hat. „Das war ziemlich kompliziert“, erinnert sich Lesia, „er musste das mit allerhand Papieren beweisen.“ Geklappt hat es trotzdem.

Der Anfang: Vor einem Jahr war Gladbeck für die Familie Teliuk noch fremd – heute ist die Stadt ihre Heimat.
Der Anfang: Vor einem Jahr war Gladbeck für die Familie Teliuk noch fremd – heute ist die Stadt ihre Heimat. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Einen Job hat er auch schon, in einem großen landwirtschaftlichen Betrieb in Kirchhellen. „Er hat dort nette Kollegen, und für Technik interessiert er sich sowieso“, sagt Lesia Teliuk. Sie selbst arbeitet auch schon. In Teilzeit ist sie Alltagsbegleiterin für ältere Menschen. „In einer deutschen Umgebung“, betont ihre Schwester Mariia. Das ist wichtig. „Denn die alten Menschen wollen ja viel reden. Und das ist gut, so lernt meine Schwester viel schneller Deutsch.“

Gladbeckerin will nicht in die Ukraine zurück

Wie Mariia ist auch Lesia gelernte Krankenschwester. Wenn es mit der Sprache noch besser klappt, will die Ukrainerin auch wieder im Krankenhaus arbeiten. Das klingt nicht so, als ob sie nach dem Krieg zurückkehren will. „Nein, ich will in Deutschland bleiben, in Gladbeck“, sagt Teliuk, „mir gefällt es hier.“ Eine schöne Wohnung hat die Familie nämlich auch. Just die, die Mariia und Thorsten Rottmann schon vor Jahren für sie ausgeguckt hatten. Sollte sie jemals nach Deutschland kommen wollen.

Wehmut, Trauer, bleiben aber auch nach einem Jahr. Über den Krieg, klar. Aber auch über die Mutter, die noch in der Ukraine lebt. Und um den Vater, der im vergangenen Jahr gestorben ist. „Wir würden unsere Mutter gerne nach Deutschland holen“, sagt Mariia. Aber die möchte die Ukraine nicht verlassen.

Aus der Ukraine in die Mosaikschule

Die Schwestern Mariia und Lesia können das verstehen. „Da ist eben ihr Leben, da hat sie immer gewohnt.“ Trotzdem hoffen sie, dass sich ihre Mutter doch noch umentscheidet. Alleine schon, um die Enkel zu sehen. Die fühlen sich nämlich auch ziemlich wohl in Gladbeck. Ivanka ist zwar gerade krank, aber ansonsten geht es ihr gut. Besser vielleicht sogar als in der Ukraine vor dem Krieg. „Wir waren total überrascht“, sagt Thorsten Rottmann, „sie ist hier richtig aufgegangen“. Im schulischen Sinne, die Noten werden besser. Aber auch mit Blick aufs Zwischenmenschliche. „Ivanka war immer eher verschlossen. Hier hat sie sich richtig geöffnet.“

Taras kann auch nur Gutes berichten. Also fast. Er geht in die Klasse 4b der Mosaikschule, erzählt er, und zwar gerne. „Nur mit den Mädchen hat er ein bisschen Probleme“, schmunzelt Tante Mariia. „Die sind in der Klasse deutlich in der Überzahl.“ Und Mädchen, die hat man in Taras Alter natürlich doof zu finden. Wie schön, dass Taras es sich wieder erlauben kann, solche Dinge seine größte Sorge sein zu lassen.